Angesichts zahlloser russischer Niederlagen und hoher Verluste im Krieg in der Ukraine steigt die deutliche Kritik an Putin. Russische Militärblogger äußern schon länger offen ihren Frust über die aktuelle Lage. Nun ist ein brisantes Telefonat durchgesickert.
„Putin ist nicht mehr zu retten”Brisantes Telefonat durchgesickert: Russland ist in Aufruhr
Zwischen all der Kreml-Propaganda und dem Hass auf die Ukraine sind in den einschlägigen Social-Media-Accounts auch immer öfter deutlich kritische Töne gegen Putin zu lesen: Angesichts der schleppenden Fortschritte und der hohen Verluste innerhalb der russischen Streitkräfte in den vergangenen Monaten wird gegen Kommandeure geschimpft, gegen die Führung – aber auch gegen Putin selbst.
Doch auch innerhalb der russischen Eliten wächst der Unmut über Putin, den Krieg, das Ausbleiben eines Sieges und die Konsequenzen für Russland. Die US-amerikanische Journalistin Julia Davis, Leiterin des „Russian Media Monitor“, hat nun einen brisanten Telefonmitschnitt veröffentlicht, in dem ein Musikproduzent und ein Oligarch über den Kreml-Chef herziehen.
Russland: Musikmanager und Oligarch schimpfen über Putin
Der bekannte russische Musikmanager und Produzent Iosif Prigoschin spricht mit dem aserbaidschanischen Oligarchen Farchad Achmedow über den Präsidenten und seine Politik. Der halbstündige Mitschnitt wurde auch von ukrainischen Medien rege geteilt.
„Putin schert sich um nichts, er schert sich nicht um das Mutterland – er ist ein Satan“, lautet einer der Zitate zwischen den beiden eigentlich kremltreuen Russen. Putin sei mittlerweile ein „Zwerg“ mit „Napoleon-Komplex“, er und der Ex-Kremlchef Dmitri Medwedew seien „Liliputaner, winzig, voller Unsicherheiten. Jeder hasst sie.“
Auch über den Krieg schimpften beide. „Womit zum Teufel wird er enden? Und wie zum Teufel wird das alles gelöst, nachdem er zu Ende ist?“
Putin sei nicht mehr zu retten, er sei für alles verantwortlich. „Wir haben eine Republik, eine Föderation, ein Präsidialsystem. Der Präsident wird für all das einstehen müssen. Für alles. Sie werden ihn zur Verantwortung ziehen.“
Hier den Tweet der US-Journalistin mit dem Mitschnitt ansehen:
Nicht nur Putin habe schuld, auch die Eliten und seine engsten Vertrauten. Prigoschin wetterte, der ganze Kreml bestehe aus „Kriminellen“, Russland gehe den Bach runter, es bleibe nur das Exil. Auch Achmedow lästert über den engeren Kreis Putins: „Sie haben ihn getäuscht. Sie leben in ihrer eigenen Realität, in ihrer eigenen Welt, mit ihren Ex-Sekretärinnen als Ehefrauen, und benehmen sich, als wären sie etwas Besonderes.“
Heftige Kritik an Putin und den Eliten: „Werden sich an die Kehle gehen“
Putin werde aber nicht nachgeben, nicht vorankommen. Achemedow weiter: „Um ihn herum sind lauter Kakerlaken, verdammt, wie in einem Glas gefangen, sie knabbern schon aneinander herum. Sie gruppieren sich bereits. Sie werden erst einen zerstören, dann werden sie sich gegenseitig verschlingen, sie werden sich an die Kehle gehen. Sie werden sich gegenseitig ertränken.“
Nach der Veröffentlichung des Gesprächs ist die Aufregung in Russland groß. Beide Russen distanzieren sich von den Zitaten, geben Dementis heraus. Prigoschin klagte in einem Interview mit der St. Petersburger Zeitung „Fontanka“: „Ich stehe jetzt unter Schock und verstehe nicht, wie ich mit dieser Scheiße weiterleben soll.“ Er versuchte irgendwie, alles als „Fake“ hinzustellen, vielleicht habe jemand seine Stimme imitiert. Später erklärte er, er könne sich an das Gespräch nicht erinnern.
Das Gespräch ist auch in den sozialen Netzwerken ein großes Thema, die „Wölfe“ begännen, übereinander herzufallen, so heißt es in den Foren. Die Bloggerin und russische Ultra-Patriotin Anastasia Kaschewarowa beschimpfte das Duo in einem Telegram-Post als „verdammte Freaks“ – auch, wenn sie ebenfalls der Meinung ist, dass die Lage in der Ukraine für Russland schwer sei. „Manchmal sehe ich kein Licht mehr am Ende des Tunnels. Und als ich diesen Leuten zuhörte, wurde mir klar, dass sie dazu geführt haben.“
Auch der Führer der prorussischen Separatisten im umkämpften Osten der Ukraine, Oleg Zarjow, teilte den Mitschnitt – zusammen mit einer Umfrage auf Telegram. Etwa 58 Prozent denken, die Tonaufnahme sei echt, 13 Prozent sind überzeugt davon, dass es eine Fälschung sei.