„Dann bleiben Sie zu Hause“RKI-Chef Wieler warnt vor gefährlicher Entwicklung, auch für Geimpfte

RKI-Chef Lothar Wieler (zusammen mit Gesundheitsminister Jens Spahn, r.) warnt am Mittwoch (6. Oktober) vor einer Doppel-Belastung durch Covid-Fälle und Grippe-Fälle.

RKI-Chef Lothar Wieler (zusammen mit Gesundheitsminister Jens Spahn, r.) warnt am Mittwoch (6. Oktober) vor einer Doppel-Belastung durch Covid-Fälle und Grippe-Fälle.

Corona-Pressekonferenz mit Jens Spahn und Lothar Wieler: Wie hart wird der Herbst? Beide warnen vor einer hohen Doppelbelastung in der kalten Jahreszeit durch Covid- und Grippe-Fälle. Auch Geimpfte sollten sich an Maßnahmen halten, um eine Überlastung der Krankenhäuser zu verhindern.

Berlin. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) und der Präsident des Robert Koch-Instituts (RKI), Lothar Wieler, traten am Mittwoch, 6. Oktober 2021, vor die Öffentlichkeit. Im Zentrum stand das Thema Impfen. Der befürchtete Anstieg an Corona- und Grippe-Infektionen im Herbst und Winter rückt an. Eine zu hohe Doppelbelastung hätte auch Folgen für Geimpfte, erklärten beide.

Es gelte zu verhindern, dass zu viele Fälle der beiden Erkrankungen parallel versorgt werden müssen, so Wieler. „Wenn zu viele Covid-19- und Grippe-Erkrankte gleichzeitig auftreten, dann werden die Krankenhäuser massiv belastet.“ Dies wäre wiederum gefährlich für andere Patienten, die die Krankenhausbetten benötigten. Seine Empfehlung daher: „Bleiben Sie zu Hause, wenn Sie eine Atemwegserkrankung haben. Das senkt das Risiko deutlich.“

Corona-Pressekonferenz mit Spahn und Wieler im Ticker

Das RKI hatte jüngst eine Zunahme bei den Corona-Zahlen vorhergesagt. Als Gründe nannte das RKI, dass es noch immer eine große Zahl Ungeimpfter gebe und Kontakte in Innenräumen im Herbst zunähmen. Zudem fürchten Ärzte eine Grippewelle. In übersichtlichen Stichpunkten tickern wir hier für Sie die wichtigsten Inhalte der Pressekonferenz:

Alles zum Thema Corona

  1. Wie hoch sollte die Impfquote bei Grippe-Impfungen sein? Mertens erklärt, dass die WHO ein Ziel von über 70 Prozent bei Menschen über 60 Jahren, Schwangeren und Vorerkrankten ausgegeben habe. Spahn ergänzt, dass auch bei den Grippe-Impfungen eine Quote von mindestens 70 Prozent gut sei.
  2. Wie stehen Wieler und Spahn zur Maskenpflicht in Schulen? Wieler ganz klar: „Wir wollen, dass Schulen aufbleiben, aber bitte mit Schutzmaßnahmen.“ Spahn ergänzt, dass diese Frage zu großen Spannungen in der Gesellschaft führe: „Es gibt Eltern, die Masken als Körperverletzung wahrnehmen. Andere sagen, ohne Maske und Test geht mein Kind nicht zur Schule.“ Eine bundesweite Maßnahme für Schule mache da aber wenig Sinn, die Regel müsse vor Ort und von den Bundesländern getroffen werden. Er werbe in den Ländern dafür, dass zumindest das regelmäßige Testen weiterhin erhalten bleibt.
  3. Beim Einmal-Impfstoff Johnson & Johnson sei gerade bei Jüngeren die Durchbruchrate sehr groß, ergänzt Mertens noch. Dort gebe es vergleichsweise viele Durchbruchsinfektionen. Die Stiko wolle die Empfehlung bei dem Impfstoff daher nochmal anpassen. 
  4. Sind die steigenden Zahlen auf ein Auslaufen der Impf-Wirkung zurückzuführen? Wieler: „Ja, die Mehrheit der Deutschen ist klug genug zu wissen, dass Impfungen eine gute Sache sind. Wir haben keinen Hinweis darauf, dass die Zahlen auf ein Auslaufen der Wirkung zurückzuführen sind. Sondern eher auf den Anteil der Ungeimpften, von denen auch ein großer Teil noch hohen Alters ist.“ Mertens ergänzt: „Die Empfehlung für weitere Booster-Impfungen ist derzeit in der Mache.“ Eine Erkenntnis: Studien hätten gezeigt, dass der Schutz vor schwerer Erkrankung und Tod schon mit der Grundimpfung gut sei und bestehen bleibe. Der Schutz vor Infektion könne bei Menschen mit hohem Alter oder bei chronisch Kranken nachlassen, da werde eine dritte Impfung empfohlen. Das gelte derzeit für 60- bis 80-Jährige. Schwieriger sei es zu eruieren, wann gesunde, jüngere Menschen eine dritte Impfung benötigen würden.
  5. Es folgen die Fragen der Journalisten: Wie real ist die Gefahr der Doppelbelastung? Spahn: „Es ist schwer einzuschätzen, wie sich die Grippe-Welle entwickeln wird.“ Er erinnere sich an Jahre, in denen die Grippe-Welle für eine erhebliche Belastung der Krankenhäuser gesorgt habe. „Dabei ist das mit einem einfach Piks zu lösen.“ Deshalb werde noch einmal dafür zu sorgen. Wieler ergänzt: „Es geht auch darum, mit dem Impfen Leben zu retten.“ 
  6. Stiko-Boss Mertens geht näher auf die Grippe-Impfstoffe ein. „Es gilt für mich deutlich zu sagen, dass es beim Impfen nicht nur um Covid-19 geht, sondern auch um andere Krankheiten.“ 
  7. Wieler: „Mir ist auch ganz wichtig: Bleiben Sie zu Hause, wenn Sie eine Atemwegserkrankung haben. Das senkt das Risiko deutlich.“
  8. Beide Infektionen seien Atemwegsinfektionen und beide seien ein großes Risiko vor allem für Ältere oder chronisch Kranke. „Wenn zu viele Erkrankungen gleichzeitig auftreten, werden die Krankenhäuser massiv belastet“, so Wieler. „Der beste Schutz, den wir haben: Impfungen. Die verhindern schwere Verläufe.“ Die bekannten Hygieneregeln sollten weiter gelten. 
  9. Wieler: „Im Herbst und Winter werden die Covid-19-Fälle wieder steigen. Wir müssen verhindern, dass zu viele Covid-Fälle und Grippe-Fälle parallel auftreten.“ 
  10. Wer eine Auffrischimpfung oder Erstimpfung für Corona benötigt, könne diese gleichzeitig mit einer Grippeimpfung beim Arzt durchführen, so Spahn.
  11. Spahn: „Für diesen Winter gilt: Da wir vermehrt im Innenraum sind, werden weiterhin die AHA-Regeln und die Maskenpflicht gelten.“
  12. Schwangere, Ältere, medizinisches Personal – dort seien die Risiken am höchsten. Gerade dort sollten sich Menschen impfen lassen. „Wichtig ist: Es ist genug Grippe-Impfstoff vorhanden. Diesmal hat der Bund noch früher Grippe-Impfstoff besorgt.“ Er stünde nun auch frühzeitig zur Verfügung, anders als im vergangenen Jahr. 
  13. Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) beginnt mit einem Abriss zur aktuellen Corona-Lage. Die aktuelle Situation gebe Anlass zur Zuversicht, fast vier von fünf Erwachsenen sind geimpft. „Aber es reicht noch nicht für einen ganz sicheren Herbst und Winter.“ Man wolle nun um eine Grippe-Impfung werben, damit die Belastung in den Krankenhäusern auch in der kalten Jahreszeit möglichst gering bleibt. 

Beunruhigend: Derzeit gibt es bereits eine Häufung an Atemwegsinfekten bei Minderjährigen. Ärzte berichten davon, dass nun Infekte nachgeholt würden, die es wegen des teilweisen Lockdowns im vergangenen Winter und Frühjahr nicht gegeben habe.

RKI-Pressekonferenz mit Spahn und Wieler nicht mehr wöchentlich

In der Hochphase der Corona-Pandemie waren Spahn und Institutschef Wieler teils im Wochenrhythmus miteinander bei Pressekonferenzen aufgetreten.

Nach Angaben des Bundesgesundheitsministeriums vom Dienstag sind 64,7 Prozent der Menschen in Deutschland vollständig gegen Corona geimpft. Die dafür nötigen Impfdosen erhielten bislang mehr als 53,8 Millionen Menschen. Mindestens eine erste Impfung bekommen haben mittlerweile 68,2 Prozent aller Einwohner. Bei den meisten eingesetzten Impfstoffen sind zwei Dosen für einen vollständigen Schutz nötig. (dpa/mg/dok)