Warum kommt es während der Sommerferien in Nordrhein-Westfalen zu langen Wartezeiten an Flughäfen? Experten und Beteiligte erklären die chaotische Lage.
„Voll gegen die Wand gefahren“Chaos an Flughäfen in NRW, wieder Flüge gestrichen
Die Situation an den Flughäfen Köln/Bonn und Düsseldorf ist weiterhin angespannt. Wer von dort fliegen möchte, sollte viel Zeit einplanen und starke Nerven haben. Auch am zweiten Wochenende der Sommerferien in Nordrhein-Westfalen wurden wieder Flüge gestrichen. Wie geht es weiter bei diesem leidigen Thema?
Am Flughafen Köln/Bonn fielen am Samstag (2. Juli) nach Angaben des Airports Flüge nach London, Palermo, Edinburgh, Nizza, München und Pisa aus. Ein ähnliches Bild gab es am Flughafen in Düsseldorf – dort wurden auf der Abflugtafel Verbindungen nach Lissabon, Malaga, Barcelona und Mailand als gestrichen angezeigt.
NRW: Gestrichene Flüge in den Airports Köln/Bonn und Düsseldorf am Samstag (2. Juli)
Die langen Warteschlangen an den großen Flughäfen Nordrhein-Westfalens werden nach Einschätzung eines Gewerkschafters noch die ganzen Sommerferien existieren. Am Samstag (2. Juli) war die Lage allerdings entspannter als in der Vorwoche. In Düsseldorf waren es am späten Vormittag Wartezeiten bei den Sicherheitskontrollen von bis zu 20 Minuten.
Am Flughafen Köln/Bonn bildeten sich zwar ebenfalls Warteschlangen vor den Sicherheitskontrollen. Nach Angaben einer Sprecherin aber liefen alle Prozesse im Terminal geordnet und ruhig ab.
An den Sicherheitsschleusen sei eine baldige personelle Aufstockung nicht absehbar, sagte der bei Verdi NRW für die Flughäfen zuständige Gewerkschaftssekretär Özay Tarim der „Deutschen Presse-Agentur“. „Und bei den Bodendienstleistern wird die Personaldecke wohl ebenfalls sehr dünn bleiben.“
Können ausländische Kräfte für eine Entspannung sorgen? Die Pläne der Branche, Fachkräfte aus der Türkei und aus Balkan-Staaten zum Beispiel für die Gepäckabfertigung einzusetzen, dürften für Airports in den Sommerferien in NRW nichts mehr bringen, sagte Tarim.
Die Bundesregierung hatte unlängst den Weg freigemacht für die erleichterte Anwerbung von Personal aus dem Ausland. Hierbei geht es um zusätzliche Beschäftigte bei Bodendienstleistern, die sich zum Beispiel um die Gepäckabfertigung und um das Bereitstellen von Treppen an Fliegern kümmern. Um die Sicherheitsschleusen geht es nicht – hier sind Firmen im Auftrag der Bundespolizei im Einsatz. Arbeitskräfte aus dem EU-Ausland dürfen hier nicht tätig sein.
Neben den Wartezeiten kommt erschwerend hinzu, dass Airlines weiterhin Verbindungen streichen. So annullierte Eurowings für diesen Samstag Flüge von Düsseldorf nach Nizza, Mailand und Westerland und die Lufthansa zwei Flüge am selben Tag von Düsseldorf nach Frankfurt.
Wie bewerten die Airports den Einsatz ausländischer Arbeitskräfte? Ein Sprecher des Flughafens Köln/Bonn äußerte sich positiv und sagte, man prüfe diese Möglichkeit „aktuell intensiv“. Allerdings funktionierten die Prozesse bei der Abfertigung der Flugzeuge und im Gepäckdienst gut. „Die drängendste Aufgabe ist aus Sicht des Flughafens, die Personalsituation an der Passagierkontrolle der Bundespolizei nachhaltig zu verbessern.“
Was sagen die Gewerkschaften zu der Situation? Gewerkschafter Tarim ist derzeit nach eigener Aussage täglich unterwegs an den unterschiedlichen NRW-Airports. „Die Warteschlangen werden länger und länger – es ist unfassbar“, sagte er kopfschüttelnd. Dies sei besonders ärgerlich, da die Probleme absehbar gewesen seien.
Als Arbeitnehmervertretung habe man schon im vergangenen Jahr auf die drohenden Personalengpässe nach Ende der Corona-Einschränkungen hingewiesen. Die in verschiedenen Airport-Bereichen tätigen Firmen hätten aber viel zu wenig getan, um Personal trotz Krise zu halten, sagte der Gewerkschaftssekretär.
Die Arbeitsbedingungen seien nicht verbessert worden. „Wir haben gesagt, dass sich das im Sommer rächen wird – und jetzt sind wir voll gegen die Wand gefahren.“
Für die verbliebenen Beschäftigten bei den Sicherheitschecks und in der Bodenabfertigung sei die Situation sehr schwierig, weil das Arbeitspensum und der Stress immens hoch seien. „Das ist Akkordarbeit für viel zu wenig Leute.“ Für die Sicherheit sei dies gefährlich, warnte Tarim.
Wie sehen die Sicherheitsunternehmen die Lage? Am Köln-Bonner Flughafen ist die Firma Securitas zuständig für die Sicherheitsschleusen. Ein Firmensprecher begründete die personellen Engpässe unter anderem mit einem coronabedingt hohen Krankenstand und mit unerwartet hohen Passagierzahlen. Man rekrutiere aktiv Mitarbeiter und bilde laufend qualifiziertes Personal aus. Wann sich die Situation entspannen werde, könne man nicht sagen.
Bundespolizei zu Wartezeiten an Flughäfen in NRW: „Gründlichkeit und Sicherheit vor Schnelligkeit“
Sind die Abläufe an den Sicherheitsschleusen optimal? Wer unlängst in einer der Warteschlangen ausharren musste und immer wieder nervös auf die Uhr schaute, der könnte sich die Frage gestellt haben, ob man die Abläufe an den Sicherheitsschleusen nicht beschleunigen kann.
Nein, sagte Jens Flören von der Bundespolizei und betonte, dass die Prozesse nicht geändert würden. „Gründlichkeit und damit Sicherheit gehen vor Schnelligkeit.“
Die Bundespolizei beauftragt die Sicherheitsfirmen mit der Arbeit an den Schleusen. Der Polizei-Sprecher bestätigte, dass die Unternehmen mit Hochdruck auf Personalsuche seien. In Düsseldorf habe die zuständige Firma DSW zum Start der Sommerferien immerhin 62 zusätzliche Arbeitskräfte in den Einsatz schicken können, die sich um die Einweisung und Wannenrückführung an den Sicherheitsschleusen kümmern. 60 weitere stünden aller Voraussicht nach bald bereit.
Die personelle Achillesferse sind die Luftsicherheitsassistenten, die die Gepäck-Scans und die Körper-Überprüfungen durchführen. Hier ist die Personalrekrutierung aufwendiger, die Ausbildung dauert laut Bundespolizei 12 Wochen und nicht nur knapp eine Woche wie bei ihren Kollegen, die weniger Kompetenzen haben.
Könnte eine Entzerrung der Flugpläne helfen? Aus Sicht des Polizeisprechers ist auch der Flugplan ein Teil der aktuellen Schwierigkeiten.
„Nicht die Masse der Passagiere und Passagierinnen ist das Problem, sondern die Ballung auf Stoßzeiten“, sagte Flören. Würde der Flugplan entzerrt und wäre das Aufkommen der Passagiere und Passagierinnen an den Sicherheitschecks und Terminals im Tagesverlauf in etwa gleich hoch, wäre dies viel einfacher für die Sicherheitsfirmen zu handhaben.
Als „ultima ratio“ ist es möglich, dass Bundespolizisten und Bundespolizistinnen einspringen und die Einweisung und Wannenrückführung an den Schleusen übernehmen. Dies geschehe aber nur bei einer drohenden Gefährdung der Luftsicherheit und „wenn es gar nicht anders geht“, so der Bundespolizei-Sprecher. Das Gepäck scannen dürfen die Polizisten nicht, dafür sind sie nicht ausgebildet.
Flughafen-Chaos in NRW: So sieht es an diesem Wochenende aus
Und was ist dieses Wochenende zu erwarten? Einen minimalen Hoffnungsschimmer gibt es, dass die Warteschlangen an diesem Wochenende vielleicht nicht ganz so extrem lang sind wie vor einer Woche.
Denn es müssen etwas weniger Fluggäste durch die Sicherheitsschleusen als zuvor: Nutzten am vergangenen Samstag und Sonntag rund 132.500 Passagiere und Passagierinnen den Düsseldorfer Airport, so werden am zweiten Sommerferien-Wochenende 111.000 erwartet. In Köln-Bonn sinkt die Zahl um 5000 auf 110.000 Passagiere, hierbei beziehen sich die Wochenend-Zahlen auf jeweils drei Tage, also Freitag bis Sonntag. (dpa)