Der Mord an einem jungen Studenten ließ die Saarbrücker Ermittler Adam Schürk (Daniel Sträßer) und Leo Hölzer (Vladimir Burlakov) in ihrem vierten „Tatort“ tief in die Hooligan-Szene eintauchen. Was hat es mit den im Film erwähnten „Ackermatches“ auf sich?
„Tatort“Brutale Szenen in ARD-Krimi – das hat es mit „Ackermatches“ auf sich
Der Mord an einem Studenten (Nils Bannert) führte die Ermittler Adam Schürk (Daniel Sträßer) und Leo Hölzer (Vladimir Burlakov) in „Tatort: Die Kälte der Erde“ tief in die Hooligan-Szene. Dass ausgerechnet ihre Kollegin Esther Baumann (Brigitte Urhausen) wichtige Kontakte zu den Fußballfans herstellen konnte, darf als wegweisende Entwicklung der bislang recht männerlastigen Saarbrücker „Tatort“-Reihe gewertet werden. Immerhin spielten sie und ihre Kollegin Pia Heinrich (Ines Marie Westernströer) in den ersten drei Filmen eher kleinere Rollen.
Dreh- und Angelpunkt des Mordfalls war ein sogenanntes „Ackermatch“, zu welchem sich die Fußball-Hooligans aus Saarbrücken und dem benachbarten Kaiserlautern verabredet hatten. Wir erklären, was es mit derartigen Treffen auf sich hat und warum sie in Deutschland verboten sind.
„Tatort“: Fall führt Ermittler-Team in Hooligan-Szene
Kurz nach dem Fußball-Derby zwischen den Teams aus Saarbrücken und Kaiserslautern brach Andreas Schneider vor dem Eingang zur Notaufnahme blutüberströmt zusammen. Die Rettungsversuche des diensthabenden Arztes Dr. Friedemann Lech (Till Butterbach) scheiterten. Weil der Tote eine Schädelfraktur und eine Stichverletzung im Bein aufwies, nahm sich die Saarbrücker Kriminalpolizei des Falles an. Die Ermittlungen führten die Polizei ins private Umfeld des Toten, der nicht nur als Hooligan aktiv war, sondern auch privat einige Rechnungen offen hatte.
Worum ging es wirklich?Ein Großteil der Verletzungen, die Andreas Schneider zum Zeitpunkt seines Todes aufwies, waren auf ein sogenanntes „Ackermatch“ zwischen Hooligans aus Saarbrücken und Kaiserslautern zurückzuführen. Monate zuvor war bereits ein anderer Teilnehmer (Tamer Tahan) schwer verletzt worden: Der nun tote Andreas soll ihm ein Auge kaputt geschlagen haben. Das entsprechende Verfahren wurde allerdings eingestellt.
Was ist ein Ackermatch?Ackermatches sind verabredete Kämpfe unter verfeindeten Hooligan-Gruppen. Oft finden sie an abgelegenen Orten, etwa auf Feldern statt. In Deutschland existieren sie seit den 1990ern. In den Anfangsjahren nahmen oft über 50 ausschließlich männliche Kämpfer teil.
Inzwischen bestehen die Parteien oft aus zehn bis maximal zwanzig Mann. Frauenkämpfe sind hauptsächlich aus dem Ausland, insbesondere aus Russland, bekannt. Ziel eines Ackermatches ist es, die gegnerische Gruppe zu verprügeln. Ein Kampf dauert in der Regel ein bis zwei Minuten und endet damit, dass eine Gruppe mehrheitlich am Boden liegt oder freiwillig die Flucht ergreift.
Wer am Boden liegt, darf nach dem Regelwerk der Kämpfe nicht weiter geschlagen werden. Allerdings werden die Regeln nur rudimentär umgesetzt.
Warum sind Ackermatches in Deutschland verboten?Kampfsportarten wie Taekwondo oder Karate existieren in Deutschland nur als Einzeldisziplinen. Legale Formen des Gruppenkampfes kennt die Bundesrepublik hingegen nicht. In einem Präzedenzfall des Jahres 2015 wurden Ackermatches zudem vom Bundesgerichtshof (BGH) kriminalisiert: Ausgangspunkt des Verfahrens war die Verurteilung von fünf mutmaßlich rechtsextremen Mitgliedern einer ehemaligen Hooligangruppe aus Dresden.
2013 wurde die Vereinigung vom Landgericht Dresden als kriminell eingestuft, nachdem sie türkische Gaststätten überfallen und an organisierten Schlägereien mit anderen Hooligans teilgenommen hatten. Die verurteilten Männer, von denen vier eine Haft- und einer eine Geldstrafe erhalten hatten, gingen daraufhin in Revision.
Im abschließenden BGH-Urteil hieß es: „Weil die Gruppierung der Angeklagten gerade auch auf die Ausübung von Tätlichkeiten im Rahmen von Schlägereien ausgerichtet war, bestand ihr Zweck und ihre Tätigkeit daher in der Begehung strafbarer (gefährlicher) Körperverletzungen.“ Dabei machte es, laut Gericht, auch keinen Unterschied, ob die Beteiligten ihre Einwilligung an den zu erwartenden Verletzungen erteilt hatten oder nicht.
Warum ist das Urteil problematisch?Der Rechtsextremismus-Experte Robert Claus hält die grundsätzliche Kriminalisierung von Gruppenkämpfen für problematisch, wie er 2018 in einem Interview mit dem „Tagesspiegel“ erklärte: „Wenn Leute Kampfsport betreiben wollen, sollen sie das tun. Dann aber bestenfalls technisch richtig und ohne dabei Unbeteiligte hineinzuziehen“, argumentiert er: „Durch die Illegalisierung sind die Leute kaum zugänglich für äußere Einflüsse. Wenig Schiedsrichter, kaum Ärzte, keine Verbände, keine Sozialpädagogen. Könnte man mit denen arbeiten, die sich dort prügeln, könnte man versuchen, darauf hinzuwirken, dass die Gewalt den Rahmen der Matches nicht verlässt.“
Überhaupt betrachtet er die mangelnde Gewaltprävention in der Szene als großes Problem: „An jedem Bundesligastandort sind Sozialpädagogen, die mit den Fans arbeiten. In den Kampfsportställen, wo Hooligans viel Zeit verbringen, gibt es keine.“
Wie geht es mit dem Saarland-„Tatort“ weiter?9,15 Millionen Menschen sahen „Tatort: Das Herz der Schlange“, den vorangegangenen Fall der Saarbrücker Kommissare, im Januar 2022. Mit einem Marktanteil von 27,1 Prozent sicherte sich der Krimi so den Tagessieg. Zuvor erreichten auch der „Tatort: Herr des Waldes“ mit 9,25 Millionen Zuschauerinnen und Zuschauern (Marktanteil: 26,3 Prozent) im April 2021 sowie „Tatort: Das fleißige Lieschen“ mit 10,44 Millionen Zuschauerinnen und Zuschauern (Marktanteil: 27,5 Prozent) im April 2020 gute Quoten.
Mit dem fünften Fall der Kommissare Adam Schürk, Leo Hölzer, Esther Baumann und Pia Heinrich ist erst Anfang 2024 zu rechnen. Auch wenn bislang nichts über die Handlung bekannt ist, werden die beiden Kommissarinnen darin sicher auch wieder größere Rollen spielen, als es noch im ersten der bislang vier Fälle der Fall war. (tsch)