Mit 70 gibt sich Armin Rohde kampflustiger denn je: Ein Gespräch über den anstehenden runden Geburtstag, über das Alter und die Rolle seines Lebens, über buddhistische Angeberei und die hochpolitische Frage, wie wichtig antifaschistisches Engagement gerade in diesen Zeiten ist.
Armin Rohde wird 70„Altersmilde werde ich wahrscheinlich nicht mehr“

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Mit 70 aktiv wie eh und je: Armin Rohde denkt noch lange nicht an den Ruhestand. (Bild: 2024 Getty Images/Joshua Sammer)
Er ist einer der markantesten Schauspieler des Landes, vielseitig und voller Energie. Kurz vor seinem 70. Geburtstag gehört Armin Rohde längst zum bundesdeutschen Film- und Fernsehinventar. Er spielte proletarische Malocher und abgehängte Arbeitslose, brillierte in 90er-Komödien, Kinderfilmen und auf der Bühne.
Beweisen muss der Sohn einer Arbeiterfamilie aus dem Ruhrpott über drei Jahrzehnte nach dem Durchbruch mit „Kleine Haie“ jedenfalls nichts mehr. Er tut es dennoch, aktuell wieder in seiner Krimireihe „Nachtschicht“ als Kommissar Erichsen, den er seit über 20 Jahren und damit länger als jede andere Figur verkörpert.
Armin Rohde um spitze Kommentare zur Lage der Welt nicht verlegen
Er habe dem TV-Krimi „menschliche Magie“ verliehen, hieß es kürzlich anlässlich eines Ehrenpreises, den er vor allem für seine von Lars Becker auf den Leib geschriebenen Ermittlerfiguren erhielt.
Man mag ergänzen: Dass sich seinetwegen auch Genreverächter zum Krimischauen hinreißen lassen, ist der humanistischen Ader des bodenständigen Zuschauerlieblings ebenso geschuldet wie der gesellschaftlichen Relevanz seiner Krimis - so wie im neuen Fall „Nachtschicht - Der Unfall“ (Montag, 31. März, 20.15 Uhr, ZDF), der Polizeigewalt und die ausweglose Situation Geflüchteter thematisiert.
Zu derlei brisanten Themen sich pointiert zu äußern, überhaupt um spitze Kommentare zur Lage der Welt ist Rohde bekanntlich nicht verlegen. Klartext scheint angesagt, umso mehr in diesen Zeiten. Armut, Ungleichheit, die Angst vor einem Rechtsruck, all das ficht ihn an. Mit 70 scheint Armin Rohde, der sich seit jeher für die Schwachen der Gesellschaft einsetzt, kampflustiger denn je.
Ruhestand und Altersmilde sind seine Sache nicht. Der Jubilar, der sein soziales Engagement ebenso leidenschaftlich angeht wie die Schauspielerei und seine große Liebe Fotografie, gibt sich redegewandt und kritisch wie eh und je. Ein Gespräch über Antifaschismus aus Humanismus und Buddhismus aus Angeberei, über das Alter, die Rolle seines Lebens - und den großen Ehrentag am 4. April.
teleschau: Herr Rohde, wie fühlt sich der anstehende runde Geburtstag für Sie an?
Armin Rohde: Ich kann mir nicht wirklich vorstellen, dass ich schon 70 bin. Ich habe das Gefühl, jemand hat mein Zeitkonto geplündert! Wenn mich jemand fragt, wie lang es noch geht, würde ich antworten: Naja, 40, 45 Jahre sind das bestimmt noch. Dann heißt es aber: Nee, statistisch leider nicht, blöd gelaufen (lacht)...
teleschau: Immerhin gehen Sie ausführlich zur ärztlichen Vorsorge, wie Sie kürzlich verrieten ...
Rohde: Ja, das nehme ich sehr ernst. Ich habe noch so viel vor! Ich möchte noch eine ganze Weile mitmischen. Und ich mische so lange mit, wie ich stehen kann. Vielleicht auch noch im Sitzen und im Liegen.
teleschau: Also kein Ruhestand in Sicht bei Armin Rohde?
Rohde: Ich weiß, wie Ruhestand geschrieben wird, aber das ist auch schon alles.

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Große Leidenschaft Fotografie: Armin Rohde fotografiert gern zurück. (Bild: 2024 Getty Images/Andreas Rentz)
teleschau: In Ihrer Karriere gab es zahlreiche besondere Rolle, den Kommissar Erichsen spielen Sie aber am längsten, seit 2003. Würden Sie sagen, er ist die Rolle Ihres Lebens?
Rohde: Das ist er rein faktisch geworden. Ich spiele ihn seit über 20 Jahren. Und trotz dieser langen Zeit brauche ich bei dieser Rolle in den ersten zwei, drei Tagen etwas Hilfe von der Regie, um wieder reinzukommen. Erichsen spielt sich nicht von alleine. In seiner offensiven Art, ein Bulle ist ein Bulle ist ein Bulle, da braucht es ein paar Hebel und Schräubchen, die gedreht werden müssen. Er ist für mich auch viel schwieriger zu spielen als „Der gute Bulle“. Da brauche ich für die Figur fast keine Regie.
teleschau: Beide Krimireihen drehen Sie mit Lars Becker. Man sagt, seine Drehbücher werden am Set oft weiterentwickelt. Wie sehr prägen Sie beim Dreh Ihren Erichsen mit?
Rohde: Lars Becker ist jemand, der seine Antennen weit draußen hat. Und so kriegt er Sprüche mit, die ich zwischendurch loslasse. Die baut er dann in die Figur ein und damit diese auch um. Lars ist ja Autor und Regisseur gleichzeitig. Und der Autor Lars Becker verhält sich dem Regisseur Lars Becker gegenüber völlig uneitel. Das Gute muss immer dem Besseren weichen. Er würde nie sagen, das habe ich so geschrieben und das möchte ich auch so gespielt haben. Ich glaube, er beobachtet mich viel mehr, als ich das je merken oder wahrhaben wollen würde (lacht).
teleschau: Das heißt, etwas Armin Rohde steckt tatsächlich in Erichsen?
Rohde: Ich habe über 60 Theaterrollen und über 150 Film- und Fernsehrollen gespielt. Unter all meinen Figuren war nicht eine einzige so, wie ich privat bin. Wobei: Ich weiß gar nicht, wie ich privat bin. Mich interessiert nicht, wie ich privat bin (lacht). Dieses ganze „Wer oder wie bin ich?“ - damit beschäftige ich mich nicht. Mich interessiert vielmehr: Wie ist die Welt da draußen?
„Ich kann nicht stolz darauf sein, wo ich geboren wurde“
teleschau: Gerade in Ihren gesellschaftskritischen Krimireihen spiegelt sich dieses Interesse an der Welt, wie zuletzt auch bei Ihrer Auszeichnung mit dem Ehrenpreis beim Fernsehkrimifestival deutlich wurde. Den Preis erhielten Sie unter anderem für Ihre Rolle als Erichsen; Ihr Kollege Johann von Bülow nannte Sie in seiner Laudatio einen „Volksschauspieler“ im besten Sinne. Finden Sie sich da wieder?
Rohde: Er erwähnte auch, dass ich mit dem Begriff wahrscheinlich hadere. Weil ich nicht ganz genau weiß, was damit alles abgedeckt ist. Ich nehme aber an, es ist ein Ehrentitel und eine Auszeichnung (lacht). Im Sinne von: aus dem Volk für das Volk.

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Im neuen „Nachtschicht“-Krimi ermittelt Erichsen (Armin Rohde) mit Kollegin Tülay Yildirim (Idil Üner, links) im Fall der Polizistin Mona Nowak (Rocío Luz), die einen Geflüchteten erschossen hat. (Bild: ZDF/Nik Konietzny)
teleschau: Hadern Sie mit dem Begriff „Volk“?
Rohde: Gegen Volk und Völker habe ich überhaupt nichts einzuwenden. Anders ist es, wenn jemand glaubt, etwas Besseres zu sein - anstatt einfach nur froh zu sein, in einem Land geboren zu sein, in dem man nicht von Krieg, Hunger und Seuchen bedroht ist. Darüber kann man doch einfach nur glücklich sein.
teleschau: Manche sind stolz darauf ...
Rohde: Stolz kann ich sein, wenn ich mit dem Rauchen aufhöre oder 20 Liegestütze schaffe. Aber ich kann nicht stolz darauf sein, wo ich geboren wurde. Und dann schafft es manch rechter Politiker nicht mal, ein Gedicht aus der deutschen Kulturgeschichte aufzusagen. Die arbeiten mit Hohlformeln ohne Ende und haben im Grunde nichts anzubieten.
teleschau: Fruchtet das bei einigen Menschen dennoch, weil sie unzufrieden sind?
Rohde: Ich bin auch mit vielem, was die derzeitige Politik leistet, unzufrieden. Die letzte Koalition hat keine tolle Arbeit geleistet. Unser Sozialsystem ist angeknackst, ebenso unsere Infrastruktur und unser Gesundheitssystem. Baustellen ohne Ende. Und dann reden wir von Migration - ich werd' nicht mehr! Ohne Migration würden wir in einigen Jahren keine Rente mehr auszahlen können. Im Krankenhaus wäre niemand mehr da, der mich pflegt.
teleschau: Einige würden behaupten, man müsse die Rechten in die Debatte mit einbeziehen, abholen, und dadurch angeblich entzaubern ...
Rohde: Ich habe herausgefunden: Mit solchen Leuten zu diskutieren, hat keinen Zweck. Das ist, wie mit einer Taube Schach zu spielen. Die schmeißt alle Figuren um, scheißt aufs Brett und fühlt sich dann als Sieger.

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Armin Rohde ist „Der gute Bulle“: In seiner zweiten gemeinsam mit Regisseur und Autor Lars Becker geschaffenen Krimireihe gibt der gebürtige Ruhrpottler den Berliner Kommissar Fredo Schulz. (Bild: ZDF/ARTE/Nik Konietzny)
teleschau: Warum ist das zwecklos aus Ihrer Sicht?
Rohde: Man kommt da nicht weit. Da kommt dann ein „Ja, aber“ und das nächste Argument ist noch blöder als das davor. Da beendet man die Diskussion am besten nach ein paar Minuten.
„Ich bin angstfreier geworden mit den Jahren“
teleschau: Wie haben Sie den Rechtsruck bei der Bundestagswahl wahrgenommen?
Rohde: Damit war ja zu rechnen, spätestens nach der Rede von Friedrich Merz, der das Original noch übertrumpfen wollte. Im Schauspiel würde man sagen: Da spielt einer breiter, als sein Hemd ist. Das ist Misskalkül, Mangel an Sensibilität, Empathie und letztlich politischer Vernunft.
teleschau: Können Sie sich erklären, warum ein Großteil der Arbeiterschaft AfD gewählt hat?
Rohde: Die AfD musste sich bislang noch nirgendwo bewähren. Und die demokratischen Parteien, mit denen ich in den letzten 30, 40 Jahren aufgewachsen bin, haben an vielen Fronten versagt. Die Brücken und Bahnen sind marode, Alleinerziehende finden keinen Kita-Platz, das Personal im Krankenhaus ist überarbeitet und unterbezahlt - da hat der Applaus in der Pandemie auch nichts genützt. Es hat eine Vernachlässigung stattgefunden, bösartig könnte man auch sagen: Gleichgültigkeit. Und dieses Gefühl - den Regierenden egal zu sein - führt dann dazu, dass manche Leute AfD wählen.
teleschau: Sie haben sich in den letzten Jahren immer wieder deutlich gegen die AfD ausgesprochen und kämpfen seit jeher gegen Faschismus. Was motiviert Sie, immer wieder derart klare Kante zu zeigen?
Rohde: Das ist wahrscheinlich Humanismus. Für mich hat immer nur gezählt: Bist du okay oder nicht? Ob jemand schwul oder bi ist, an Buddha, Jesus, Kakteen oder Krokodile glaubt, ist mir egal. Mich interessiert nicht, wo jemand herkommt oder wie er aussieht. Leute, die das interessiert, haben ja offensichtlich ein Problem damit.

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An der Seite von Ludger Pistor (links) brillierte Armin Rohde als Arbeitsloser Günther in der „Schnitzel“-Reihe. (Bild: ZDF/WDR/Frank Dicks)
teleschau: Spielen für Ihr politisches Engagement auch die Verstrickungen Ihrer Vorfahren im Nationalsozialismus eine Rolle?
Rohde: Einer meiner Großväter war ein Massenmörder unter den Nazis. Der galt unter seinen SS-Kollegen als schießwütig. Ich weiß nicht, wie viele Menschen mein Großvater auf seinem Gewissen hatte. Und ich möchte nicht, dass nochmal ein Enkel irgendeines Menschen sowas sagen muss. Ich war allerdings schon gegen rechte Umtriebe eingestellt, bevor ich von den Untaten dieses Großvaters erfuhr.
teleschau: Könnte man sagen, dass Sie mit 70 kämpferischer denn je sind?
Rohde: Ich würde eher sagen, ich bin angstfreier geworden mit den Jahren. Ich bin schon mit Mord und Totschlag bedroht worden, aus der rechten Szene. Das habe ich bei der Kripo auch zur Anzeige gebracht. Brachte nix, aber ich schwöre Ihnen: Ich bin zwar nur Fernsehkommissar, aber ich hätte es herausgefunden (lacht)!
„Es wird kein Riesenfest“
teleschau: Dass man im Alter milde und entspannter wird, trifft bei Ihnen also weniger zu?
Rohde: Wer bei mir mit Altersmilde rechnet, ist beim Falschen gelandet (lacht). Ich werde zwar in gewisser Hinsicht gelassener. Natürlich weiß ich, dass das Leben divers ist, dass es unterschiedlichste Ansichten gibt. Dass nicht immer alles so gelingt, wie man es sich vornimmt. Aber altersmilde werde ich wahrscheinlich nicht mehr.
teleschau: Könnte gegen die Aufregung über die Übel der Welt nicht auch buddhistische Tiefenentspannung helfen - oder sind Sie Buddhist eher auf dem Papier?
Rohde: Ich bin einst übergetreten, was dazu führte, dass mein buddhistischer Name Karma Geleg Palsang lautet. Bedeutet so viel wie: Der mit seinen Taten glücklich unterwegs ist. Damals war ich in einer Wohngemeinschaft in Wuppertal unterwegs, in der schon alle zum Buddhismus übergetreten waren. Dort war auch ein hoher buddhistischer Mönch - und außerdem ein Mädchen, in das ich total verknallt war. Und ich dachte: Das wäre eine coole Show, mich vor ihr von diesem Lama zum Buddhisten weihen zu lassen. Ich fand den auch sympathisch, er lächelte die ganze Zeit und war tiefenentspannt. Dann warf er eine Handvoll Reis über uns ...
teleschau: ... und schon waren Sie Teil des buddhistischen Glaubens?
Rohde: Es ist ja weniger eine Religion, sondern eher eine Philosophie: Wie gehe ich mit mir und mit der Welt um? Wie gehe ich mit meinen Erwartungen an die Welt und die Menschen um? Aber meine Konvertierung war eher Angeberei, mehr oder weniger ein Showact. Trotzdem stehen in meinem Haus überall Buddha-Figuren! Das ist bei mir aber mehr eine Sympathie-Kundgebung als ein religiöses Bekenntnis oder gelebter Glaube.
teleschau: Ihren 70. Geburtstag werden Sie also ganz weltlich verbringen - vielleicht mit einer großen Party?
Rohde: Ehrlich gesagt, weiß ich das noch nicht. Es wird ein ziemliches Gerappel überall geben. Feiern werde ich jedenfalls nur ganz klein, es wird kein Riesenfest. Wenige Leute, maximal zehn. Vielleicht tauche ich einfach nur ab, verschwinde irgendwo aufs Land oder an die See, und warte, bis es vorbei ist (lacht). (tsch)