Propagandaaufnahmen, die der Kreml kürzlich veröffentlichte und Wladimir Putin zusammen mit seinem Verteidigungsminister Schoigu bei einem Gespräch zeigen, sorgen derzeit für neue Spekulationen. Was sagen Details der Szene über Putins Zustand aus?
Seltsame Szene im KremlWas macht Putin da? Auffällige Details sorgen jetzt für Spekulationen
Das Treffen zwischen Wladimir Putin und Sergej Schoigu, welches das russische Staatsfernsehen am Donnerstag (21. April) ausstrahlte, ist bestens choreografiert: Die Szenen sollen zeigen, wie Schoigu von seinem Dienstherren Putin den Befehl erhält, den Asovstal-Komplex, das Industriegebiet im Süden von Mariupol, nicht zu stürmen. Mehrere 1000 ukrainische Kämpferinnen und Kämpfer hatten sich zu diesem Zeitpunkt dort verschanzt. Stattdessen sollte das gesamte Gelände belagert werden, „damit keine Fliege durchkommt“, so Putin.
Gleichzeitig wurde in der Szene von Putin der Sieg über Mariupol verkündet – trotz weiterhin hartnäckiger Kämpfe. „Herzliche Glückwünsche“, sagte er Schoigu.
Die Propagandaaufnahmen sollen dem russischen Volk also die Botschaft vermitteln: Die strategisch so wichtige Hafenstadt Mariupol ist eingenommen. Die zweite Offensive im Osten und Süden des Landes hat Erfolg. Doch einige wollen viel mehr in dieser Szene gesehen haben.
Schoigu, der Befehlsempfänger, sitzt auf der einen Seite des Tisches, weit vorgelehnt, auf der Kante des Stuhls, er blättert in einigen Papieren herum. Putin auf der anderen Seite sitzt weit zurückgelehnt in seinem Stuhl, seine Hand klammert den Tisch fest, er fixiert sein Gegenüber mit festem Blick. Eine klare Demonstration von Macht? Oder ist Putin gar krank?
Nachdem die rund 12-minütige Szene publik wurde, gab es zahlreiche Spekulationen über Putins Gesundheitszustand. „Beide depressiv und anscheinend bei schlechter Gesundheit“, twitterte Anders Aslund, ein schwedischer Ökonom, der einst Russland beriet.
Die ehemalige britische Politikerin Louise Mensch sagte, das Filmmaterial scheine frühere Berichte zu stützen, wonach Wladimir Putin an der Parkinson-Krankheit leide. „Hier können Sie sehen, wie er den Tisch umklammert, sodass seine zitternde Hand nicht zu sehen ist, aber er kann seinen Fuß nicht vom Wackeln abhalten“, schrieb sie.
Ist Putin krank? Experte spekuliert: „Erstaunlich geschwächt“
Professor Erik Bucy, ein Experte für Körpersprache von der Texas Tech University, bemerkte gegenüber der britischen „Sun“, dass Putins Gesicht deutlich aufgebläht aussehen soll, es verstärke „ein ungesundes Aussehen“.
„Da ist ein erstaunlich geschwächter Putin im Vergleich zu dem Mann, den wir noch vor ein paar Jahren beobachtet haben“, sagte Bucy. „Ein arbeitsfähiger Präsident müsste sich nicht mit einer ausgestreckten Hand abstützen und würde sich nicht darum bemühen, mit beiden Beinen auf dem Boden zu bleiben.“
Ein deutscher Experte hingegen sieht in der Szene etwas ganz anderes: Putins Demonstration von Macht. Stefan Verra, ein Experte für Körpersprache, erklärte der „Bild“: „Putins Körpersprache sagt: ‚Ich habe alles im Griff, ihr braucht euch keine Sorgen machen‘“, so Verra. Eine klare Botschaft an die russische Bevölkerung. „Er weiß, dass er in dieser Kriegssituation nach innen Stärke und Macht beweisen muss, um den Russen seine Führungsstärke zu versichern und so das Land zusammenzuhalten.“
Putin und die Propaganda: Szenen sollen „Befreiung“ der Ukraine zeigen
Fest steht: Ob Putin krank ist oder nicht, ist völlig unklar, Ferndiagnosen schwierig.
Seinen Krieg aber hat er propagandistisch schon seit langer Zeit vorbereitet. Jetzt soll sie der Bevölkerung vor allem klarmachen, warum er geführt wird: Wer den Staatssender NTV einschaltet, sieht Bilder etwa aus Cherson, die an die Besetzung der Halbinsel Krym erinnern. Sie sollen zeigen, dass sich jetzt eine neue russische Ordnung etabliert, dass Russland die Gebiete erfolgreich „befreit“ hätte.
Die Szenen, die Putin nun mit Schoigu zeigen, sollen nun die „Befreiung“ Mariupols verkünden. Wie diese angebliche „Befreiung“ in Wirklichkeit aussieht, lassen neue Satellitenbilder vermuten: Mehrere Massengräber sollen in der Nähe von Mariupol ausgehoben worden sein. Schon im ukrainischen Butscha waren Hunderte Zivilistinnen und Zivilisten ermordet aufgefunden worden.
Das Bild Putins als „Kümmerer“, als „starker Mann“ hat aber auch in der russischen Öffentlichkeit längst tiefe Kratzer bekommen. Die Propaganda ist umso wichtiger für Putin, nachdem jüngst vermutlich Dutzende Soldaten zusammen mit dem Raketenkreuzer Moskwa nach ukrainischem Beschuss untergegangen waren.