ARD-Serienstar IvarSein wahres Flüchtlingsschicksal ist dramatischer als jeder Film

Informant – Angst über der Stadt: Jürgen Vogel und Ivar Wafaei

Jürgen Vogel und Ivar Wafaei in der ARD-Serie „Informant – Angst über der Stadt“, die ab 16. Oktober 2024 in der ARD zu sehen ist (und schon jetzt in der Mediathek).

In der ARD ist Ivar Wafaei jetzt neben Jürgen Vogel in „Der Informant“ zu sehen. Bei EXPRESS.de schildert der junge Geflüchtete sein dramatisches Leben.

von Andrea Kahlmeier  (ak)

Dieser Blick! So gehetzt, panisch, verletzlich. Ivar Wafaei (25), bislang ein unbekannter Schauspieler, spielt in der neuen ARD-Serie „Informant – Angst über der Stadt“ die Rolle seines Lebens – einen afghanischen Flüchtling, der sich vom LKA als Spion rekrutieren lässt, um seine syrische Freundin vor der Abschiebung zu retten und die Elb-Philarmonie vor einem IS-Anschlag zu bewahren.

Was kaum einer weiß: Es gibt viele Parallelen zu seinem wahren Leben – denn auch Ivar lebt in Deutschland noch ohne Papiere. Mit EXPRESS.de hat der Afghane über seine Flucht und seine Träume gesprochen.

TV-Newcomer Ivar Wafaei: Als 16-Jähriger flüchtete er ganz allein

War es Kismet, Schicksal, dass Ivar zur Schauspielerei gekommen ist? Seine Flucht jedenfalls ist filmreif und steht für so viele Schicksale in diesem Land. Mit 16 Jahren machte der Junge sich mutterseelenallein auf den Weg aus dem Iran. Seine Eltern und fünf Geschwister ließ er zurück in dem Land, in dem die afghanischen Flüchtlinge einen schweren Stand haben. „Wir sind dort Menschen zweiter Klasse, nur geduldet“, erklärt er.

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Der Teenie biss sich durch. Meistens zu Fuß. Ohne Geld, ohne Essen. „Ich war dem Tod oft sehr nah“, erinnert er sich, „zum Beispiel auf einem Boot mit 48 Menschen, auf das eigentlich nur zehn passten. Und dann fiel mitten auf dem Meer, zwischen Istanbul und Griechenland, auch noch der Motor aus.“

Ihm gelang die Flucht in einer Rekordzeit von 36 Tagen. „Ich wollte einfach nur immer weiter und weiter, die Sicherheit war mir egal.“ Doch Deutschland, das gelobte Land in seinen Träumen, machte ihm den Anfang nicht leicht. „Ich hatte die ersten 19 Monate keinerlei Unterstützung, hatte nichts zum Anziehen, keinen Deutschunterricht, weil meine Nummer verloren gegangen ist oder verwechselt wurde.“ Das habe man ihm zumindest gesagt.

Jürgen Vogel, Ivar Wafaei und Elisa Schlott 2024 während des Settermins zur ARD/Arte Thriller-Serie „Informant“.

Schauspieler Jürgen Vogel (links) als LKA-Ermittler Gabriel Bach, Serien-Newcomer Ivar Wafaei als Raziq Raza Shaheen und Schauspielerin Elisa Schlott als BKA-Polizistin Holly Valentin in der ARD-Thrillerserie „Informant“.

Die Flucht ging weiter. Er wollte weg aus Sachsen, wo Pöbeleien an der Tagesordnung waren. Schließlich landete Ivar in Hamburg. Die Stadt war schön, die Menschen nett und hilfsbereit. Eine Wohltat für den traumatisierten Jugendlichen. Zwei Familien nahmen sich seiner an. „Es hat sie viel Zeit, Kraft und Geld gekostet“, erinnert er sich. Aber binnen kurzer Zeit sprach Ivar perfekt Deutsch. Zwei seiner erwachsenen Helfer waren Schauspieler, vermittelten ihm ein Zimmer bei einer Frau, die ein kleines Theater betrieb.

Und plötzlich stand auch Ivar auf der Bühne. „Ich habe meine Leidenschaft entdeckt“, schwärmt er. „Hier, auf der Bühne, hatte ich den Ort gefunden, um all meine verschiedenen Emotionen rauszulassen.“ Er machte in ersten kleinen Rollen („Rheingold“, „Blindgänger“) auf sich aufmerksam; dann riet ihm seine Agentur, beim Casting für „Informant“ teilzunehmen. Sechsteilige Serie, Primetime, ganz großes Kino. Und Ivar wurde vom Fleck weg engagiert.

EXPRESS.de sah die Serie vorab: Wahnsinn! Ivar Wafaei spielt souverän an der Seite von Top-Schauspielern wie Jürgen Vogel, Elisa Schott und Claudia Michelsen. In der Story ist seine Figur Raza – im Gegensatz zu seiner Freundin (Bayan Layla) – ein anerkannter Flüchtling. Im wahren Leben sieht das leider anders aus. „Man sagte mir beim Amt, ich bekomme erst Asyl, wenn ich fünf Jahre durchgehend gearbeitet habe“, erklärt er. Sein großer Traum sei es deshalb nicht, ein berühmter Schauspieler zu werden.

Familie Wafaei

Ein Teil der Familie Wafaei, die von Afghanistan in den Iran geflüchtet war, als Ivar noch klein war. Sein Vater hat durch eine Kriegsverletzung ein Bein verloren und kann allein nicht für die Familie sorgen.

„Wie im Film ist auch für mich die Familie das Wichtigste im Leben. Meine Mutter leidet an starkem Asthma und mein jüngster Bruder an Hämophilie A. Beide Krankheiten sind sehr aufwendig und teuer zu behandeln, vor allem mein Bruder leidet unter der mangelnden medizinischen Versorgung. Meine jüngere Schwester lernt Englisch und Deutsch und hat den Traum, in Europa zu studieren. Sie ist sehr fleißig und klug und möchte ein freies Leben führen, was für sie in der jetzigen Situation unmöglich ist.“ Er würde alles dafür geben, sie irgendwann nachzuholen, greift ihnen jetzt schon finanziell unter die Arme.

Doch dafür muss Geld her. Bereits zweimal musste Ivar sein Studium unterbrechen. Jetzt steckt das große Nachwuchstalent wieder in einer Zwickmühle. „Ich bin Student an der Berliner Schauspielschule, aber ich weiß nicht, ob ich das nächste Semester abschließen werde. Die Hochschule hat mir eine letzte Chance gegeben“, sagt er traurig. „Die Tage sind bei dem Studium so ausgefüllt, da kann ich nicht noch nebenbei groß arbeiten wie früher in der Gastronomie oder als Reinigungskraft. Aber ohne Geld kein Asyl und keine Familie.“ Deshalb haben Freunde von ihm auf der Spendenplattform Betterplace einen Spendenaufruf gestartet, bisher gingen aber gerade mal 2000 Euro ein.

Doch ähnlich wie in der Fernsehserie ist Ivar ein Kämpfer. „Ich kämpfe mich durch, bis ich in dieser Gesellschaft angekommen bin, vom Staat akzeptiert werde und die Gefahr vorbei ist, abgeschoben zu werden. Dafür brauche ich viel Geduld und Kraft.“