Wenige Tage vor der Bundestagswahl gibt es im Parlament noch einmal eine hitzige Debatte über die Lage in Deutschland. Daran nehmen auch Kanzler Scholz und Herausforderer Merz teil – und beide schalten auf Angriff.
Heftige Rede-Schlacht im BundestagSatz von Friedrich Merz sorgt für riesigen Jubel bei der AfD
Weniger als zwei Wochen vor der Bundestagswahl gab es an diesem Dienstag (ab 9 Uhr) im Bundestag noch einmal einen Schlagabtausch – und der wurde direkt zu Beginn heftig. Mit dabei: Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Unionskanzlerkandidat Friedrich Merz (CDU), die sich beide frontal attackierten.
Anlass: Eine sogenannte vereinbarte Debatte im Parlament, also eine Debatte, die zwischen den Fraktionen ausgemacht wurde, um die politische Lage in Deutschland zu beleuchten. Dafür waren rund drei Stunden eingeplant. Sowohl Scholz als auch Merz nutzten die Gelegenheit, um den jeweils anderen noch einmal heftig anzugehen. Die wichtigsten Aussagen der beiden Kanzlerkandidaten hier.
Heftiger Schlagabtausch zwischen Scholz und Merz
- Merz mahnt: „Wir werden nach der Wahl eine parlamentarische Mehrheit brauchen, die es möglich macht, den Herausforderungen unseres Landes zu begegnen. In der Migrationspolitik, in der Wirtschaftspolitik, in der Innenpolitik. Und wenn das nicht gelingt, dann werden wir nicht mehr nur mit 20 Prozent Rechtspopulismus zu tun haben. Dann werden sie womöglich in die Nähe der Mehrheit kommen. Diese Verantwortung tragen alle Parteien der demokratischen Mitte unseres Landes.“
- Merz blickt anschließend in Richtung AfD-Fraktion: „Die schwerste Hypothek, die wir aus dieser Wahlperiode mitnehmen, ist die mögliche Tatsache, dass sich diese Fraktion nach den Wahlen fast verdoppeln könnte.“ Ein Satz, der für Jubel in der AfD-Fraktion sorgt. „Da mögen Sie jubeln. Sie haben hier mit 10,4 Prozent der Stimmen angefangen. Jetzt liegt die AfD in den Umfragen um die 20 Prozent. Herr Bundeskanzler, das liegt nicht an der Opposition, das ist das Ergebnis Ihrer Regierungspolitik.“
- Am Ende bekräftigt Merz noch einmal: „Eine Zusammenarbeit mit der AfD kommt für uns nicht infrage, dabei wird es auch bleiben. Und der Bundeskanzler weiß es auch!“ Scholz baue einen „Popanz“ auf – „eine Kunstfigur, mit der versucht wird, Menschen Angst zu machen“, so Merz.
- Es bleibt laut, auch Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) muss sich einschalten: „Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist besser, wenn wir uns hier zuhören! Das würde uns wahrscheinlich insgesamt weiterhelfen.“
- Aus der SPD-Ecke kommt es immer wieder zu Zwischenrufen, als der Oppositionsführer über eine Steuerreform spricht. Merz geht kurz darauf ein: „Ich kann das ja verstehen, die Hälfte von Ihnen wird ab der nächsten Woche möglicherweise nicht mehr dabei sein. Aber müssen Sie denn hier ein solches Theater aufführen? Wie nervös sind Sie eigentlich in der SPD-Bundestagsfraktion, dass Sie nicht einfach mal zuhören können.“
- Gegen Ende seiner Rede kommt Merz auf Europa zu sprechen: „Herr Bundeskanzler, das ist doch ein Treppenwitz, was Sie hier vortragen!“ Die aktuelle Regierung sei so nachlässig im Umgang mit Europa gewesen wie keine vorher. „German Vote“ sei in Brüssel zu einer Chiffre dafür geworden, dass niemand gewusst hätte, wer wie aus Deutschland abstimmt. Deutsche Regierungsvertreter würden sich häufiger als diejenigen anderer Mitgliedstaaten enthalten, weil zuvor in Beratungen auf nationaler Ebene keine einheitliche Linie zwischen den Koalitionspartnern gefunden werden konnte. „Es hat noch nie eine Regierung so viel Kritik und Verachtung gefunden“, so Merz. „Es wird Zeit, dass Sie aufhören.“
- Der CDU-Chef kommt auf Probleme der inneren Sicherheit zu sprechen, geht auf Verfahren zu Kinder- und Jugendpornografie und Gewalt gegen Kinder ein. Viele von den Verfahren hätten endgültig eingestellt werden müssen, „weil Sie es nicht hinbekommen haben, die vom Europäischen Gerichtshof längst für zulässig erachtete Speicherung von IP-Adressen zu erlauben“. Merz: „Es ist eine Schande!“
- Merz folgt mit einer Bilanz der vergangenen Scholz-Jahre, erinnert an die viel beachtete „Zeitenwende“-Rede de. „Es sind Zeiten ohne Wende geblieben, Herr Bundeskanzler.“ An der schwachen Wirtschaft im Land gibt Merz dem Kanzler eine Mitschuld. „Deutschland ist mittlerweile Schlusslicht in der Europäischen Union. Wir liegen auf dem letzten Platz.“ Scholz wolle „einfach so weiter machen“. „Das ist eine ernsthafte Bedrohung.“
- Merz: „Im normalen Leben, das Sie lange nicht mehr kennengelernt haben, würden Sie die Eigentümer bitten, das Unternehmen zu verlassen.“
- Merz weiter: „Ist das allen Ernstes alles, was Sie den Bürgerinnen und Bürgern zur Fortsetzung hier anbieten? Wissen Sie, wie Sie mir vorkommen, Herr Habeck und Herr Scholz? Wie zwei angeschlagene Geschäftsführer, die das Unternehmen vor die Wand gefahren haben und dann zu den Eigentümern gehen und sagen: Wir würden das gern vier Jahre so weiter machen.“
- Langer Applaus für Scholz nach seiner Rede. Anschließend tritt Friedrich Merz ans Pult – mit nur vier Worten: „Was war das denn?“ Viele im Plenarsaal fangen an zu lachen und zu applaudieren. „25 Minuten abgelesene Empörung über den Oppositionsführer! Herzlichen Glückwunsch, Herr Bundeskanzler. Sie verwechseln den Bundestag offensichtlich mit einem Juso-Bundeskongress.“
- Scholz attackiert Merz weiter hart: „Konrad Adenauer hat Europa geeint, Helmut Kohl hat Europa gestärkt, Angela Merkel hat Europa zusammengehalten. Und Friedrich Merz tritt an, Europa zu Grabe zu tragen? Was für ein Umgang mit diesem stolzen Erbe!“ Dabei sei gerade jetzt Europa gefordert, angesichts der politischen Weltlage. Die Antwort darauf könne nicht in den „Rezepten von gestern“ liegen.
- Scholz erklärt, die Regierung fahre bereits einen strengen Migrationskurs, die Zahl der Abschiebungen sei bereits um 70 Prozent gestiegen. „Weil wir gehandelt haben und nicht nur geredet.“ Dieser Weg muss fortgesetzt werden, so Scholz, dabei dürfe aber nicht vergessen werden, wie viele Menschen eine Migrationsgeschichte in diesem Land haben. „Wir alle gehören zu Deutschland.“
- Merz habe die „Axt an den europäischen Zusammenhalt angelegt“, als er AfD-Stimmen zuließ. Scholz: „Was für ein Wahnsinn in diesen kritischen Zeiten!“
- Auch bei der Taurus-Debatte wirft Scholz dem Oppositionsführer Wankelmut vor. Erst drohe Merz mit dem Einsatz, dann rudere er zurück. „Was gilt denn bitteschön?“ Scholz: „Wer so orientierungslos ist, der sollte keine Verantwortung tragen!“
- Dann kommt Scholz auf Merz zu sprechen, Merz habe ukrainische Flüchtlinge des „Sozialtourismus“ bezichtigt, Ukrainerinnen und Ukrainer würden nur nach Deutschland kommen, um Sozialleistungen zu kassieren. „Herr Merz, Sie haben das versucht, wieder zurechtzurücken. Aber diese Kehrtwenden haben System, und die passieren Ihnen immer wieder.“
- Scholz: „Mehr Sicherheit für Deutschland, und nicht weniger Sicherheit für Deutschland.“ Es brauche Führungsstärke, einen klaren Kurs, Besonnenheit „darauf kommt es in schweren Zeit an.“ Scholz: „Das verstehe ich darunter, Schaden vom deutschen Volk abzuwenden.“
- Kanzler Olaf Scholz beginnt die Generaldebatte und spricht zunächst über die Auswirkungen von Putins Krieg in der Ukraine. „Die Weltwirtschaft schwächelt, Trump sorgt mit seiner Grönland-Aussage für Irritationen und hat jetzt Zölle auf Stahl und Aluminium angekündigt. Der Wind weht von vorn. Und das wird sich nicht ändern in den nächsten Monaten.“ Scholz: „Ich verspreche nicht das Blaue vom Himmel, aber was ich verspreche: Wir kommen da gemeinsam durch, wenn wir jetzt nicht falsch abbiegen. Wenn die Mitte stark bleibt.“
![Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) spricht am 11. Februar im Bundestag in der Generaldebatte zur „Situation in Deutschland“.](https://static.express.de/__images/2025/02/11/e8d29d94-55b1-4eae-9446-6ab27fcb2612.jpeg?q=75&q=70&rect=0,12,4000,2250&w=2000&h=1138&fm=jpeg&s=493318738e701db2e82c6556b7b90a9f)
Copyright: dpa
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) spricht am 11. Februar im Bundestag in der Generaldebatte zur „Situation in Deutschland“.
Auch die anderen Kanzlerkandidaten und -kandidatin kommen anschließend zu Wort: Robert Habeck (Grüne) sieht die Bundestagswahl auch als Richtungsentscheidung über soziale Gerechtigkeit. Er sagte, es gehe um eine fundamentale Weiche: „Wie gerecht geht es in Deutschland in Zukunft zu?“ Die Grünen wollten die unteren Haushaltseinkommen entlasten und unter anderem das Elterngeld anheben.
Hier lesen: Neue Umfrage: Diese Koalition favorisieren die Deutschen
Christian Lindner (FDP) wütet erneut gegen die überbordene Bürokratie im Land, fordert ihren „radikalen Abbau“. „Wir werden die Probleme nicht mit der Nagelfeile lösen“, erklärt er und rezitiert damit Merz. Auch der CDU-Politiker muss da lachen. Auch Lindner warnt: „Die nächsten vier Jahre werden von besonderer Bedeutung sein“, erklärt Lindner. Menschen in Deutschland würden „Alternativen suchen“, wenn die „Demokratie nicht liefert“. Mit Blick auf SPD und Grüne ergänzt er: „Alles, was die groß macht, kommt von ihnen.“
Alice Weidel (AfD) wiederum macht klar, dass ihre Partei die „ruinöse Energiepolitik“ der Grünen beenden würde. Erneut macht sie klar, dass die AfD offen wäre für eine Zusammenarbeit in der Regierung. „Unsere Hand ist ausgestreckt für alle, die diese Hand ergreifen wollen. Und es liegt an Ihnen.“ Alle Parteien im Bundestag lehnen diese Zusammenarbeit ab.