Stiko-Chef Thomas Mertens hat die Corona-Pandemie für beendet erklärt – nur um kurz darauf wieder zurückzurudern.
Corona vorbei?Stiko-Chef Mertens erklärt Pandemie für beendet – und macht dann kuriosen Rückzieher
Ist Corona jetzt vorbei? Thomas Mertens, Präsident der Ständigen Impfkommission (Stiko) hat die Pandemie für beendet erklärt. Er hält Corona inzwischen für eine endemische Virusinfektion. Ein Großteil der Bevölkerung habe entweder die Infektion durchgemacht, sei geimpft oder beides, sagte Mertens im Interview mit dem Bayerischen Rundfunk.
„Dann ist natürlich die Frage, sind wir noch in einem pandemischen Zustand, ja oder nein?“ Die Frage sei vielleicht mehr von psychologischer als von wissenschaftlicher Bedeutung. „Aber natürlich könnte man auch sagen, es handelt sich mittlerweile um eine endemische Virusinfektion und die wird uns erhalten bleiben über die Generationen“, fügte er hinzu. Aufgabe werde es bleiben, diejenigen zu schützen, die ein Risiko hätten zu erkranken, durch Impfen oder auch das Tragen von Masken.
WHO und Lauterbach sprechen weiter von Pandemie
Als endemisch gilt eine Krankheit, wenn sie in einer Region mit relativ konstanter Erkrankungszahl dauerhaft auftritt, wie etwa die Grippe. Mertens erklärte, eine Pandemie sei dadurch definiert, dass ein weltweit unbekannter Erreger, mit dem die Menschen keine immunologische Erfahrung hätten, in die Population einbreche.
Diese Situation sieht Mertens nicht mehr gegeben, wie er in dem Interview deutlich machte. „Zu der Definition der Pandemie gehört nicht die Erkrankungsschwere“, sagte er.
Aber: Sowohl die WHO als auch die Bundesregierung um Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) sprechen weiterhin von einer Pandemie. „Der Corona-Ausbruch wurde 2020 von der WHO zur Pandemie ausgerufen und ausschließlich die WHO kann dies auch wieder revidieren“, sagte eine Sprecherin des Bundesgesundheitsministeriums am Freitag in Berlin. Die Weltgesundheitsorganisation habe erst kürzlich noch einmal bekräftigt, dass man sich weiterhin in einer pandemischen Lage befinde.
Ist Corona vorbei? Stiko-Chef hin- und hergerissen
Fakt ist: Das Ende einer Pandemie und damit der Übergang zur Endemie ist fließend – und damit sowohl politisch als auch gesellschaftlich und medizinisch Auslegungssache. Wo genau die Grenze zwischen Pandemie und Endemie gezogen wird, ist in der Realität häufig schwierig zu beurteilen.
Einer, der ein Ende der Pandemie offenbar noch nicht gekommen zu sehen scheint, ist „Welt“-Journalist Tim Röhn. Am Donnerstagabend (27. Oktober 2022) twitterte er den „BR“-Artikel zur Aussage Mertens' und versah diesen mit einem schlichten „Oh“.
Eine Aktion, die wohl für Aufruhr sorgte. Der Grund: erneute Meinungsverschiedenheiten zwischen Mertens und Lauterbach. „Nachdem Mertens im Gespräch mit mir im Juli das Werben von Karl Lauterbach für die Viertimpfung kritisiert hatte, gab es mächtig Zoff und wurde der Stiko die Paiko zur Seite gestellt. Gespannt, was nun geschieht“, plauderte Röhn aus dem Nähkästchen.
Und siehe da: Rund zwei Stunden später teilte Röhn eine Antwort Mertens' auf seinen Tweet: „Der Stiko-Chef schreibt mir, er habe die Pandemie gar nicht für beendet erklärt“, verkündete er.
In seiner Mail erklärt Mertens: „Die Schwere der Erkrankung gehört eigentlich nicht zur Definition von Pandemie.“ Mittlerweile seien „sehr viele Menschen in Deutschland“ mit dem Virus in Kontakt gekommen und hätten dadurch eine „Basisimmunität“ entwickelt. Zuvor habe diese gefehlt, weshalb man unter anderem von einer Pandemie gesprochen habe.
Der Stiko-Chef stellt aber auch klar:„ Es ist bis zu einem gewissen Grad eine Frage der Definition wie lange man von Pandemie und ab wann von endemischer Virusinfektion spricht.“ Abschließend prognostiziert er, dass die WHO sich „sicher dazu äußern“ werde. Bis mindestens dahin gilt von offizieller Seite: Corona ist noch nicht vorbei. (sal/mit dpa)