Wladimir Putin lässt seit Donnerstag die Ukraine angreifen. Der Krieg ist zurück in Europa. Anne Will will mit ihren Gästen die Frage klären: Welche Ziele verfolgt Wladimir Putin und wie kann er gestoppt werden?
Bei Anne WillLindner über russische Atomstreitkraft: „Herr Putin ist nicht mehr berechenbar“
Vier Tage nach dem Einmarsch der Russen sind Tausende Ukrainerinnen und Ukrainer auf der Flucht. Der russische Präsident Wladimir Putin versetzte am Sonntag die russischen Atomstreitkräfte in erhöhte Alarmbereitschaft. Er gab als Grund dafür die westlichen Sanktionen und das „aggressive“ Verhalten der Nato an.
Die Ukraine erklärte sich unterdessen zu Verhandlungen mit Russland an der Grenze zu Belarus bereit und schlug nach eigenen Angaben einen Vorstoß der russischen Armee in die zweitgrößte Stadt Charkiw zurück.
Anne Will: „Putin führt Krieg in Europa – wie ist er zu stoppen?“
Europäische Union und USA antworten mit Sanktionen gegen Russland. Lässt Präsident Putin sich so stoppen? Bei Anne Will diskutieren am Sonntag, 27. Februar 2022, 22 Uhr, folgende Gäste zum Thema „Putin führt Krieg in Europa – wie ist er zu stoppen?“
- Christian Lindner (FDP), Bundesminister für Finanzen und Parteivorsitzender
- Norbert Röttgen (CDU), Mitglied im Auswärtigen Ausschuss
- Egils Levits, Präsident Lettlands
- Karl Schlögel, Historiker, Osteuropa-Experte
- Kristina Dunz, Stellvertretende Leiterin der Hauptstadtredaktion des Redaktionsnetzwerks Deutschland
- Ljudmyla Melnyk, Ukrainerin, Projektleiterin und Wissenschaftlerin am Institut für Europäische Politik
Anne Will startete die Fragerunde bei Christian Lindner. „Sie haben heute vom Ende aller Illusionen bei Putins Russland gesprochen. Haben Sie da auch schon damit gerechnet, dass Wladimir Putin nur kurz darauf die Atomstreitkräfte in Alarmbereitschaft versetzen könnte?“, wollte Will wissen. „Nein, Frau Will. Damit habe ich nicht gerechnet. Aber Herr Putin ist auch nicht mehr berechenbar“, machte Lindner deutlich.
Er erhielt Unterstützung von Osteuropa-Experte Karl Schlögel: „Dass Putin am selben Tag, an dem er bereits Krieg führt, mit Atomwaffen droht – ich möchte nicht wissen, wer darauf gefasst ist.“ Der Historiker führte weiter aus: „Es gibt einen unglaublichen Putin-Kitsch und ich bin froh, dass der Nebel weg ist.“ Eine Seitenhieb auf Sahra Wagenknecht, die in einer der vergangenen Anne-Will-Sendung Verständnis für Putin gezeigt hatte.
Anne Will: Bedrohung mit Atomschlag als schlimmstes vorstellbares Szenario
„Haben Sie die Bedrohung mit einem Atomschlag als schlimmstes aller vorstellbaren Szenarien mitgedacht, als sie abgewogen haben, entweder weiterhin keine Waffen zu liefern in die Ukraine, oder aber jetzt Waffen zu liefern und härteste Sanktionen zu ziehen, oder eben jeden Quadratmeter, wie es der Bundeskanzler angekündigt hat, des Natogebietes geschlossen zu verteidigen?“, wollte die Moderatorin von Lindner wissen.
Lindner antwortete mit einem deutlichen Ja. „Die Nato verfügt über nukleare Fähigkeiten zur Abschreckung. Das ist unsere Rückversicherung für den Fall einer globalen Bedrohung. Niemand will diese Waffen, die für die Menschheit an sich eine Bedrohung darstellen, einsetzen. Aber sie zu haben, das bedeutet, das Gleichgewicht der Kräfte aufrechtzuerhalten“, sagte der Bundesfinanzminister.
Pannen bei Anne Will: Lettlands Präsident Egils Levits kam nicht zu Wort
Tonprobleme gab es mit dem zugeschalteten lettischen Präsidenten Egils Levits. Erst bei der dritten Schalte gelang es, den Präsidenten zu Wort kommen zu lassen. Es war nicht die einzige Panne. „Ihr Land grenzt an die Ukraine“, sagt Anne Will zum lettischen Präsidenten Egils Levits. Doch Lettlands Nachbarn sind neben den baltischen Staaten Litauen und Estland noch Belarus und Russland.
Auch bei einem Einspieler gab es einen Fehler. So wurde Wladimir Klitschko irrtümlich zum Bürgermeister von Kiew erklärt. Tatsächlich aber hat sein Bruder Vitali das Amt inne.
Anne Will: Lindner fordert langen Atem und Durchhaltevermögen
Und wie wurde die Frage der Sendung „Welche Ziele verfolgt Wladimir Putin und wie kann er gestoppt werden?“ letztendlich beantwortet? Laut Christian Lindner greifen die bisherigen Sanktionen zunächst mittelfristig. „Sie haben gewiss eine Auswirkung auf seine Meinungsbildung und er merkt die Entschlossenheit. Aber der ökonomische Schaden für Russland, der wird sich erst in einiger Zeit voll darstellen.“
Laut Lindner verfüge Russland über sechshundert bis siebenhundert Milliarden Dollar Devisenreserven. „Man kann den Eindruck haben, dass diese Eskalation von Herrn Putin sehr lang in den unterschiedlichen Bereichen vorbereitet worden ist.“ Umso mehr müssten wir auch einen langen Atem und Durchhaltefähigkeit gegenüber Putin haben, forderte Lindner. „Wir müssen auch wirtschaftliche Nachteile, die sich ohne Zweifel jetzt aus diesen Sanktionen ergeben, die müssen wir ebenfalls aushalten“, so Lindner weiter.
Er forderte dringend, „unsere Energiepolitik zu überprüfen“. Denn mit dem gekauften Gas aus Russland finanziere man den Krieg indirekt mit.
Norbert Röttgen glaubt, Putin könne nur gestoppt werden, wenn Russland aus dem Swift-Abkommen rausgeschmissen wird. Er sprach dem ukrainischen Volk seine Hochachtung aus: „Da ist ein Volk, das bereit ist zu sterben, um zu leben.“
Seine Einschätzung aber sei, dass es ein langer Krieg sein werde. „Putin kann enorm viel zerstören. Er kann Raketen ohne Ende schicken. Aber er wird das Land nicht erobern, nicht unter Kontrolle bekommen. Und das wird ihn auszehren.“ (susa)