„Schwer zu verkraften“ZDF-Doku zeigt das Grauen an der „Ostfront Ukraine“ per Bodycam

Russland schickt fortlaufend neue Truppen an die Ostfront. Zahlenmäßig sind die Ukrainer deutlich unterlegen. (Bild: ZDF/Hoyo Films)

Russland schickt fortlaufend neue Truppen an die Ostfront. Zahlenmäßig sind die Ukrainer deutlich unterlegen. (Bild: ZDF/Hoyo Films)

In der Doku „Der Feind in den Wäldern - Ostfront Ukraine“ zeigt das ZDF das Grauen des russischen Angriffskrieges. Bodycam-Aufnahmen und Interviews vermitteln die dramatische Lage eines ukrainischen Bataillons, das in Unterzahl eine Eisenbahnlinie verteidigt.

Im November 2023 versuchen 99 ukrainische Soldaten, eine Eisenbahnlinie in einem Waldgebiet in der Nähe von Kupjansk an der ukrainischen Ostfront gegen zahlenmäßig klar überlegene russische Angreifer zu verteidigen. Dabei handelt es sich um ein strategisch wichtiges Gebiet. Sollte die Eisenbahnlinie in russische Hände fallen, würde es deren Vorrücken beschleunigen und deren Versorgung erheblich erleichtern.

„Der Feind in den Wäldern“ heißt nun eine ZDF-Dokumentation, die mithilfe von Bodycam-Aufnahmen und Interviews eine selten erlebte Nähe zum Grauen an der Front herstellt. „Ich wünschte, es gäbe eine Pille, die all diese Erinnerungen auslöscht“, sagt ein Soldat. Ein anderer: „Überall Blut und Leichen. Das wird mich mein ganzes Leben lang verfolgen.“ Es sind nur wenige von vielen erschütternden Aussagen der ukrainischen Soldaten. Sie Belegen das Grauen, das der russische Präsident Wladimir Putin mit dem Befehl zum Angriff im Februar 2022 entfacht hat.

Drohnenpilot sieht keinen Grund für Mitleid: „Das ist wie beim Zocken“

Die Soldaten halten in Schützenlöchern die Stellung. Doch schon der Weg dorthin durch das Waldgebiet ist gefährlich. (Bild: ZDF/Hoyo Films)

Die Soldaten halten in Schützenlöchern die Stellung. Doch schon der Weg dorthin durch das Waldgebiet ist gefährlich. (Bild: ZDF/Hoyo Films)

Gleich zu Beginn der ZDF-Doku ist eine ukrainische Einheit zu sehen, die auf dem Weg zu ihren Stellungen von russischen Drohnen erspäht wird. Die Bodycams zeigen ihre panische Flucht durch den Wald. „Das macht einem wirklich Angst. Ich wünsche das niemandem“, schildert einer der Beteiligten im Anschluss.

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„Auf dem Weg durch den Wald siehst du manchmal Hasen oder Rehe. Eigentlich ist es richtig schön hier in der Natur“, erzählt ein ukrainischer Soldat über die Umgebung: „Aber dieser Weg führt zu unseren Stellungen“ - und er ist extrem gefährlich. Die Einsatzkräfte gehen immer in Gruppen los, müssen sich aber aufteilen, für den Fall, dass sie unter Beschuss geraten. Denn sonst könnten alle auf einmal erwischt werden.

Die einzige Frau der Einheit ist Sanitäterin Natalia, die eigentlich Tierärztin ist. (Bild: ZDF/Hoyo Films)

Die einzige Frau der Einheit ist Sanitäterin Natalia, die eigentlich Tierärztin ist. (Bild: ZDF/Hoyo Films)

Auch die ukrainischen Soldaten nutzen Drohnen, um Granaten bei den russischen Stellungen abzuwerfen. „Der bleibt liegen, den hat's erwischt“, kommentiert ein Kamerad nüchtern den Treffer eines „Orks“, wie die Truppe ihre Feinde in Anlehnung an die Fantasy-Reihe „Herr der Ringe“ bezeichnet. „Mich juckt es sofort in den Fingern und ich will mehr, mehr, mehr. Das ist wie beim Zocken“, beschreibt ein Drohnenpilot seine Aufgabe und fügt an: „Warum sollten wir Mitleid mit ihnen haben? Die haben doch auch keines.“

Bei einem Feuergefecht im Wald wird ein ukrainischer Soldat getroffen. Blutüberströmt kann er sich in die Stellung retten und muss verbunden werden. Wie die ZDF-Doku kennzeichnet, sind zahlreiche der interviewten Soldaten heute nicht mehr am Leben. „Manchmal träume ich vom Krieg“, sagt einer der inzwischen Verstorbenen noch. Er ist zum Zeitpunkt der Aufnahmen gerade einmal 19 Jahre alt.

Tierärztin Natalia: „Einige Dinge lassen mich inzwischen völlig kalt“

Mit FPV-Drohnen werden feindliche Soldaten gesucht und getötet. (Bild: ZDF/Hoyo Films)

Mit FPV-Drohnen werden feindliche Soldaten gesucht und getötet. (Bild: ZDF/Hoyo Films)

Natalia ist die einzige Frau des Bataillons. Eigentlich als Tierärztin ausgebildet, kümmert sie sich als Sanitäterin um die Verletzten. „Ich bin stärker geworden. Einige Dinge lassen mich inzwischen völlig kalt“, erzählt die junge Frau über ihren neuen Job.

Auch in den Aufzeichnungen der ZDF-Doku wird ein ukrainischer Soldat tödlich getroffen. „Einen Kameraden zu verlieren, tut unfassbar weh, das ist das Schlimmste. Man hatte sich aneinander gewöhnt, das ist schwer zu verkraften“, erklärt ein Soldat dazu emotional. Auch Ärztin Natalia ist getroffen: „Wir sind eine Familie, das macht mich wahnsinnig traurig. Ich kann nicht begreifen, dass sie tot sind. Manchmal stelle ich mir einfach vor, dass sie nur in eine andere Einheit verlegt wurden, dass sie noch leben, aber anderswo im Einsatz sind.“

Ein verwundeter russischer Soldat, der von seinen Leuten zurückgelassen wurde, ergibt sich und wird von den Ukrainern mitgenommen. „Was macht ihr in unserem Land? Seid ihr komplett irre, oder was? Eine falsche Bewegung und es ist Schluss mit lustig“, wird der Gefangene konfrontiert. Viele Ukrainer hätten sich gefragt, warum nur so wenige Russen aufgeben. Der russische Soldat berichtet, dass sie alle wahnsinnige Angst hätten, weil ihnen erzählt worden sei, sie würden dann von den Ukrainern gefoltert und erschossen werden. Gefesselt in der ukrainischen Stellung raucht der russische Soldat gemeinsam mit seinen Feinden eine Zigarette und tauscht sich mit ihnen über den Krieg aus.

„Es haben schon so viele ihr Leben verloren, das darf nicht umsonst gewesen sein“

Gefangene werden zur Befragung an den Geheimdienst übergeben. „Ich hätte ihn umgebracht, aber ich darf ja nicht. Es ist schwer denjenigen gegenüberzustehen, die deine Leute getötet haben. Für mich sind das keine Menschen, Tiere sind das. Sie sind Teufel“, sagt der Kompaniechef. Aufgeben kommt für die Einheit nicht infrage: „Es wurde schon so viel zerstört, aber ich glaube, wir können das wieder aufbauen. Richtig von Grund auf. Es haben schon so viele ihr Leben verloren, das darf nicht umsonst gewesen sein“, gibt sich ein Soldat optimistisch.

Von den 99 ukrainischen Soldaten, die im November 2023 für sieben Wochen im Wald bei Kupjansk im Einsatz waren, wurden 66 schwer verwundet und zehn getötet, wie die ZDF-Doku abschließend protokolliert. Ende 2024 war die Eisenbahnlinie noch immer schwer umkämpft, die in dem Film gezeigte Einheit inzwischen aber an anderen Frontabschnitten aktiv.

„Der Feind in den Wäldern - Ostfront Ukraine“ ist in der ZDF-Mediathek zu sehen sowie am Montag, 17. Februar, um 22.45 Uhr bei ZDFinfo. (tsch)