„Wer es bis heute nicht gemerkt hat ...“Marco Schreyl feiert seinen 50. und wird ganz privat

Marco Schreyl zu Gast bei der NDR Talk Show am 10.11.2023 in Hamburg

Marco Schreyl (hier am, 10. November 2023) hat ein sehr persönliches Buch über die Erkrankung seiner Mutter geschrieben. Er möchte damit auch zeigen, wie sehr auch Angehörige in so einem Fall leiden.

Marco Schreyl wird 50 – mit EXPRESS.de hat der Moderator über seine Geburtstagspläne, den Rauswurf beim „RTL-Morgenmagazin“, die schwere Erkrankung seiner Mutter und sein Coming-out gesprochen.

von Horst Stellmacher  (sm)

Der Mann für alle Gelegenheiten – in Radio, Fernsehen, auf der Bühne: Marco Schreyl (*1974), Wahl-Kölner aus dem Thüringischen mit besonderer Vorliebe für lange, tiefe Gespräche von Mensch zu Mensch. Jetzt ist er mit seinem Buch über die todbringende Krankheit seiner Mutter („Alles gut? Das meiste schon“, KiWi Verlag, 24 Euro) auch in den Bücher-Charts.

Im großen EXPRESS.de-Jahresabschluss-Interview spricht er darüber, aber auch über das Ende seiner RTL-Morgen-Moderation – und über sein Coming-out.

Marco Schreyl: Geburtstag an Neujahr ist nicht so toll

Sie haben am 1. Januar Geburtstag. Ein gutes Datum?

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Marco Schreyl: Seit ich erwachsen bin, finde ich den 1. Januar als Geburtstag nicht wirklich toll. Groß feiern geht ja nicht. Zu meinem 30. zum Beispiel hatte ich Freunde in eine tolle Frühstücks-Location eingeladen. Wir haben uns am 1.1. um halb 11 getroffen, aber schon zwei Stunden später waren die ersten wieder weg. Entweder waren sie noch fix und foxy, oder sie hatten noch einen Kater vom Abend zuvor.

In der Kindheit war es anders?

Marco Schreyl: Da war das nicht so schlimm. Da haben wir uns zu Hause zum Kaffeetrinken getroffen, alle waren da, und Oma hat dabei im Fernsehen den zweiten Durchgang vom Neujahrs-Skispringen gucken dürfen. Fand ich toll, denn der Fernsehkasten durfte sonst bei Familienfeiern nie laufen. Nach dem frühen Abendessen war der Geburtstag erledigt, ich konnte spielen.

Am 1. Januar 2024 werden Sie 50, das ist ja doch eine besondere Zahl. Was haben Sie vor?

Marco Schreyl: Urlaub machen. Ich werde die Silvesternacht im Flugzeug verbringen, entspannt ins neue Lebensjahr und in die Ferien fliegen. Dafür habe ich vor, ein halbes Jahr später, also im Sommer, so was wie ein Sommerfest zu machen. Dann kann man schön draußen sitzen, entspannt Rosé trinken, viel Spaß haben.

Schiss vor der Zahl 50?

Marco Schreyl: Nö, es ist so, wie es ist, ich kann es ja nicht aufhalten. Wenn ich in den Spiegel schaue, merke ich, dass ich meinem Vater immer ähnlicher werde. Ich sehe, dass der Bart fast gänzlich grau ist, die Haare auch so werden, zum Glück aber noch reichlich vorhanden sind. Ich denke, mit 50 kommt man ins Alter, in dem man mehr genießt als vorher und nicht mehr so auf die Folgen achtet, die das nach sich ziehen kann.

Marco Schreyl mit EXPRESS-Reporter Horst Stellmacher in Köln

Marco Schreyl mit EXPRESS-Reporter Horst Stellmacher im Gespräch in einem Kölner Café.

Sie haben viele Sendungen bei vielen Sendern. Mal dran gedacht, mit 50 kürzer zu treten?

Marco Schreyl: Das, was ich mache, mache ich total gern, deswegen darf es gern manchmal so viel sein. Aber natürlich achte ich drauf, dass ich Auszeiten habe – und das bedeutet für mich, zu 100 Prozent zu genießen. Außerdem habe ich als Freiberufler das Gefühl, dass man beruflich nicht nur ein Standbein haben darf. Ich tanze deshalb eben auf mehreren Hochzeiten. Wenn ich dann bei einer nicht mehr dabei sein dürfte, ist es auch noch schön.

Das ist Ihnen jetzt bei RTL passiert, wo Sie die Morgensendungen nicht mehr moderieren …

Marco Schreyl: Ja, das stimmt. Aber zum Glück kann ich weiter tanzen.

Fast pünktlich zum runden Geburtstag sind Sie mit Ihrer Familiengeschichte in den Mittelpunkt des Interesses gerückt. In „Alles gut? Das meiste schon“ schreiben Sie über Ihre Mutter, die an der Chorea-Huntington-Erkrankung gelitten hat und daran gestorben ist. War es schwer, das alles wieder hervorzuholen?

Marco Schreyl: Ab einem bestimmten Punkt wollte ich das unbedingt erzählen. Es war mir wichtig, damit das eine oder andere abzuschließen. Vor allem aber wollte ich noch mal auf das gucken, was meiner Mutter passiert ist. Ich wollte denen was über die Krankheit erzählen, die heute genauso wenig eine Lobby haben wie ich damals. Wer weiß schon, wie gemein Chorea Huntington nicht nur die betroffene Person, sondern auch alle drumherum attackiert?

Erzählen Sie bitte genauer, was mit Ihrer Mutter passiert ist...

Marco Schreyl: Zehn Jahre vor ihrem Tod sind uns erste Veränderungen aufgefallen, das war so wie bei einem dementen Menschen, der plötzlich von Erlebnissen erzählt, die nie stattgefunden haben. Manchmal waren es nur Lappalien, die aber ganz aggressiv eingeordnet wurden. Die ersten Male dachten wir noch, sie habe einen schlechten Tag, doch ihr Kontrollzwang, ihre Vergesslichkeit, ihre Sturheit nahmen immer schlimmere Züge an. Wir hatten kein gemeinsames Verständnis mehr, was schlimm war, denn sie hatte mir ja mal dieses Verständnis beigebracht. Als bei ihr immer öfter etwas nicht so lief, haben mein Vater und ich sie überredet, sich neurologisch untersuchen lassen.

Marco Schreyl: Seine Mutter litt an Chorea-Huntington

Das Ergebnis?

Marco Schreyl: Die Ärztin sagte uns, dass es Chorea Huntington war, eine Krankheit, die das Hirn massiv schädigt, zuerst an der Stelle, an der Emotionen, Empathie, Einfühlungsvermögen sitzen. Dann hieß es: Die Krankheit ist nicht aufzuhalten. Die meisten Menschen sterben innerhalb von zehn oder zwölf Jahren daran. Was bei meiner Mutter zutraf. Sie wurde nur 65 Jahre alt. Ich hätte ihr mindestens 20 weitere gewünscht.

Bei einer Chorea-Huntington-Erkrankung besteht die 50-prozentige Wahrscheinlichkeit, dass sie auch bei der folgenden Generation eintritt. Also sind Sie selbst stark gefährdet. Haben Sie sich schon untersuchen lassen?

Marco Schreyl: Nein. Soweit war ich bisher noch nicht. Natürlich ist da Angst vor der Antwort dabei. Aber es gibt noch eine andere Motivation: Was wäre, wenn ich wüsste, dass ich die Krankheit in mir trage? Wenn ich wüsste, dass alles super ist? Ich frage mich, ob es mir zusteht, in eine Glaskugel zu gucken und zu erfahren, wie es mit meinem Leben weitergeht. Ich habe noch keine Antwort darauf. Auf alle Fälle war es mir wichtig, dieses Buch über uns zügig zu schreiben, weil ich nicht weiß, ob es in ein paar Jahren noch geht.

Im Buch gehen Sie auch auf ein anderes, sehr persönliches Thema ein. Sie beschreiben, wie Sie vor 20 Jahren Ihren Eltern gestanden, dass Sie einen Mann lieben. Wie war das?

Marco Schreyl: Damals gab es diesen einen Mann nicht. Ich wollte meinen Eltern grundsätzlich sagen, wie ich liebe, was Liebe für mich bedeutet. Am Frühstückstisch habe ich dann über mich, meine Gefühle gesprochen, und es war gar nicht so schlimm. Ich hatte meine Eltern total unterschätzt. Es war ein großer Schritt, aber kein schwerer.

Sie haben in der Öffentlichkeit nie etwas darüber erzählt ...

Marco Schreyl: Warum sollte ich auch? Ich habe es nie verstanden, dass eine Beziehung zwischen zwei Männern oder zwei Frauen für die Öffentlichkeit spannender sein soll als die Beziehung zwischen einer Frau und einem Mann. Und ich wollte mein Privatleben privat leben. Als ich die Geschichte aufschrieb, wie ich meine Mutter verlor, gehörte die Geschichte, wie ich meinen Partner kennengelernt habe, ganz selbstverständlich dazu. Als ein Coming-out betrachte ich es nicht. Wer es bis heute nicht gemerkt hat, ist ja auch irgendwie selber Schuld …

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Glauben Sie, dass Ihre inzwischen verstorbenen Eltern einverstanden gewesen wären, dass Sie dieses Buch geschrieben haben?

Marco Schreyl: Ich glaube, sie wären einverstanden gewesen. Ich habe die Verantwortung für die Entscheidung übernommen, so wie sie viele Jahre für mich entschieden und Verantwortung übernommen haben. Das Buch ist auch ein Dankeschön an sie – ein Dankeschön, wie ich es ihnen auch am Kaffeetisch gesagt hätte.

Marco Schreyl: Vom Bob-Bremser bei Andre Lange zum gefragten Moderator

Marco Schreyl (geboren am 1. Januar 1974 in Erfurt, aufgewachsen in Apolda) machte sein Abitur, ging zur Bundeswehr und studierte in Jena Sport, Erziehungs- und Sprechwissenschaften. Er ist aktiver Sportler, war als Bobfahrer 1993 als Bremser bei den ersten Fahrten des späteren Olympiasiegers André Lange mit dabei. Mitglied der Bundeswehr-Sportfördergruppe Oberhof.

1997 wurde er Nachrichtensprecher beim MDR, später auch Sportreporter. 2000 moderierter er im ZDF „hallo deutschland“ und „Der große Preis“. Von 2005 bis 2012 bei RTL als Moderator für „Deutschland sucht den Superstar“ zu sehen, von 2007 bis 2012 auch bei „Das Supertalent“. Seit 2014 ist er beim WDR. Von März 2022 bis Ende des Jahres moderierte er die RTL-Morgenmagazin-Neuauflagen „Punkt 6“, „Punkt 7“, „Punkt 8“. Er ist Single und lebt in Köln.