Viele Menschen in der Ahrweiler-Flutregion verloren während des Juli-Hochwasser fast alles. So wie Familie Knieps aus Bad Neuenahr, die auch ein berühmtes Foto mit Mike Tyson erst im Schlamm wiederfand.
Schlamm, Stille, SchweigenBox-Familie findet besonderes Erinnerungs-Foto nach Ahrtal-Flut
Ahrweiler. „Es hätte schlimmer kommen können. Indem wir verreckt wären.“ Thomas Knieps (37) ist ein Freund klarer Worte. Das hat er von seinem Vater Walter (70) geerbt, einem deutschlandweitet bekannten Gesicht der Boxszene, der als „Cutman“ (Wundarzt) in den Ringecken diverser Weltmeister (u.a. Arthur Abraham, Sven Ottke, Felix Sturm) seinen Mann stand.
Familie Knieps hat dieser Tage selbst genug zu kämpfen. Denn noch immer müssen Vater und Sohn aus Bad Neuenahr/Ahrweiler die Spuren der Hochwasser-Katastrophe vom Juli täglich ansehen und schuften seit mittlerweile schon zehn Wochen, um sie zu beseitigen.
Hochwasserdrama in Ahrweiler: „Es roch nach Kot und Fisch“
Als das Hochwasser am 15. Juli immer weiter anstieg, wurde die Situation für die Bosse des beliebten Box-Sport-Clubs selbst lebensbedrohlich. Die Halle des 1986 gekauften Hauses, in dem seit 2014 geboxt wurde, war da schon bis zur Decke vollgelaufen.
Thomas, der in unmittelbarer Nähe wohnt, erinnert sich: „Ich kam nicht mehr aus der Haustüre raus, hatte keinen Handyempfang, gar nichts, nur Glück, dass ich nach oben ausweichen konnte in die höhere Etage.“
Andere schafften es dagegen leider nicht mehr rechtzeitig, der Flut zu entkommen. Er musste von dort aus mit ansehen, wie sich im Nachbarhaus ein Drama wie aus einem Horrorfilm abspielte.
Thomas Knieps spricht über emotionale Stunden
„Meine Nachbarn, ein altes Ehepaar, sind ertrunken. Der Mann hing zweieinhalb Stunden an der Regenrinne, die Frau fast vier Stunden am Fenster, sie sind beide letztlich abgetrieben und untergegangen. Weitere Nachbarn hatten noch verzweifelt versucht, ein Schlauchboot irgendwie aufzupumpen und ihnen rüberzureichen. Man kann sich das nicht vorstellen, wenn man es nicht selbst erlebt hat.“
Stille. Schweigen.
Als wir nach den materiellen Schäden fragen, findet Knieps seine Stimme wieder.
„Wir warten noch auf den Gutachter. Als das Wasser weg war, dachten wir: Wo fangen wir mit dem Aufräumen nur an? Die Fensterfront, die wir erst vor drei Jahren für 50.000 Euro eingesetzt hatten – auf gut deutsch gesagt im A.... Kniehoch stand der Schlamm. Es ging also darum, 1000 Quadratmeter davon weg zu schippen. Der Gestank war ekelhaft. Der Schlamm roch nach einem Mix aus Erbrochenem, Kot und Fisch. Aber: Den hatten wir nach zwei Wochen draußen.“
Solidarität im Ahrtal: Auch die Wilde Horde packte mit an
Klingt unglaublich, doch in der Not konnte man sich auf Hilfe verlassen. Die FC-Fans der Wilden Horde und andere Anhänger, auch Mitglieder des Bezirksligisten ECR Wirges standen parat. Die Haudegen packten selbstlos und unentgeltlich mit an, um den Box-Sport-Club, in dem noch die Sandsäcke über dem dahindümpelnden Unrat baumelten, eimerweise vom Schlamm zu befreien.
Natürlich sind viele ruhmreiche Devotionalien aus Jahrzehnten Boxsport, die an den Wänden und in den Regalen zur Erinnerung dienten, vom Wasser geschluckt worden. Lange galt auch der wohl größte Schatz der Sammlung als komplett vermisst.
Sie möchten helfen?
Bei der Hilfsaktion des DuMont-Verlags haben sich die drei großen Kölner Medien EXPRESS.de, „Kölner Stadt-Anzeiger“ und „Kölnische Rundschau“ und ihre Verlage mit den beiden großen Geldinstituten Sparkasse KölnBonn und Kreissparkasse Köln zusammengetan und eine sechsstellige Summe an die „Aktion Deutschland Hilft“, dem Bündnis deutscher Hilfsorganisationen, gespendet.
Empfänger: Aktion Deutschland Hilft
Institut: Bank für Sozialwirtschaft
IBAN: DE62 3702 0500 0000 1020 30
Spendenstichwort: KStA-Fluthilfe
„Das Wasser kannte keine Gnade. Es geht um einen Schnappschuss mit Autogramm, der unserer Familie sehr viel bedeutet“, so Thomas. „Denn er ist nicht gerade dafür bekannt, gerne Selfies oder Fotos mit Fans zu machen.“
Die Rede ist von „Iron Mike“. Genauer: Einem gemeinsamen Foto der Box-Familie aus Ahrweiler mit Legende Mike Tyson (55), für viele der noch immer populärste Schwergewichtler neben Muhammad Ali († 2016) aller Zeiten.
Knieps' posieren mit Mike Tyson
Der Ex-Weltmeister posiert darauf bestens gelaunt mit Oldie Walter und Thomas. Knieps: „Wir haben ihn 2012 per Zufall durch einen Bekannten in Barcelona kennengelernt und getroffen, er hatte dort zu dieser Zeit einen Werbedreh. Wir haben zwei Stunden mit ihm zusammengesessen, über Boxen gequatscht und hatten, wie man sieht, Spaß mit ihm.“
Knieps erzählt weiter: „Einige WM-Gürtel, die mein Vater einst gesammelt hatte, konnten gerettet werden. Aber das Bild mit Tyson, das uns wirklich viel bedeutet, war verschwunden. Umso glücklicher waren wir, dass es unser Clubmitglied Manfred Müller aus dem Schlamm schließlich bergen konnte. Doch die Restaurierung ist aufwändig und dauert. Und natürlich wird uns das Bild wegen seiner Spuren immer an die Flut erinnern.“
Denn wenn einmal die Aufräumarbeiten in Monaten erledigt sein werden, soll das Bild im neuen Rahmen wieder im Box-Sportclub zur Geltung kommen.