Helios Klinik WuppertalStarb kleines Mädchen auf Frühchenstation durch Kunstfehler?

Fruehchen_Symbolbild_dpa

Zu früh geborene Babys werden oft durch einen so genannten „Perfusor“ mit Medikamenten und Nährstoffen versorgt.

  1. Martina A. (Name geändert) brachte Zwillinge vorzeitig in der 32. Woche per Kaiserschnitt zur Welt. Beide Babys kamen auf die Frühchen-Station.
  2. Das kleine Mädchen wirkte ein wenig schwächer als ihr Zwillingsbruder.
  3. Man wollte sie mit Nährstoffinfusionen aufpäppeln, eigentlich ein Routinefall...
  4. Dann aber meldeten sich tags darauf alarmierende Symptome bei dem Kind.
  5. Was die Krankenschwester zu den Vorwürfen sagt, wie die Klinik reagiert

Wuppertal – Nach dem Tod eines frühgeborenen Säuglings in der Wuppertaler Helios Klinik ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen eine 39 Jahre alte Krankenschwester. Wie Oberstaatsanwalt Wolf-Tilman Baumert auf Anfrage dem EXPRESS bestätigte, geht es um den Verdacht der fahrlässigen Tötung.

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Der Eingang des Helios-Klinikums

Auf der Frühchen-Intensivstation sei es demnach zu einem Behandlungsfehler durch einen sogenannten Perfusor gekommen. Per Spritzenpumpe werden darüber zum Beispiel Frühgeborenen intravenös benötigte Medikamente oder Nährstoffe verabreicht. „Die Beschuldigte hatte das Gerät offenbar falsch eingestellt, dadurch schossen die Infusionen offenbar mit viel zu hohem Druck in das Kind und führten letztlich zu seinem Tode“, sagte Baumert. Die vorläufige Obduktion geht von einem Multiorganversagen aus.

Dias kleine Mädchen war etwas schwächer als ihr Zwillingsbruder

Die Tragödie ereignete sich nach Angaben von Christian O’Day, Anwalt der betroffenen Familie, am 1. März. Martina A. (Name geändert) brachte ihre Zwillinge vorzeitig in der 32. Woche per Kaiserschnitt zur Welt. Beide Babys kamen auf die Frühchen-Station. Das Mädchen wirkte ein wenig schwächer als ihr Zwillingsbruder. Man wollte sie mit Nährstoffinfusionen aufpäppeln, eigentlich ein Routinefall.

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Dann aber traten tags darauf alarmierende Symptome bei dem Mädchen auf. Hektisch begannen sich Ärzte zu kümmern. Das Kind begann stark zu bluten. Offenbar hatte der falsch eingestellte Perfusor die Infusionen mit derartiger Wucht in den kleinen Körper gepumpt, dass schwere innere Verletzungen entstanden.

Chirurgen und Orthopäden am häufigsten im Fokus

Verpfuschte Hüft-, Knie- oder Rücken-OPs, Versäumnisse in der Geburtshilfe: Von den rund 14.000 Verdachtsfällen auf Kunstfehler, die die Krankenkassen 2018 überprüften, wurde knapp ein Viertel bestätigt.

Die Gutachter- und Schlichtungsstellen der Ärztekammern sahen 1858 Behandlungsfehler als erwiesen an. Davon führten 88 zum Tode. Unfallchirurgen und Orthopäden stehen besonders oft im Fokus.

Bei juristischen Auseinandersetzungen geht es in der Geburtshilfe oft um die höchsten Summen. Ansprüche verjähren in der Regel nach drei Jahren.

Schließlich bat man die Eltern ans Bettchen. Sie sollten sich von ihrem Kind verabschieden. „Wie es aussieht, wird es nicht mehr aufwachen“, teilten die Ärzte dem geschockten Ehepaar mit. Am 4. März starb das Kind. Das Paar schaltete über seinen Anwalt umgehend die Polizei ein. Die Beamten beschlagnahmten noch am selben Abend den Perfusor und begannen mit den Ermittlungen.

Krankenschwester räumte ihre Schuld ein

Laut Staatsanwaltschaft habe die Krankenschwester einem behandelnden Arzt gegenüber, bereits ihre Schuld eingeräumt. Sie habe das Gerät vor der Behandlung noch gereinigt, womöglich sei ihr dann bei der Verabreichung der Infusionen ein Fehler bei der Einstellung der Spritzpumpe unterlaufen, heißt es. Strafverfolger Tilman-Baumert spricht von einem „Augenblicksversagen“. Der Fall soll nun weiter aufgeklärt werden.

staatsanwaltBaumert

Oberstaatsanwalt Wolf-Tilman Baumert bestätigte den Fall.

Die Ermittlungsakte versandte die Staatsanwaltschaft zunächst an die Beschuldigte und ihre Verteidigerin mit der Bitte um Stellungnahme.

Eltern warten bis heute auf Akteneinsicht

Die Eltern des verstorbenen Säuglings warten nach Angaben ihres Anwalts indes immer noch auf Akteneinsicht. Seine Mandanten hatten sich für die Geburt eigens das Perinatalzentrum der Helios-Klinik ausgesucht, weil es einen guten Ruf genießt. „Es sind fast drei Monate vergangen, meine Mandanten wüssten gerne, wie es zum Tod ihrer Tochter kommen konnte, aber bisher laufen wir gegen eine Wand“, monierte der Anwalt O’Day.

Aus seiner Sicht stellen sich eine Reihe von Fragen: War die Krankenschwester mit dem Umgang der Spritzenpumpe vertraut? Wurde sie in den Gebrauch eingewiesen? Gibt es Hinweise auf weitere Fehler? „Alle diese Fragen gilt es zu klären und zwar so transparent wie möglich“, forderte der Jurist.

Krankenhausleitung der Wuppertaler Helios Klinik drückt Mitgefühl aus

Die Krankenhausleitung bestätigte auf Anfrage schriftlich, „dass vor wenigen Monaten ein Frühgeborenes in unserer Klinik verstorben ist. Wir bedauern den Tod des Kindes zutiefst und sind sehr betroffen. Unser tiefes Mitgefühl gilt den Eltern“. Man unterstütze die Ermittlungen zur Todesursache vollumfänglich. Mit Hinweis auf das laufende Ermittlungsverfahrens wollte man sich nicht näher zum Sachverhalt äußern.