„Ihr werdet alle eure Jungfräulichkeit verlieren“Junge Russinnen durchleben im Knast die Hölle

Polizisten nehmen am 24. Februar in Moskau während eines Protestes gegen den Krieg in der Ukraine eine Frau fest. Immer wieder berichten Frauen von Misshandlungen und Folter in russischen Gefängnissen.

Polizisten nehmen am 24. Februar in Moskau während eines Protestes gegen den Krieg in der Ukraine eine Frau fest. Immer wieder berichten Frauen von Misshandlungen und Folter in russischen Gefängnissen.

Putin führt nicht nur einen Krieg in der Ukraine, er führt ihn auch gegen die Meinungsfreiheit in seinem eigenen Volk. Wie gnadenlos und brutal die russische Polizei vorgeht, erzählen nun junge Frauen, die gegen den Krieg demonstriert haben. Und festgenommen worden sind.

von Martin Gätke  (mg)

Es hat keine 52 Sekunden gedauert, da bekommt die 26-jährige Aleksandra den ersten Schlag von den Beamten. Sie fragen sie nach ihrem Namen, nach ihrer Adresse, doch sie antwortet nicht. „Willst du wohl antworten, du Schlampe?“, ist von einem der Männer zu hören.

„Einundfünfzig“, antwortet Aleksandra nur – es ist der Artikel in der russischen Verfassung, der eine Selbstbelastung ausschließt, auf den sie sich beruft. Demnach ist niemand verpflichtet, gegen sich selbst auszusagen.

Ein dumpfer Schlag zu hören. „Willst du jetzt antworten? Es geht auch noch härter!“

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Es sind grausame, verstörende Tonaufnahmen, die Aleksandra während ihrer Festnahme am 6. März heimlich gemacht hat. In der Moskauer Polizeistation sind elf Minuten lang Schläge zu hören, dazwischen Beleidigungen und Drohungen. Die junge Frau ist nicht die einzige, der solch eine Aufnahme gelungen ist. Darüber berichtet die italienische „La Repubblica“.

Russland: Polizisten foltern Frau – „Putin ist auf unserer Seite“

In der Aufnahme von Aleksandra sei laut dem Bericht auch zu hören, wie ein Polizist die junge Frau der Folter des Waterboarding unterzieht – simuliertes Ertrinken. Er schüttet ihr Wasser ins Gesicht, zieht an ihren Haaren. Eine Foltermethode, die keine sichtbaren Spuren hinterlässt, aber oft zu psychischen Schäden führt.

„Glauben Sie, dass uns deswegen etwas passieren wird? Putin ist auf unserer Seite. Sie sind die Feinde Russlands. Sie sind die Feinde des Volkes“, erklärt der Polizist laut Bericht auf dem Tonband.

Krieg in der Ukraine: Viele Tausende demonstrieren in Russland

Veröffentlicht wurde die Tonaufnahme vom Bürgerrechtsportal OWD-Info, einer NGO, die politische Gefangene in Russland unterstützt. Zahlreiche Videoaufnahmen, die in den letzten Wochen in den sozialen Netzwerken geteilt werden, zeigen, dass unzählige Menschen, die in Russland gegen Putins Krieg demonstrieren, von Polizisten weggezerrt werden. Rund 15.000 Demonstrantinnen und Demonstranten sollen bereits verhaftet worden sein.

Was in den Gefängnissen, hinter verschlossenen Türen, weit weg von der Öffentlichkeit passiert, das ist schwer nachzuvollziehen. Tonaufnahmen wie jene von Aleksandra geben da einen erschütternden Einblick.

Frauen durchleben in russischen Gefängnissen die Hölle

Alexksandra sei zusammen mit 29 weiteren Menschen nach Bratejevo gebracht worden, einem südlichen Stadtteil von Moskau. Man habe in einem Panzerwagen gesessen, einem Gefangenentransporter. Auch die 18-jährige Studentin Anastasia war dabei. „Es war wirklich heiß. Zuerst haben wir gesungen, dann haben wir sogar aufgehört zu reden: Wir haben Luft gespart“, wird sie im Bericht zitiert.

Im Gefängnis angekommen, folgten die Demütigungen: Pässe wurden abgenommen, junge Männer mit langen Haaren seien gefragt worden, ob sie Frauen, Frauen mit kurzen Haaren, ob sie Männer seien. Dann sei einer nach dem anderen in den Verhörraum gerufen worden.

Demonstrantinnen werden von Polizei gedemütigt und geschlagen

Dort habe ein Mann mit Waffe im Holster gestanden. Eine 19-jährige namens Anna sei die Erste gewesen, die das Waterboarding erleiden musste. „Dann hat er mich hart geschlagen. Alles verschwamm vor meinen Augen. Er erklärte mir: ‚Jetzt werdet ihr alle eure Jungfräulichkeit verlieren.‘“ Auch eine 23-Jährige wurde misshandelt, mit Tritten gegen die Beine und Schlägen ins Gesicht.

Laut OWD-Info sind derlei Misshandlungen in russischen Gefängnissen nichts Neues, hätten in vergangener Zeit aber stark zugenommen. Viele tausende Demonstranten wurden in den vergangenen Wochen, seit Ausbruch des Krieges, festgesetzt. Und es werden mit jedem Tag mehr.