Im ZDF-TalkAls Lanz vom Solingen-Täter spricht, platzt es aus Kühnert heraus

Von einer „Hilflosigkeit des Rechtsstaates“ sprach Gastgeber Markus Lanz (links) in seinem ZDF-Talk bezüglich des Attentäters von Solingen. So wollte das SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert nicht stehen lassen. (Bild: ZDF / Markus Hertrich)

Von einer „Hilflosigkeit des Rechtsstaates“ sprach Gastgeber Markus Lanz (links) in seinem ZDF-Talk bezüglich des Attentäters von Solingen. So wollte das SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert nicht stehen lassen. (Bild: ZDF / Markus Hertrich)

Nach dem tödlichen Messerangriff von Solingen äußerte sich SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert bei „Markus Lanz“ (ZDF) zu einer möglichen Verschärfung des Asylsystems. Als Lanz von einer „Hilflosigkeit des Rechtsstaates“ bezüglich des Attentäters sprach, gerieten beide verbal aneinander.

Das Attentat von Solingen hat Rufe nach einer Überarbeitung des Asylsystems lauter werden lassen, auch bei „Markus Lanz“ am Mittwochabend (28. August 2024) wurde über das Thema diskutiert. Nicht nur CDU-Chef Friedrich Merz forderte jüngst harte Konsequenzen, sondern auch Ampel-Mitglieder wie FDP-Politiker Christian Lindner. „Kommt jetzt die große Asylwende?“, wollte Lanz deshalb von seinen Gästen, unter anderem SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert und sein Podcast-Partner Richard David Precht, wissen.

SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert lobte in dem Zusammenhang den angeblichen Tatendrang von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und sagte: „Er hat betont, dass jetzt auch ein Schulterschluss über die Parteigrenzen hinweg erforderlich ist. Ich glaube, das ist das, was viele im Land auch erwarten.“ Journalistin Kristina Dunz reagierte jedoch skeptisch: „Im vorigen Jahr ist das schon mal schiefgelaufen. Da hatten Sie schon mal über einen Deutschlandpakt für Migration beraten wollen und dann hatte sich der CDU-Vorsitzende Merz ja daraus verabschiedet und hat es für erledigt erklärt, weil er sich vom Kanzler nicht genügend berücksichtigt sah.“

Kevin Kühnert: Das Asylsystem wird „fortwährend weiterentwickelt“

Scholz habe damals „auch nicht den Eindruck vermittelte, dass er wirklich die Opposition (...) dazuholen möchte“.

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Kühnert zeigte sich davon unbeeindruckt und konterte: „Dass Merz dann nicht mehr Teil des Prozesses sein wollte, hat uns nicht daran gehindert, zu Ergebnissen zu kommen. Die Ampelkoalition hat gemeinsam Verschärfungen bei den Rückführungen, bei den Abschiebungen, beschlossen.“

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Die Lobeshymne auf den Kanzler wollte Gastgeber Lanz nicht unkommentiert lassen und fragte Kühnert, was er von Scholz' jüngster Aussage halte: „Wir haben die irreguläre Migration mittlerweile gut unter Kontrolle.“ Die Antwort Kühnerts: „Wir kriegen sie besser unter Kontrolle!“ Gleichzeitig beteuerte er, dass er den Satz von Scholz „jetzt ehrlich gesagt gerade bei Ihnen das erste Mal gehört“ habe, denn: „Ich verfolge selbst von meinem Bundeskanzler nicht alle Interviews.“ Gleichzeitig stimmte Kühnert der Aussage des Kanzlers teilweise zu und verwies auf die steigenden Abschiebungen. „An was wollen Sie die Politik in diesem Bereich messen, wenn nicht an Zahlen?“, so Kühnert.

Islam-Experte: Der 7. Oktober war ein „Radikalisierungs-Beschleuniger“

Markus Lanz hakte irritiert nach, warum die Regierung jetzt ausgerechnet nach Solingen eine Wende in das Asylsystem bringen wolle. Journalistin Dunz äußerte ihre Vermutung: „Dass jetzt vor den Landtagswahlen, die ja an diesem Sonntag in Sachsen und Thüringen sind, ein Signal gesetzt werden musste, ist klar.

Ob das dann noch nach der Landtagswahl in Brandenburg gegen Ende September so sein wird, bezweifle ich.“ Kühnert erklärte daraufhin, dieses System werde „fortwährend weiterentwickelt“. Laut des SPD-Politikers seien bereits „in den letzten Monaten - auch im letzten Jahr schon - Verschärfungen vorgenommen“ worden. Er wetterte weiter: „Wenn wir jede Verbesserung, jede rechtliche Lücke, die wir zumachen, einfach negieren oder über sie hinweggehen, mit dem Hinweis, damit sei das Gesamtproblem ja noch nicht gelöst, dann wird Politik scheitern am Ende. Dann werden sich die Populisten freuen.“

Lanz setzte nach: „Die Tatsache, dass da jetzt heikle Wahlen vor der Tür stehen, hat das etwas damit zu tun?“ Kühnert schüttelte entschieden mit dem Kopf und sagte streng: „Nein, davon bin ich wirklich überzeugt. Ich habe doch keine Wahl in Sachsen und in Thüringen gebraucht, um mitzubekommen in dieser Gesellschaft, dass es viele Leute gibt, die mit dem Umgang mit Fluchtmigration in unserem Land nicht zufrieden sind, so wie es läuft.“

Als der Moderator daraufhin die „Hilflosigkeit des deutschen Rechtsstaates“ in Bezug auf den mutmaßlichen Täter in Solingen ansprach, platzte es erneut aus Kühnert heraus: „Tut mir leid, da muss ich deutlich widersprechen!“ Es habe im „Fall des mutmaßlichen Täters aus Solingen (...) keine Regelungslücke“ gegeben, „die uns daran gehindert hätte, Mittel zu finden, ihn nach Bulgarien entsprechend der Regeln zu überführen.“ Lanz reagierte fassungslos: „Es hat ja nicht stattgefunden. Die Konsequenz fehlte an jeder Stelle!“ Daraufhin verteidigte sich Kühnert wütend: „Ich übernehme jetzt hier nicht die globalgalaktische Verantwortung für Leute, die in Ministerämtern sind und es (...) nicht hinkriegen, geltendens Recht anzuwenden!“

Während Philosoph Richard David Precht bei der Flüchtlings-Thematik auf höherer Ebene auch eine Mitschuld bei der westlichen Welt sah und deren „Missionsgehabe“ bei der Einmischung in die innenpolitischen Angelegenheiten von Ländern wie Syrien, Afghanistan und Irak kritisierte, machte Islam-Experte Eren Güvercin deutlich, warum für ihn Abschiebungen alleine nicht ausreichen. „Nach Mannheim und jetzt nach Solingen vermisse ich vonseiten der Bundesregierung (...) eine viel tiefer gehende Auseinandersetzung mit dem ideologischen Hintergrund dieser Täter“, so Güvercin. Der Autor, Mitglied der Deutschen Islam-Konferenz, warnte, „dass die islamistische Szene heute vitaler ist als noch vor einigen Jahren“.

Ein wichtiger Kipppunkt sei nach Angaben des Experten der 7. Oktober gewesen, der „nicht nur eine Zäsur für Israel, sondern auch für unsere deutsche Gesellschaft“ gewesen sei. Wie Güvercin weiter erklärte, habe der Terrorangriff der Hamas „zu einer richtigen Enthemmung in der islamistischen Szene geführt“ und sei in vielerlei Hinsicht „ein Radikalisierungs-Beschleuniger“ gewesen. „Das, was der 7. Oktober bei uns hier in Deutschland ausgelöst hat, wird uns noch sehr lange beschäftigen. Und das ist, glaube ich, bei unserer Politik noch nicht wirklich angekommen“, so der Experte. Der Politik warf Güvercin vor, keine langfristige Strategie“ zu verfolgen.

SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert reagierte nachdenklich: „Ich sitze hier als schwuler Mann (...). Alles, was mir lieb und teuer ist, ist das Gegenteil von dem, was Islamisten wollen. Ich verachte Islamisten.“ Er versprach deshalb emotional: „Ich will alles dafür tun, was möglich ist rechtsstaatlich, um ihr Terrain einzuschränken.“ (tsch)