Eine ARD-Doku von Anne Will und Julia Friedrichs will ergründen, wie es den Deutschen in der „Zeitenwende“ geht. Dafür geht es auch in die russische Botschaft nach Berlin – ein durchaus bedrohliches Treffen.
„Sind Sie unser Feind?“Anne Will trifft für ARD-Doku russischen Botschafter – dessen Antwort ist beunruhigend

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Anne Will trifft für die ARD-Doku „Angst vor Krieg: Die Deutschen in der Zeitenwende” den russischen Botschafter Sergej J. Netschajew.
Mit ihrer ersten großen ARD-Doku kehrt die einstige Talkshow-Größe Anne Will zurück auf den Bildschirm – und will nun den Kern der „Zeitenwende“ ergründen. „Angst vor Krieg – Die Deutschen in der Zeitenwende“, so lautet der Titel der Doku (Montag, 7. April, 20.15 Uhr).
Die Spanne der Doku reicht von der Bereitschaft, sein Land zu verteidigen – bis hin zu Verunsicherung und dem Wunsch nach Abrüstung. Im Fokus sollen die Fragen stehen: Wie real ist die Bedrohung? Wie gut ist Deutschland vorbereitet? Und: Was muss jetzt passieren, damit der Frieden bleibt?
Anne Will besucht russischen Botschafter in Berlin
Das wohl interessanteste und gleichzeitig auch bedrohlichste Treffen hat sich die Doku für den Schluss aufgehoben: Anne Will spricht mit dem russischen Botschafter Sergej J. Netschajew – in der russischen Botschaft in Berlin. „Keine Sorge, ich beiße nicht – heute“, so empfängt Netschajew die Moderatorin. „Herzlich willkommen in unserem bescheidenen Domizil“.
Das „bescheidene Domizil“ besteht auch aus einem imposanten Saal – mit den vergoldeten Wappen aller ehemaligen Sowjetrepubliken. Darunter auch die Ukraine. Netschajew macht gar keinen Hehl daraus, dass er sich die alte Sowjetunion zurückwünscht.
Auf die Fragen von Anne Will antwortet Netschajew ruhig und mit verschränkten Händen – der Inhalt der Antworten aber ist durchaus bedrohlich. „Was ist Deutschland für Russland inzwischen, sind Sie unser Gegner, unser Feind? Müssen die Deutschland Angst vor Russland haben?“ Netschajews kurze Antwort: „Ich glaube nicht. Ich glaube nicht, dass die Deutschen Angst haben sollen.“
„Was haben wir Deutschland angetan?“
Umfragen würden aber zeigen, dass viele Deutschen durchaus Angst vor Russland haben. Zurecht? „Nein. Nicht förderlich für die Atmosphäre unserer bilateralen Beziehungen, ganz zu schweigen für die Atmosphäre in Europa, ist die Militarisierung, ist die Behauptung, dass Russland bis 2030 Deutschland und Europa angreifen wird.“
Zuletzt hat auch der BND Alarm geschlagen und erklärt: Putin bereite sich auf einen großen Krieg vor – bis zum Ende dieses Jahrzehnts.
Netschajew kritisiert die Stationierung von Bundeswehr-Soldaten an der Grenze, und dass Deutschland die Ukraine (das „Regime“, wie Netschajew es nennt) mit Waffen unterstützt. Will hält dem Botschafter vor, dass Deutschland ein angegriffenes Land unterstützt, in dem Versuch, sich zu verteidigen gegen den Aggressor Russland. „Ich bin mit dieser Version auf keinen Fall einverstanden“, so Netschajew. „Wir haben diesen Krieg nicht angefangen.“
Russischer Botschaft mit beunruhigender Antwort: „Bis jetzt nicht“
Will sieht das anders, genauso wie die deutsche Regierung. „Wir werden uns nicht einigen.“ Viele Deutschen befürchteten einen russischen Angriff, 56 Prozent der Befragten haben Angst vor einem großen Krieg in Europa. Diese „Kriegsangst“ in Deutschland bezeichnet Netschajew als Ansteckung durch „militaristische Psychose“. „Was haben wir Deutschland angetan?“
Der Kreml hat zuletzt erklärt, Europa würde durch die Aufrüstung eine „Art Kriegspartei“ sein. „Sind Sie dann doch unser Feind?“, fragt Will geradeheraus. „Wir betrachten uns bis jetzt nicht im Kriegszustand“, so Netschajew. Will fragt etwas beunruhigt nach: „Bis jetzt nicht?“ Netschajew wiederholt ruhig: „Bis jetzt nicht. Ich weiß nicht, ob es dazu kommt.“
Netschajew führt Will danach durch die Botschaft – und macht kein Geheimnis daraus, dass auch er sich die alten Zeiten zurückwünscht, in denen es eine russische Weltmacht gab – so wie es sein Chef im Kreml tut. An vielen Stellen in der Botschaft sind alte sowjetische Insignien zu sehen.
Teile Finnlands gehörten einst zum Zarenreich, wurden danach unabhängig – die Sowjets aber akzeptierten nie wirklich diese Unabhängigkeit. Die Ukraine wiederum gehörte einst zur Sowjetunion und strebt nun in Richtung Westen. Es sind auch die Wappen dieser beiden Länder, die in dem imposanten Saal der russischen Botschaft zu finden sind. Es sei „leider praktisch nicht möglich“, dass diese alte Zeit zurückkehrt, antwortet der Botschafter. „Es war auch für mich eine Tragödie, der Zerfall der Sowjetunion.“