Der Wahlkampf ist auf dem Höhepunkt, die Stimmung im Land aufgeheizt: Friedrich Merz und sein Unions-Antrag, der mit Hilfe der AfD angenommen wurde und über den nun abgestimmt wurde, machen viele Menschen im Land wütend. Der Merz-Weg ist riskant und birgt ein großes Problem, findet unser Autor. Ein Kommentar.
Kommentar zum Merz-PlanDas eigentliche Problem ist nicht die AfD – sondern ein anderes
Nachdem Friedrich Merz (CDU) und die CDU einen Gesetzentwurf für schärfere Migrationsregeln mit Hilfe von AfD-Stimmen in den Bundestag eingebracht haben, sind die Wut und Empörung im Land gigantisch. Am Freitag wird über den Unions-Vorschlag zur Verschärfung der Migrationspolitik abgestimmt – und es zeichnet sich ab, dass die AfD auch hier zustimmen wird.
Zehntausende Menschen sind in den Städten auf die Straße gegangen, um gegen das Vorgehen zu protestieren, SPD und Grüne zeigten sich entsetzt – und selbst aus den eigenen Reihen ist die Kritik groß: Angela Merkel meldete sich in einem seltenen Statement zu Wort, um Merz‘ Entscheidung zu kritisieren - ungewöhnlich, dass eine Ex-Kanzlerin so über den Kanzlerkandidaten ihrer eigenen Partei mitten im Wahlkampf spricht.
Merz' Plan ist die nervöse Reaktion auf die guten Umfragewerte für die AfD
Und Merz? Lässt sich nichts anmerken. „Wir müssen diesen Sturm jetzt aushalten. Das haben wir schon öfters erlebt“, sagte er am Freitagmorgen. Er hält fest an seinem Plan: Die harten CDU-Positionen durchdrücken, ohne Rücksicht auf Verluste.
Es ist die nervöse Reaktion auf eine Partei, die auch in Umfragen immer weiter zugelegt hat. Die Überlegung der CDU: Man muss die AfD und die Rechtspopulisten schwächen, indem man ihnen das Wasser abgräbt und Positionen übernimmt. Dass Merz die AfD als „Feind unserer Demokratie“ sieht, ist ihm dabei zweifellos zu glauben.
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Das Problem ist nicht unbedingt der rechte Rand als solcher – den gab es schließlich schon immer. Sei es in Form der NPD, der Republikaner oder der AfD – mal war der Rand radikaler, mal weniger radikal, mal wurden bei den Wahlen mehr Kreuzchen bei ihm gemacht, mal weniger. Eine gesunde, starke Demokratie hält solch eine Strömung aus. Das heißt nicht, dass die AfD nicht gefährlich für die Demokratie ist: Nicht umsonst ist sie in Teilen „gesichert rechtsextremistisch“.
Das eigentliche Problem ist in diesem Falle ein anderes: Dass die politische „Mitte“, zu der sich ja auch Friedrich Merz zählt, diesen rechten Rand auch noch aktiv befeuert.
„Wer den Populisten hinterherrennt, legt die Axt an die eigenen Wurzeln“
Und das tut Merz, wenn er sagt: Abgelehnte Asylbewerber, Tausende von ihnen, „sitzen beim Arzt und lassen sich die Zähne neu machen, und die deutschen Bürger nebendran kriegen keine Termine“. Wenn er von „kleinen Paschas“ redet. Wenn er ukrainischen Geflüchteten „Sozialtourismus“ vorwirft.
Wenn er sehenden Auges einen Gesetzesentwurf mit AfD-Zustimmung einbringt – obwohl er selbst vorher konsequent ausgeschlossen hatte, die AfD im Bundestag als Mehrheitsbeschaffer zu nutzen.
Erst ein markiger Spruch, dann wieder zurückrudern – das ist das Merz-Prinzip. Doch es sind all diese Dinge, die nicht nur provozieren, sondern eben auch die Grenzen der „Mitte“ nach rechts verschieben. So will Merz AfD-Wählerinnen und -Wähler ins CDU-Lager zurückholen? Zweifelhaft, dass diese Strategie aufgehen wird: Die Vergangenheit hat gezeigt, dass es nur einen Sieger gibt, wenn man die Sprache und Positionen der AfD übernimmt: die AfD.
Der Kurs von Merz ist umstritten, seitdem er Parteichef ist. Bereits vor einigen Jahren brachte es NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst in der „FAZ“ auf den Punkt: „Wer nur die billigen Punkte macht und den Populisten hinterherrennt, der legt die Axt an die eigenen Wurzeln und stürzt sich selbst ins Chaos.“