Was geht in jungen Frauen vor, die alle Errungenschaften der Emanzipation verschmähen und lieber Hausfrau zu Diensten ihres Gatten sein wollen? Erstaunlich viel Reflektiertes, wie eine neue ZDF-Doku zum umstrittenen Phänomen „Tradwives“ zeigt.
„Hauptsache, er ist glücklich“Carolina (28) verließ Deutschland, um „Tradwife“ für ihren Mann sein zu können
Im kurzen, weißen Kleid mit perfekt frisierten Haaren schwebt die Hausfrau mit der Pfanne durch den lichtdurchfluteten Wohnbereich. „Hauptsache, er ist glücklich“, steht auf dem Video geschrieben.
Die sanfte Stimme der jungen Frau skizziert den Tagesablauf: „Zuerst mache ich mich hübsch für ihn und räum die Wohnung auf und bereite ihm das Frühstück zu.“ Nach der Hausarbeit bereite sie „ihm“ dann das Mittagessen zu und „überlege, was ich für ihn backen kann“.
„Ich mache mich hübsch für meinen Mann und ich koche für meinen Mann“
Das Leben kann so übersichtlich sein, wenn Jahrzehnte emanzipatorischer Errungenschaften einfach mal im Hausmüll entsorgt werden. So könnte man böswillig das Konzept „Tradwives“ beschreiben (mehr zu dem Begriff oben im Video), das einer neuen ZDF-Dokumentation aus der Reihe „37°Leben“ (abrufbar in der ZDF-Mediathek) den Titel gibt.
Mit der Wahlmallorquinerin Carolina hat Filmautor Markus Haist eine ebenso reichweiten- wie meinungsstarke Verfechterin dieses für manche rückwärtsgewandt anmutenden Lebensentwurfs vor die Kamera bekommen.
„Der Account ist nicht unbedingt Satire“, antwortet Carolina auf eine naheliegende Nachfrage zum Zweck ihrer Internet-Videos. 30.000 Instagram-Abonnenten hat sie unter ihrem Internet-Pseudonym xmalischka. „In jedem Spaß steckt ein bisschen Ernst. Ich sage ja auch, dass alles, was man sieht, tatsächlich so passiert.“
Eine Überzeichnung also - auch eine gewollte Provokation ist diese Selbstinszenierung, das gibt die Influencerin vor der ZDF-Kamera zu. Andererseits stehe sie zum Ideal der häuslichen Selbsterfüllung: „Ich mache mich hübsch für meinen Mann und ich koche für meinen Mann und das mache ich auch sehr, sehr gerne“, versichert die ehemalige Germanistikstudentin. Sie lebe als „Tradwife“ eben nach „traditionellen Werten“.
Hier mehr lesen: Hausfrau bis zur Hörigkeit Was hat's mit dem „Tradwives“-Trend auf sich?
„Meine Eltern kommen aus der Ukraine, und in Osteuropa ist das, was ich zeige, ganz normal“, beteuert Carolina. In Deutschland sei sie mit dieser Lebenseinstellung jedoch angeeckt. Ihre Sehnsucht „nach Tradition und alten Rollen“ rühre auch von der Erkenntnis her, „dass meine Ansichten nicht zu denen der Gesellschaft passen. Ich habe mich fremd gefühlt, zwischen ganz vielen Menschen.“ Mit ihrem Partner auf Mallorca (er kommt in der Doku nicht zu Wort) sei sie nun wieder ganz bei sich selbst.
Junge Mutter Alisha: „Für mich war klar, dass er nicht darunter leiden muss“
Auf Social Media, so erfährt man im ZDF-Film, gebe es kaum ein polarisierenderes Thema als „Tradwives“ - also Content Creatorinnen, die sich in der Rolle der Hausfrau und Mutter in Szene setzen - fast als wären die spießigen 50er-Jahre nie zu Ende gegangen. Der Hate der Community kommt da wie auf Bestellung. Das hat auch die zweite Protagonistin der Doku gemerkt, von der man nur den Vornamen erfährt: Alisha.
Wenn Alisha in ihren Social-Media-Videos Schlagworte wie „Meine Aufgaben als Hausfrau“ nenne, seien das für andere schon Triggerpunkte. „Das ist doch Unterdrückung!“, bekomme sie dann zum Beispiel zu hören. Gleichzeitig erhalte sie „viel Zuspruch dafür, dass es auch noch Frauen gibt, die nicht Karriere machen wollen“.
Alisha hat Fachabitur gemacht, dann eine Ausbildung, dann kam mit 21 die Schwangerschaft, die so früh nicht geplant war. Sie habe „das Beste“ daraus machen wollen: „Für mich war klar, dass er nicht darunter leiden muss, dass die Sachen jetzt so passiert sind, wie sie passiert sind.“
Seither werde sie ständig gefragt, was sie eigentlich den ganzen Tag so mache: „Tradwife bedeutet, dass ich zu Hause bei meinem Kind bin, mich um den Haushalt kümmere und mein Mann in der Zeit arbeiten geht“, informiert die junge Frau über die gar nicht so junge Idee der Rollenverteilung. Mit ihren Social-Media-Reels versuche sie „zu bezwecken, dass Mamas und Hausfrauen wieder mehr Sichtbarkeit in der Gesellschaft kriegen“. Schließlich sei das ein Knochenjob.
„Familie ist was total Wichtiges“, bekräftigt die junge Mutter. „Wenn Frauen oder Männer darin aufgehen, kann es nicht sein, dass man immer nur Negatives zu hören bekommt.“ Über die Risiken müsse man aufklären. Aber: „Man darf nicht alles platt reden.“
„Emma“-Redakteurin warnt: „Am Ende bin ich davon abhängig, dass der mir sein Geld gibt“
Um mehr über Risiken und Nebenwirkungen zu erfahren, biegt der Film kurz in die „Emma“-Redaktion ab. Redakteurin Chantal Louis stellt wenig überraschend fest: „Wofür wir als Feministinnen gekämpft haben, ist etwas ganz anderes.“ Nämlich: „Die traditionellen Rollen aufzuweichen, vielleicht sogar aufzulösen. Damit Menschen sich als Menschen entwickeln können und nicht der Weg eines Mäddches vorgezeichnet ist.“
Sich auf den Mann zu verlassen, klinge für manche erst mal verlockend, bedeute aber eine gefährliche Abhängigkeit, warnt die „Emma“-Journalistin. „Woher weiß ich denn, dass dieser Mann ewig bei mir bleibt? Da kann ich so viel leckeres Brot backen, wie ich will. Am Ende bin ich davon abhängig, dass der mir sein Geld gibt.“
Mallorca-Tradwife Carolina hält dagegen: Heute gäbe es nicht mehr die klassische Hausfrau der 50er-Jahre. Heute erfolge der Schritt in ein solches Lebensmodell unter selbstbestimmten Vorzeichen und größeren individuellen Freiheiten. Und das Stichwort Abhängigkeit? Eloquente Antwort: „Man steht in seinem Leben doch immer irgendwo in einem Abhängigkeitsverhältnis, ob das nun der Arbeitgeber ist oder der Mann.“
Was man am Ende lernt über den „Trend Tradwives“? Vielleicht, dass das Label in die Irre führt. „Für mich sind Werte wie Fürsorge und Liebe keine Trends“, sagt Carolina. „Das sind grundlegende Werte unserer Gesellschaft. Es ist okay, füreinander da zu sein. Es ist gut, etwas für seinen Partner zu machen.“ Allen Frauen, die es sehen wie sie, ruft sie zu: „Lasst euch von niemandem runtermachen!“ Wenigstens der Satz klingt dann auch völlig Feminismus-kompatibel. (tsch)