„Markus Lanz“AfD-Diskussion läuft aus dem Ruder – Autor fassungslos: „Sie meinen ernsthaft?“

Autor Hasnain Kazim (rechts) war zu Gast bei Markus Lanz von so mancher Aussage der anderen Gäste irritiert.

Autor Hasnain Kazim (rechts) war zu Gast bei Markus Lanz von so mancher Aussage der anderen Gäste irritiert.

Die drei Landtagswahlen in Ostdeutschland gelten unter Experten als wegweisend. Markus Lanz suchte in seiner Sendung am Donnerstagabend nach Gründen für das Erstarken der AfD in Brandenburg, Thüringen und Sachsen – doch so mancher Erklärungsversuch sorgte für Kopfschütteln.

In Brandenburg, Thüringen und Sachsen wird schon bald ein neuer Landtag gewählt. Während aktuell in Brandenburg eine Koalition aus SPD, CDU und Grünen regiert, steht in Thüringen Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) mit einer rot-rot-grünen Minderheitsregierung an der Spitze. In Sachsen bilden derweil CDU, SPD und Grüne die Landesregierung.

Dies könnte schon bald der Vergangenheit angehören: Laut jüngsten Umfragen darf vor allem die AfD auf Spitzenergebnisse hoffen. Und das, obwohl sie vom Bundesverfassungsschutz in Thüringen und Sachsen als „gesichert rechtsextrem“ eingestuft wird. ZDF-Moderator Markus Lanz wollte deshalb am Donnerstag von seinen Gästen wissen: „Warum wählen die Leute die AfD?“

Autor Hasnain Kazim bezeichnet AfD-Umfragehoch als „ein Ost-Phänomen“

Publizist Dirk Oschmann antwortete nachdenklich: „Das weiß ich nicht. Die AfD wird unsere gesamten Lebensgrundlagen untergraben. (...) Sie wird natürlich auch insgesamt unsere Freiheiten einschränken. Und das halte ich für eine maximale Bedrohung und deshalb halte ich diese Wahlen am Wochenende für so zentral.“

Alles zum Thema Markus Lanz

Journalist Marc Felix Serrao sah hinter dem Erfolg der AfD jedoch nicht nur eine Trotzreaktion vieler Bürger. Vielmehr merkte er an, dass „ein ganz entscheidender Grund für die Erfolge der AfD im Osten“ auch „die aktuelle Regierungspolitik in Berlin“ sei. „Es geht nicht nur um (...) das Unrecht, was dem Osten widerfahren ist oder auch nicht, sondern auch um ganz aktuelle Politik“, so Serrao.

Lanz hakte weiter nach und wollte wissen, warum sich besonders viele junge Menschen im Land radikalisiert zu haben scheinen. Marc Felix Serrao antwortete prompt: „Da gibt's wahrscheinlich viele Gründe. Einer ist sicherlich die Erfahrung durch die Corona-Zeit.“ Er glaube, „die Jungen haben mit am meisten darunter gelitten. Das sorgt für eine Entfremdung von den etablierten Parteien.“

Journalistin Anna Lehmann stimmte zwar teilweise zu, ergänzte jedoch: „Ich glaube, das hängt auch sehr stark mit der Demografie zusammen.“ Laut Lehmann sei besonders der Osten „massiv von Abwanderung bedroht“. Viele junge Menschen und Frauen seien bereits aus den östlichen Teilen des Landes gezogen, was wiederum dazu führe, dass der Osten „zum Teil vermännlicht sei“.

Dies komme laut Lehmann der AfD zugute. „Es gibt Regionen, wo auf 140 Männer nur 100 Frauen kommen. (...) Da bildet sich eine Kultur heraus, wo es cool ist, rechts zu wählen“, so die Journalistin. Autor Hasnain Kazim sah dies jedoch skeptisch und warnte: „Ich finde, man redet so das Problem klein.“ Er mahnte: „Ich glaube auch, dass diese Art, wie Sie argumentieren, dazu führt, dass die Leute dann sagen: ‚Entschuldigung, es werden die Probleme nicht erkannt‘.“

Auch lesen: Als Lanz vom Solingen-Täter spricht, platzt es aus Kühnert heraus

Kazim fügte mit ernster Miene hinzu, dass die Menschen im Osten „allgemein anders“ ticken als im Westen. Die AfD gebe es schließlich auch im Westen, „aber dass sie jetzt so eindeutig stärkste Kraft wird, das ist ein Ost-Phänomen. Ich glaube, das hat damit zu tun, wie wir Nationalsozialismus aufgearbeitet haben im Westen anders als im Osten“, so der Autor.

Publizist Dirk Oschmann behauptete bei „Markus Lanz“, Deutschland sei „im spezifischen Sinne nie vom Faschismus befreit worden“.

Publizist Dirk Oschmann behauptete bei „Markus Lanz“, Deutschland sei „im spezifischen Sinne nie vom Faschismus befreit worden“.

Mit Blick auf die Vergangenheit sagte auch Dirk Oschmann: „Man muss die historische Langzeitperspektive mit im Blick haben, um zu verstehen, warum wir an dem Punkt sind, an dem wir sind und um zu verstehen, warum Deutschland im spezifischen Sinne nie vom Faschismus befreit worden ist.“

Dem konnte und wollte Hasnain Kazim jedoch nicht zustimmen. „Sie meinen ernsthaft, Deutschland ist vom Faschismus nicht befreit worden und wir leben in einem faschistischen Staat?!“, so der Autor fassungslos. Oschmann verneinte dies zwar, sagte aber auch, dass man nicht behaupten könne, „dass wir das Problem losgeworden wären“.

Anna Lehmann bezweifelt, „dass die AfD nur dadurch stark geworden ist, dass man sie ausschließt“

Mit Blick auf die kommenden Landtagswahlen im Osten wollte Lanz auch wissen, wie die traditionellen Parteien mit einer erstarkten AfD umzugehen haben. Journalist Marc Felix Serrao erklärte dazu, dass er die bisherige „Ausgrenzungsstrategie“ in Form einer Brandmauer für nicht sinnvoll halte, da die AfD mittlerweile auf 30 Prozent zusteuere.

„Das Land steht kurz vor der Unregierbarkeit“, befürchtete Serrao, der davor warnte, dass die AfD in fünf Jahren „vor einer absoluten Mehrheit stehen“ könnte. Er forderte deshalb von den traditionellen Parteien, „auf die Einbindung“ der AfD zu setzen und sie „zum Regieren zu zwingen“. Laut Serrao könnte dies die AfD „vor erhebliche Probleme stellen“, da es allgemein leichter sei, „vom Spielfeldrand irgendwie immer nur alles besser zu wissen“.

Anna Lehmann konnte dem jedoch nicht zustimmen: „Ich bezweifle, dass die AfD nur dadurch stark geworden ist, dass man sie ausschließt.“ Als auch Dirk Oschmann feststellte, dass selbst Politiker wie Frankreichs Marine Le Pen die AfD „zu rechtsextrem“ finden, sagte Anna Lehmann: „Herr Höcke ist ein Faschist und der darf auch als solcher benannt werden.“ Marc Felix Serrao jedoch kritisierte: „Die Deutschen neigen im Umgang mit dieser Partei (...) ein wenig zur Hysterie und das bekommt ihnen nicht gut.“ (tsch)