Rosamunde PilcherKrise im lauschigen Liebes-Land: ZDF muss Reißleine ziehen

Mia Barlow (Leni Adams) und Jason Carter (Hans Gurbig) beginnen ihre gemeinsam Reise als Konkurrenten, erkennen aber schnell, dass sie sich besser verstehen, als anfangs gedacht.

Schönes Paar, – aber am Horizont des Pilcher-Kosmos' ziehen dunkle Wolken auf. Szene mit Leni Adams und Hans Gurbig aus Folge 166 mit dem Titel „Liebe und andere Schätze“ (2022)

Seit drei Jahrzehnten wird im Cornwall der Rosamunde Pilcher geliebt, gelitten und geschmachtet. Doch nun kommt die große Gefühls-Krise.

von Andrea Kahlmeier  (ak)

Als Rosamunde Pilcher 2004 bekanntgab, dass sie in Rente gehen wolle, verzeichnete die Telefonseelsorge einen Ansturm wie bei der Trennung der „Spice Girls“, heißt es.

Als das ZDF jetzt ausgerechnet im Jubiläumsjahr ankündigte, dass künftig nur noch drei statt vier Cornwall-Romanzen im Jahr gedreht werden, blieb der Aufschrei eher verhalten – vermutlich, weil das treue Stammpublikum lieber scrabbelt als twittert. Hat es sich vielleicht bald ganz ausgepilchert?

Rosamunde Pilcher: Von Fans geliebt, von Kritikern gehasst

Auf dem Höhepunkt des Erfolgs mit durchschnittlich knapp acht Millionen Zuschauern befürchteten Filmkritiker gar eine „Verpilcherisierung der Welt“. Heißt laut Lexikon des Internationalen Films: Die Serie sei überkonstruiert, aufgesetzt, stereotyp, konventionell, anspruchslos, klischeebeladen …

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Mag ja alles stimmen, aber Pilcher-Fans wissen, wenn sie im Jubiläumsjahr am Sonntag (5. März 2023) nach der „Tagesschau“ die Beine hochlegen und das Hirn auf Slow Motion stellen, dass sie in „Liebe ist die beste Therapie“ das sehen werden, was sie in 30 Jahren und 167 ZDF-Folgen in immer ähnlichen Handlungssträngen vorgesetzt bekommen.

Das sind: Malerische Gärten, deutsche Schauspieler, die Engländer in Tweed-Sakkos und Wachsjacken spielen, in Herrenhäusern und gemütlichen Cottages Scones knabbern, ihre Gattinnen liebevoll „Darling“ nennen und manchmal fies betrügen – bis die Schöne schließlich auf Cornwalls Klippen in die Arme eines wahren, aufrichtigen Edelmanns sinkt. Felsen, Brandung, kreischende Möwen, übertönt von schmalziger Filmmusik. Ein inniger Kuss, Klappe. Das war’s mal wieder.

Mag die Welt auch noch so aus den Fugen geraten, hier feiert der Anachronismus nach wie vor Hochkonjunktur. Doch wie lange noch? Das Pilcherpublikum ist laut ZDF im Schnitt (!) 59 Jahre alt, die Quoten sind auf 4,5 Millionen gesunken. Zu wenig, um zu laut jubeln, aber immer noch viel zu viel, um aufzugeben.

Rosamunde Pilcher

Jetzt zieht das ZDF sanft an der Reißleine und verkündete ausgerechnet im Jubiläumsjahr (am 30. Oktober 1993 wurde die erste Folge ausgestrahlt), dass man statt vier in diesem Jahr nur drei Episoden in Auftrag gegeben habe. Denn die Produktionskosten gehen bei dem aufwendigen Dreh in die Millionen – genaue Zahlen nennt der Sender aber nicht.

Aber kann das ZDF mit hippen Formaten auf dem Sendeplatz wirklich punkten bei der Jugend? „Nein“, sagt Medienpsychologe Jo Groebel im Gespräch mit EXPRESS: „Das Motto sollte vielmehr sein: Die Jungen erreichen, ohne die Alten zu verlieren.“

Auf den Streaming-Diensten sei das ZDF da mit innovativen Serien sehr erfolgreich, im analogen TV dürfte es laut Groebel schwer sein. „Sanfte Überlappungen kreativer Produzenten können sicherlich Sinn machen, die aufwendige Produktion verschlankt werden. Und junge, angesagte Schauspieler eingesetzt werden, denn Herz-Schmerz gehört zum Verliebtsein, und solange man die Liebe nicht abschafft, machen auch solch seichte Romanzen für jedes Alter Sinn.“

Rosamunde Pilcher: Schimpfwörter sind tabu

Aber er gibt auch zu bedenken: „Wo Pilcher drauf steht, muss auch Pilcher drin sein.“ Heißt: Die Drehbuch-Autoren dürfen vermutlich auch weiterhin keine Schimpfwörter einbauen, die malerische Küste wird nicht von Toten verunziert, der Whiskey ist die einzige Droge, die konsumiert wird, um sich vom brutalen „Tatort“-Gegenprogramm abzugrenzen.

Ganz im Sinne der Grande Dame, aber früher bescheiden lebenden Rosamunde Pilcher (1924–2019), die mit weltweit 60 Millionen weltweit verkauften Büchern zu einer der erfolgreichsten Autorinnen der Gegenwart gehört. Bücher, die allesamt verfilmt wurden. Und noch viele mehr …

Wie das? Angeblich hat Pilcher viele Inhaltsangaben ihrer Kurzgeschichten in ein kleines schwarzes Büchlein geschrieben, das ihr Nachwuchs gefunden hat. Diese Kladde wird wie ein Schatz gehütet und soll Autorinnen und Autoren zu immer neuen Schmonzetten inspirieren.

Ob in den Notizen eine lesbische Hochzeit und ein schwuler Fußballspieler auftauchten, wie 2019 in zaghaften Filmversuchen, die Storys zu aktualisieren? Wohl kaum. Selbst Harald Schmidts Debüt 2016 als hypochondrischer Lord Hurrleton, der an Eddi Arent in den alten Edgar-Wallace-Filmen erinnerte, war eingefleischten Fans schon ein zu vorwitziger Dorn im Auge. Trotzdem durfte der Moderator mit Hang zu malerischen Drehorten später noch mal ran. Die traumhaften Kulissen, Kost und Logis im Schlosshotel sind auch ein Grund, warum die Produktion nach wie vor keine Probleme hat, namhafte Schauspieler zu gewinnen.

EXPRESS sah die Jubiläumsfolge vorab. Natürlich – wie die meisten – „nur wegen der schönen Landschaftsaufnahmen“. Auch wenn man manchmal nur grinsen kann ob der hanebüchenen Dialoge: Pilcher kann schon die Seele streicheln.

Und mal ehrlich: Gegen klischeebehaftete Streaming-Serien wie „Bridgerton“ oder „Emily in Paris“, die das jugendliche Weltbild viel mehr beeinflussen, ist pilchern doch harmlos – eine brave Märchenstunde.