Schwebebahn-TragödieDer Tag, an dem eine Wuppertaler Legende vom Himmel fiel
Wuppertal – Den 12. April 1999 wird Wuppertal nie vergessen. An diesem Tag vor genau 20 Jahren passierte das, was sich im Bergischen niemand auch nur in seinen dunkelsten Alpträumen hätte vorstellen können.
Denn als die Stadt an diesem Montagmorgen langsam erwachte und in Bädern, Küchen und Schlafzimmern nach und nach die Radios eingeschaltet wurden, trauten viele Hörer bei einer Nachricht ihren Ohren kaum: Die Schwebebahn war abgestürzt!
Wuppertaler Polizisten glaubten erst nicht an Schwebebahn-Tragödie
Um 5.45 Uhr steuerte Wagen Nr. 4 als erster Zug des Tages gerade auf die Station Robert-Daum-Platz zu. Wenige Augenblicke später kam es zur Katastrophe, die weder der 66-jährige Fahrer, noch seine 51 Fahrgäste kommen sahen. Denn wie aus dem Nichts entgleiste die Schwebebahn und stürzte zehn Meter in die Tiefe!
Mit einem lauten Knall schlug der tonnenschwere Wagen in der Wupper und auf einer Fernwärmeleitungsbrücke auf. Während Mitarbeiter einer benachbarten Firma über ein Baugerüst zur schwer zugänglichen Unglücksstelle in die eiskalte Wupper kletterten und sich um die teils schwerst verletzten Opfer kümmerten, gingen bei der Polizei die ersten Notrufe ein.
Einige Anrufer sollten in den folgen Tagen davon berichten, dass sie am anderen Ende der Leitung zunächst nur Gelächter ernteten, weil sich die Beamten die Tragödie schlicht nicht vorstellen konnten.
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Die Bilanz der Katastrophe: 47 Schwerverletzte und fünf Tote
Wenig später begann aber auch den Einsatzkräften zu dämmern, welches Ausmaß das Unglück annehmen sollte. Am Ende waren über 150 Feuerwehrleute und Sanitäter im Einsatz, die sich zusammen mit zwölf Notärzten um die Verletzten kümmerten.
Nach der Bergung aus dem Wrack wurden die Opfer zunächst in die Räume einer nahegelegenen Bank gebracht, wo ein improvisiertes Lazarett eingerichtet wurde. Anschließend wurden sie nach und nach mit Rettungswagen und drei Rettungshubschraubern in Kliniken in Wuppertal, Remscheid und Solingen gebracht.
Die schreckliche Bilanz am Ende: 47 Schwerverletzte. Dazu konnten die Retter zwei Männer nur noch tot aus den Trümmern von Wagen Nr. 4 bergen. Zwei weitere Opfer erlagen im Krankenhaus ihren Verletzungen, während die Leiche einer Frau erst Stunden später flussabwärts im Wasser gefunden wurde.
Wuppertaler Stadtwerke zahlten 1,3 Millionen Mark Schadenersatz
Traurigerweise wurde der Auslöser des Dramas schnell klar, weil er kaum zu übersehen war. Nach Bauarbeiten am Schienengerüst hatten Arbeiter nämlich vergessen eine schwere Stahlkralle wieder abzumontieren. Der Grund: Sie standen unter massivem Zeitdruck. So wurde die Baustelle erst zehn Minuten vor der Abfahrt von Wagen Nr. 4 in Vohwinkel geräumt.
Wie die Unfallermittler nachher feststellten, fuhr der 22 Tonnen schwere Zug schließlich mit Tempo 50 gegen das Bauteil. Dabei riss das vordere von vier Drehgestellen vom Dach ab und ließ den Zug entgleisen. Das Gestell (3,5 Tonnen) hing nach dem Absturz noch einige Augenblicke am Gerüst, bevor es ebenfalls gen Wupper stürzte und im Wrack einschlug.
Drei Jahre nach der Tragödie wurden drei Verantwortliche für Bahnaufsicht und Bauüberwachung wegen fahrlässiger Tötung und fahrlässiger Körperverletzung jeweils zu Bewährungsstrafen verurteilt. Dazu bekam einer der Bauarbeiter ebenfalls Bewährung.
Insgesamt zahlten die Wuppertaler Stadtwerke (WSW) als Schwebebahn-Betreiber 1,3 Millionen D-Mark Schadenersatz an Opfer und Angehörige.
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Stromschienen-Unfall sorgt für längste Betriebspause in 118 Jahren
Während der Ermittlungen wurde der Betrieb der Schwebebahn komplett eingestellt. Erst am 8. Juni 1999 rollten die Züge wieder über der Wupper. Bis zum 18. November 2018 war es die längste Betriebspause in der über 100-jährigen Geschichte der Wuppertaler Legende.
19 Jahre später stürzte nämlich zum zweiten Mal innerhalb weniger Jahre eine Stromschiene vom Gleisgerüst. Als Konsequenz aus der langen Untersuchung von Experten und Staatsanwaltschaft mussten die WSW die 13,3 Kilometer lange Trasse aufwendig sichern. Erst am 1. August 2019 soll die Schwebebahn jetzt wieder fahren.
Am 20. Jahrestag der Katastrophe am Freitag, an dem es aus Rücksicht gegenüber den Überlebenden und den Angehörigen der Toten keine offizielle Gedenkfeier gab, sind die Sicherungsarbeiten mittlerweile fast abgeschlossen.
Nachdem Ende März etwa die Hälfte der 18.000 Klemmbacken, die die Gleise sichern, ausgetauscht wurden, durften die ersten Züge wieder zu Testfahrten auf die Strecke. Seitdem wurden auch alle 2500 neuen Sicherungsbleche an der Trasse montiert. All dies sind Auflagen der Technischen Aufsichtsbehörde (TAB), damit der Betrieb im Sommer nach 257 Tagen Pause wieder aufgenommen werden kann.