Gibt es eine Maulwurf im russischen Geheimdienst FSB? Und plant der eine Verschwörung gegen Russlands Präsident Wladimir Putin? Ein amerikanischer Rennfahrer mit ukrainischen Wurzeln sorgt mit Übersetzungen von Briefen für Aufsehen.
Maulwurf im russischen GeheimdienstBriefe aus dem FSB: Verschwörung gegen Wladimir Putin?
Die Geschichte liest sich wie aus einem Agenten-Roman: Geheime Briefe eines Agenten des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB, die detailliert das Innenleben des russischen Machtapparats beschreiben, geschickt an den Menschenrechtsaktivisten Vladimir Osechkin, der in Frankreich das Gulag-Projekt betreibt und Folter und Korruption im russischen Strafvollzug aufdeckt, übersetzt und auf Twitter veröffentlicht von Igor Sushko, einem in Kyjiw geborenen früheren professionellen Rennfahrer, der inzwischen in Amerika lebt.
Es geht um Misstrauen, Leistungsdruck und Intrigen – aber es geht auch um eine groß angelegte Verschwörung gegen Wladimir Putin innerhalb der Nachfolgeorganisation des sagenumwobenen KGB. „Es klingt verrückt. All diese Geschichten und ein Rennfahrer mittendrin“, schreibt Sushko selbst und erklärt am 24. März 2022 in einem Podcast: „Es begann, als ich auf diese Briefe stieß, die Osechkin auf Facebook veröffentlichte. Mir war klar: Die müssen ins Englische übersetzt werden, weil sie einen so tiefen Einblick über Russland geben, wie das System unter Wladimir Putin funktioniert.“
Igor Sushko nannte FSB-Agent „Wind of change“
Nach einigen übersetzten Briefen gab Sushko der angeblichen FSB-Quelle einen Namen, nennt ihn „Wind of Change“, nach dem nicht nur in Russland berühmten Lied der deutschen Band „Scorpions“, das zur Hymne der Freiheit während des Zusammenbruchs des Ost-Blocks wurde.
Demnach gebe es eine wachsende Gruppe von Mitarbeitern des Geheimdienstes, die immer unzufriedener wurden mit der Invasion in der Ukraine – und sich dagegen wehrten, von Putin für den Fehlschlag verantwortlich gemacht zu werden. Auch von Säuberungen innerhalb der Dienste wird geschrieben. Osechkin, nach dem in Russland gefahndet wird, bestätigte die Existenz dieser Briefe am Mittwoch (23. März 2022) in einem Interview mit der „Times“ in London, auch er hat keine Zweifel an der Authentizität der Briefe.
FSB-Agent schreibt von Putins Drohung als „atomares Säbelrasseln“
FSB-Agent „Wind of change“ behauptet, Putin agiere nur so aggressiv, weil er überzeugt sei, dass der Westen nicht militärisch antworten würde. Das „atomare Säbelrasseln“ von Putin sei eben nur Taktik. „Eine Atomkrieg wäre das Ende der Welt. Niemand will das Ende der Menschheit – inklusive der bösesten Figuren in der Kreml-Führung. Aber solange diese Drohung wirkt, solange wird Putin weitermachen.“
Inzwischen gebe es eine Verschwörung innerhalb des FSB, die hoffe, dass der Westen ihnen zur Seite stehe. Denn Putin würde alles tun, um möglichst viel der Ukraine zu zerstören, wenn er sie schon nicht als Teil Russlands besitzen könne.
Ob die Briefe authentisch sind, lässt sich abschließend nicht beurteilen. Christo Grozev, Journalist bei der Investigativ- und Factchecking-Plattform Bellingcat, hat die ersten Briefe überprüft und hält sie für echt.
Sushko: „Wind of Change hat beispielsweise vorhergesagt, dass Russland mit dem Argument, die Ukraine wolle eine Biowaffe bauen, den Krieg nachträglich rechtfertigen würde. Der Agent ist überzeugt, dass Putin dem Pfad folgt, auf dem Hitler und Stalin kamen. Putin will das ukrainische Volk auslöschen. Diese Worte mögen ein Schock sein für den Westen. Aber nicht für die, die wissen, wie die Sowjetunion funktioniert hat, die Russisch sprechen und wissen, wie Putins System funktioniert.“