Vor rund zwei Monaten hat der Aufstand von Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin die Macht Putins erschüttert. Prigoschin ist nun zwar weit weg in Afrika, scheint dem Kreml nicht mehr gefährlich werden zu können – doch die Meuterei hat Risse hinterlassen, ist sich ein bekannter Investigativ-Journalist sicher.
„Es wird in sechs Monaten passieren“Investigativ-Journalist ist sich bei Putin ganz sicher
Der Aufstand von Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin hat Spuren hinterlassen – nicht nur bei ihm selbst und seiner Truppe. Sondern auch bei Wladimir Putin.
Nach Wochen der Abwesenheit sendet Prigoschin am Montag (21. August) das erste Video, nachdem sein Aufstand gescheitert ist. Diesmal nicht von einem Schlachtfeld in der Ukraine, sondern aus der Wüste. Sein Tonfall hat sich verändert, die Wut und der Frust über die verfehlte russische Militärführung scheinen verschwunden.
Prigoschin hat nach Meuterei seine wichtige politische Stellung verloren
Prigoschin hat nach der Meuterei Ende Juni seine wichtige politische Stellung verloren, die Wagner-Kämpfer mussten ihr Militärgerät abgeben, kämpfen nicht mehr länger in der Ukraine – sondern wieder in Afrika. Oder sind in Belarus stationiert, weit entfernt vom Kreml und von Putin.
Für den Präsidenten war das Auftreten seines bisherigen Vertrauten Prigoschin ein „Verrat“, wie er sagte. Trotzdem aber ist Prigoschin mit seiner Privatarmee weiterhin aktiv – wohl ein Zeichen dafür, dass Putin ihn nicht loswerden will oder kann.
Dass Putin diesen Verräter nicht zur Rechenschaft gezogen hat, könnte sich nach Ansicht von Christo Grosew, einem bekannten bulgarischen Investigativjournalisten und Mitglied des Investigativ-Teams von Bellingcat, rächen.
Grosew hatte auch Prigoschins Putschversuch bereits Monate zuvor vorhergesagt, er sprach im Januar davon, dass sich der Wagner-Chef gegen den Präsidenten wenden würde. Auch die US-Denkfabrik „Institute for the Study of War“ (ISW) kam bereits Ende Oktober zu der Einschätzung, dass Prigoschin und seine militärische Gruppe „eine Bedrohung für Putins Herrschaft darstellen“ könnten.
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Christo Grosew erklärt gegenüber der „Financial Times“: Das könnte nicht der letzte Putschversuch gegen Putin gewesen sein. „Putin ging ins Fernsehen und nannte Prigoschin einen Verräter“, erklärt der Journalist. „Und jeder weiß, was er mit ‚Verrätern‘ macht. Doch Putin hat das nicht getan.“
Dabei sei klar, dass Putin seinen ehemaligen Verbündeten tot sehen wolle. Das könne er aber noch nicht. Grosew ist sich sicher: „In sechs Monaten wird Prigoschin entweder tot sein – oder es wird einen zweiten Putsch geben. Ich bin noch nicht ganz sicher, was von beidem eintreten wird, aber kann mir nicht vorstellen, dass beides passieren wird.“
Die Wirtschaft leidet unter den Sanktionen des Westens und der Rubel befindet sich im freien Fall. Die Unzufriedenheit in Teilen der russischen Elite wächst immer weiter.
Doch noch Putin geht hart gegen Kritiker vor: Grosew nennt den russischen Ex-General Iwan Popow als Beispiel, der kürzlich Putins „spezielle Militäroperation“ kritisierte und seitdem verschwunden ist. Auch der frühere Separatistenführer Igor Girkin war bis vor kurzem einer der größten Kritiker Putins – im Juli wurde er wegen des Vorwurfs von „öffentlichen Aufrufen zum Extremismus“ festgenommen.
Es brauche einen besser koordinierten Putsch, um Putin loszuwerden, erklärt Grosew. Er sehe da keine Oligarchen, Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Geheimdienstes oder Ministerinnen oder Minister. „Aber für den Rest der Elite ist es unerfreulich, in einem Nordkorea 2.1 zu leben und eingefrorene Bankkonten zu haben.“ Auch wenn sich die Lage an der Front drastisch ändert, könnte das ein Auslöser für einen weiteren Putschversuch sein.