„Unschönes Beispiel“Die-Toten-Hosen-Frontmann Campino teilt bei Lanz mit deutlichen Worten aus

In Deutschland prangern mittlerweile viele Menschen an, dass man nicht mehr alles sagen dürfe. Bei „Markus Lanz“ machte Musiker Campino jedoch deutlich, warum dies nicht der Fall ist. Gleichzeitig machte er sich für eine ordentliche Streitkultur stark und kritisierte die aktuelle Regierung.

Spätestens seit der Coronapandemie scheint es, als sei die Debattenkultur in Deutschland so aufgeheizt wie noch nie. Während Parteien wie die AfD und das BSW einen Wahlerfolg nach dem anderen für sich verbuchen können, schlittern etablierte Parteien wie die Grünen oder SPD weiter in den Abgrund.

Markus Lanz wollte deshalb am Mittwochabend (23. Oktober 2024) von seinen Gästen, Musiker Campino und Autorin Juli Zeh, wissen, wie sie die Stimmung im Land wahrnehmen.

Campino bei Markus Lanz: Streitkultur gut und wichtig – aber nur mit „echten Argumenten“

Juli Zeh machte zunächst deutlich, dass sie den Begriff der „enormen Polarisierung“ für irreführend und falsch halte, „weil es Sachen gibt, die man auch dadurch immer weiter verschärft, dass man sie so besingt permanent“.

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Die Autorin fügte mit ernstem Blick hinzu, dass sie sich nicht sicher sei, „was denn eigentlich die Optimalvorstellung ist - also ob wir sozusagen ein Land wollen, in dem alle das Gleiche denken“. Ein Ansatz, den Zeh für absolut falsch halte - vor allem „in so einer Umbruchzeit wie momentan“. Laut der Autorin sei eine Gesellschaft nicht dann gut, „wenn wir alle derselben Meinung sind“. Eine Demokratie sei generell besser, wenn man „eine Form von Kontroverse“ als „Normalzustand“ definiere und dann schaue, „wie wir damit umgehen“.

Eine Meinung, die auch Musiker Campino vertrat. Er erklärte, dass er eine Streitkultur zwar gut und wichtig finde, allerdings nur mit „echten Argumenten“.

Er habe das Gefühl, „dass die etablierten Parteien panisch sind gerade. Jeder will sich so ein bisschen retten und man lässt sich vor sich hertreiben von BSW und AfD. Und das dürfte einfach nicht sein. Man dürfte auf keinen Fall Angst vor diesen beiden Parteien haben“, warnte der Sänger.

Autorin Juli Zeh plädierte dafür, dass „eine Form von Kontroverse“ als Normalzustand einer Gesellschaft definiert werden müsse. (Bild: ZDF / Markus Hertrich)

Autorin Juli Zeh plädierte dafür, dass „eine Form von Kontroverse“ als Normalzustand einer Gesellschaft definiert werden müsse. (Bild: ZDF / Markus Hertrich)

Wie Campino weiter erklärte, sei eine „Panik vor der AfD oder vor dem BSW“ vor allem deshalb „nicht angebracht“, weil „diese Leute“ sich „von selber blamieren, wenn sie mehr leisten müssen. An der Seite stehen und hinpinkeln, wenn andere Leute versuchen, was hinzukriegen, das ist das Leichteste“.

Der Musiker forderte daher die Ampelparteien konkret dazu auf, „ruhig zu bleiben“ und „nicht immer wieder an den nächsten Wahltermin“ zu denken und zu „versuchen, sich als Partei in einer Koalition zu profilieren“.

Campino gibt zu: Wucht eines Shitstorms kann „einen ganz schön aus den Schuhen heben“

„Das vermisse ich so und das muss geändert werden“, fügte Campino hinzu. Er vermisse die frühere Einfachheit: „So wie die Konstellation gerade ist, wird es immer wieder darauf hinauslaufen, dass wir mindestens drei Parteien brauchen, die sich zusammenraufen. Und das Beispiel jetzt gerade ist ein sehr unschönes“, so der Sänger ehrlich.

In dem Zusammenhang wollte Lanz wissen, inwiefern die Angst vor einem dritten Weltkrieg gerechtfertigt sei. Darauf konterte Campino: „Ängste gab's immer - die Frage ist eigentlich: Wie weit wollen wir uns von unseren Ängsten bestimmen lassen?“

Laut des Musikers müsse man auch in den dunkelsten Zeiten „eine Zuversicht“ behalten und nach vorne blicken. Ein Ansatz, auf den Lanz nachdenklich reagierte: „Diese Zuversicht ist uns tatsächlich sehr abhandengekommen.“

Bei „Markus Lanz“ erläuterten Campino (rechts) und Juli Zeh am Mittwochabend, warum sie mit Blick auf Deutschland immer noch Zuversicht haben. (Bild: ZDF / Markus Hertrich)

Bei „Markus Lanz“ erläuterten Campino (rechts) und Juli Zeh am Mittwochabend, warum sie mit Blick auf Deutschland immer noch Zuversicht haben. (Bild: ZDF / Markus Hertrich)

Stattdessen komme es heutzutage schnell zu Shitstorms und öffentlichen Anprangerungen. Campino nickte und sagte in Bezug auf die vielen Anfeindungen, die er aufgrund seiner politischen Meinungsäußerungen bereits aushalten musste: „Mein Name triggert einfach gewisse Leute“, so der Sänger. „Es ist völlig wurscht, was ich hier sage. Alles, was ich hier sage, kann gegen mich verwendet werden (...) und deshalb kann ich mich aber auch gleichzeitig frei machen, weil es mir eh scheißegal ist, was die Leute da denken.“

Der Tote-Hosen-Frontmann gab dennoch zu: „Wenn man noch nie einen Shitstorm erlebt hat, dann kann die Wucht einen ganz schön aus den Schuhen heben!“

Campino: „Mir gefällt der Gedanke eines Pflichtjahres für alle in jedweder Form“

Grund genug für Lanz, näher auf den scheinbar verengten Debattenraum in Deutschland einzugehen. „Wie erlebt ihr das“, wollte der Moderator wissen. Campino antwortete prompt: „Sprache lebt. Sprache lebt auch davon, dass sie sich ständig ändert.“ Juli Zeh schwärmte zwar auch von der Freiheit, die sie als Schriftstellerin genieße.

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Dennoch habe sie selbst in der Coronazeit erlebt, wie „freie Meinungsäußerung“ plötzlich zum Problem wird und „unsachlich reagiert wird auf Sichtweisen, die eigentlich für sich genommen nicht problematisch sind“. „Und das ist dann ja schon eine Verengung des Debattenraums“, so Zeh ernst.

Sänger Campino ließ sich am Ende der Sendung dennoch zu einer steilen These verleiten und sagte lachend: „Jetzt gibt's wahrscheinlich wieder einen Shitstorm.“ Der Musiker erklärte: „Mir gefällt der Gedanke eines Pflichtjahres für alle in jedweder Form - Sozialdienste und so weiter.“ Campino fügte hinzu, dass er selbst im Zivildienst in der psychiatrischen Klinik das Gefühl gehabt habe, „dass man irgendwie einen positiven Beitrag bringt“. Deshalb machte er sich bei „Markus Lanz“ für ein Pflichtjahr „auch für Frauen“ stark, „weil das irgendwo auch vom eigenen Schicksal mal ein bisschen ablenkt“. (tsch)