Der umstrittene Psychoanalytiker Adrian Goser (Martin Wuttke) experimentiert mit Gruppensitzungen unter Drogeneinfluss. Dabei kommen sechs seiner Patienten ums Leben. Die Frankfurter „Tatort“-Ermittler bekommen es diesmal mit vielen „Psychos“ und einem ziemlich verrückten Therapeuten zu tun.
ARD-„Tatort“Ex-Kommissar taucht wieder auf – und ist plötzlich Verdächtiger
Seriöse Psychotherpeuten werden sich schon nach wenigen Minuten mit dem „Tatort: Leben Tod Ekstase“ die Haare raufen. Bestätigt der 16. Fall von Paul Brix (Wolfram Koch) und Anna Janneke (Margarita Broich) doch so ziemlich alle überholten Klischees, die man der Seelenklempner-Profession vorwirft.
Vor allem jenes, dass hier viel Hokuspokus passiert und die Therapeuten eigentlich verrückte Möchtegern-Gurus seien, die Spaß an Manipulation haben und Kontrolle über Menschen gewinnen wollen.
ARD-„Tatort“: Ex-Kommissar Martin Wuttke spielt diesmal einen Verdächtigen
Martin Wuttke, früher selbst „Tatort“-Kommissar in Leipzig und nebenbei Ex-Ehemann von Margarita Broich, spielt den umstrittenen Psychoanalytiker Dr. Adrian Goser. Der ist unter anderem für seine Psycholyse bekannt. Darunter versteht man therapeutische Sitzungen unter Drogeneinfluss. Und, na klar, die sind dazu da, zum eigenen inneren Kern vorzudringen. Das Ziel: maximale Selbsterkenntnis.
Leider hat sich eine dieser Psycholyse-Sitzungen, die Dr. Goser mit seinen „Gefährten“ unternommen hat, in einen Albtraum verwandelt. Alle sechs Patienten sterben nach Einnahme der Droge, nur der Therapeut überlebt. Er hat aber keine Erinnerung mehr daran, was passiert ist.
Zunächst befragen Janneke und Brix den seltsamen Dr. Goser im Gefängnis, wo er zur Untersuchungshaft einsitzt. Weil sie jedoch wenig erfahren, bringen sie den seltsamen Psycho-Vogel mit zwei uniformierten Beamten zu dessen Villa, wo auch die Therapiesitzungen stattfanden. Werden im Zuge der Tatort-Begehung die Erinnerungen wieder sprudeln?
Zunächst lernen die Zuschauer gemeinsam mit Brix und Janneke – in Rückblenden – jene Patientinnen und Patienten kennen, die bei Goser verkehrten. Darunter die traumatisierte Künstlerin Ellen Jensen (Aenne Schwarz) sowie der ehemalige Task Force-Soldat Syd (Frederik von Lüttichau). Und zu allem Überfluss schleicht auch noch Gosers ganz und gar durchgeknallter „Mitbewohner“ John (Pit Bukowski) im Haus herum.
ARD- „Tatort“: Lohnt sich beim Fall aus Frankfurt am 16. Oktober das Einschalten?
Der neue „Tatort“ aus dem Hause des experimentierfreudigen Hessischen Rundfunks hat genau zwei Stärken: eine äußerst spannende Plot-Idee und seinen großartigen Titel „Leben Tod Ekstase“. Leider war es das auch schon, was man an Positivem über eine Psychokrimi-Klamotte sagen kann, die ein bisschen wirkt, als habe man einen Münsteraner Klamauk-„Tatort“ inszenieren wollen, dabei aber leider vergessen, Jan Josef Liefers und Axel Prahl anzurufen.
Regisseur Nikias Chryssos, der gemeinsam mit Michael Comtesse („Tatort: Das perfekte Verbrechen“) auch das Drehbuch schrieb, wurde 2015 für seinen Kinofilm „Der Bunker“ über den grünen Klee gelobt. Es war eine fantastische Geschichte, über die unter anderem geschrieben wurde, sie würde wirken, als hätte David Lynch ein Drehbuch von Helge Schneider verfilmt. So ähnlich muss man sich nun auch diesen „Tatort“ vorstellen, nur eben leider „in schlecht“.
Martin Wuttke überdreht seinen Psychologen von Minute eins an darstellerisch maßlos, und viele weitere „Psychos“ in diesem Film folgen der klamottenhaft-chargierenden Darstellungsweise nur allzu bereitwillig. Eine Ausnahme ist die Figur der Ellen Jensen (Aenne Schwarz), einer als Kind durch eine Entführung traumatisierten Künstlerin, die zwar mindestens ebenso bekloppt ist wie die anderen der gezeigten Patienten, der ihre Darstellerin durch ernsthaftes Spiel aber auch Würde und Kontur verleiht.
Ansonsten muss man leider sagen, dass „Leben Tod Ekstase“ als „Tatort“-Experiment ganz und gar missraten ist. Es existiert keinerlei Spannung, die Figuren sind durch und durch unglaubwürdig und noch nicht einmal das Bildästhetische, von den Drogentrip-Sitzungen bis zur Inszenierung der Action-Szenen – ja, auch die gibt es hier – funktioniert auch nur in Ansätzen.
Tatsächlich ist „Leben Tod Ekstase“ Wasser auf den Mühlen derer, die dem „Tatort“ vorwerfen, er experimentiere zu viel und man solle doch lieber einen „anständigen Krimi“ so wie früher zeigen. Natürlich ist auch diese Position Unfug, denn es gibt nur gute und weniger gute Filme. Kein Krimi ist per se gut oder schlecht, weil er einem der beiden „Lager“ zuzuordnen wäre.
Bei „Leben Tod Ekstase“ ist jedoch nicht nur eine Psycholyse-Sitzung aus dem Ruder gelaufen, sondern auch die Produktion eines Films über eben dieses Thema. Kopf hoch, lieber Hessischer Rundfunk, das nächste „Tatort“-Experiment funktioniert hoffentlich wieder.