Nur wenige Stunden nach dem Ende des Assad-Regimes forderten die ersten deutschen Politiker, syrische Geflüchtete in ihre Heimat abzuschieben. Die Journalistin und Menschenrechtsaktivistin Düzen Tekkal kritisierte die aus ihrer Sicht übereilten Forderungen im „ZDF-Morgenmagazin“ scharf.
„Kaltherzig“, „unmenschlich“Journalistin wettert im ZDF-„Morgenmagazin“ gegen CDU-Rufe
Kaum war der syrische Diktator Baschar al-Assad gestürzt, entflammte schon eine Debatte über das weitere Schicksal syrischer Geflüchteter in Deutschland. Laut wurde von manchen Politikern auch die Forderung formuliert, die Syrer sollten mit dem Ende des Assad-Regimes schnellstmöglich in ihre Heimat zurückgeführt werden. Auf Forderungen, wie sie auch aus Teilen der Union kamen, reagierte die Journalistin und Menschenrechtsaktivistin Düzen Tekkal mit Empörung.
Als „unmenschlich“ und „kaltherzig“ bezeichnet Tekkal die Rückführungsforderungen mancher Politiker wenige Stunden nach dem Sturz Assads. „In einem Augenblick, wo wir nicht wissen, was in Syrien passiert - von einem Kalifat bis hin zum Bürgerkrieg oder die Hoffnung auf Frieden - solche Forderungen zu stellen auf dem Rücken von Schutzbedürftigen, finde ich einfach unmenschlich“, sagte die Journalistin am Dienstag im Gespräch beim „ZDF-Morgenmagazin“.
„Die Islamisten sind zurück“
Natürlich würden sich die Menschen über das Ende des Assad-Regimes freuen, fügte Tekkal hinzu. Die schlechte Nachricht sei jedoch, „dass die Islamisten zurück sind“. Die Syrer würden '“zwischen Hoffnung und Schmerz“ schwanken. „Sie gehen auf die Straßen, weil sie sich darüber freuen, dass dieses Regime gestürzt ist. Aber sie sind natürlich auch voller Schmerz um ihre Angehörigen. Sie haben sehr viele Menschen verloren, und es liegt nicht an uns ist zu sagen, was die Syrer zu tun haben. Das entscheiden sie selber.“
Das Regime Assads war am Sonntag nach einer großangelegten Offensive durch syrische Rebellen, angeführt durch islamistischen Miliz Hayat Tahrir al-Scham (HTS) und die Syrische Nationale Armee (SNA) gestürzt worden. Machthaber Assad floh mit seinen engsten Angehörigen nach Russland, wo er laut der russischen Regierung Asyl erhalten hat.
Bereits wenige Stunden nach dem Assad-Ende hatten erste Politiker einen neuen Umgang mit syrischen Flüchtlingen in Deutschland gefordert. Der stellvertretende CDU-Vorsitzende Jens Spahn machte den Vorschlag, die syrischen Geflüchteten mit einem „Angebot“ in ihre Heimat zu locken.
„Wie wäre es, wenn die Bundesregierung sagt: 'Jeder, der zurück will nach Syrien, für den chartern wir Maschinen, der bekommt ein Startgeld von 1000 Euro'“, sagte der ehemalige Gesundheitsminister in der NTV-Sendung „Frühstart“.
Debatte um syrische Geflüchtete
Spahns Parteikollege Alexander Throm schlug in die gleiche Kerbe: Die Lage in Syrien habe sich durch die jüngsten Entwicklungen im Land „grundlegend geändert“, sagte der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion dem „Handelsblatt“. Es gelte nun zu prüfen, ob der Schutzstatus syrischer Geflüchteter in Deutschland nicht entfällt. Ähnlich argumentiert AfD-Chefin Alice Weidel.
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Es stehe außer Frage, sagte sie dem Magazin „Stern“, dass „bei vielen Personen aus Syrien der Fluchtgrund entfallen“ sei. „Selbstverständlich müssen diese Personen auch zeitnah in ihr Heimatland zurückkehren.“
Faeser: „Es wäre unseriös, in einer so volatilen Lage zu spekulieren“
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hingegen hält Spekulationen über eine baldige Rückkehr syrischer Geflüchteter aus Deutschland in ihre Heimat für „unseriös“. „Aktuell ist die Lage in Syrien aber sehr unübersichtlich. Deshalb sind konkrete Rückkehrmöglichkeiten im Moment noch nicht vorhersehbar, und es wäre unseriös, in einer so volatilen Lage darüber zu spekulieren“, sagte Faeser während eines Besuchs in London.
Auch bei den Grünen und den Linken stoßen die Rückkehr-Forderungen auf Ablehnung. „Nur 24 Stunden nach dem Ende der Assad-Herrschaft schon über Rückführungen zu sprechen, ist rein innenpolitisch motiviert“, sagte der Grünen-Innenpolitiker Julian Pahlke der dpa. (tsch)