ZDF-„Klartext“Weidel gerät in Erklärungsnot, da greift sie das Publikum an: „Regen Sie sich nicht so auf!“

Im ZDF stellen sich Olaf Scholz, Robert Habeck, Alice Weidel und Friedrich Merz nacheinander in der Sendung „Klartext“ den Fragen von Bürgerinnen und Bürgern. Weidel erntet mehrfach Gelächter aus dem Publikum. Ihre Fragesteller konfrontiert sie teils mit Vorwürfen.

Als AfD-Chefin Alice Weidel das „Klartext“-Wahlforum in der Fernsehwerft in Berlin betritt, kommt es zu einem skurrilen Moment - und dem folgen an diesem Donnerstagabend noch so einige. Vor Weidel war der Grünen-Kanzlerkandidat Robert Habeck an der Reihe, die beiden geben sich zwar die Hand, erklären aber, dass sie ansonsten nicht viel miteinander zu tun hätten.

Alles daran wirkt gezwungen, schon das Zuschauen ist unangenehm. Als es dann zu einem kleinen Austausch über eine mögliche Koalition kommt, sagt Habeck, dass er diese ausschließe und betont, dass es keine Zusammenarbeit mit rechtsextremen Kräften geben dürfe. „Das ist ein sonderbares Verständnis von Demokratie“, entgegnet eine fröhlich lachende Weidel.

Bei „Klartext“ haben die drei Kanzlerkandidaten und die Kanzlerkandidatin, die aber auch an diesem Abend betont, dass sie selbst nicht gendert, jeweils eine halbe Stunde Zeit, Fragen aus dem Publikum zu beantworten. Die 120 Zuschauerinnen und Zuschauer der Live-Sendung konnten sich zuvor bewerben oder haben bereits an anderen Formaten des Senders teilgenommen. Das im Studio anwesende Wahlvolk wurde laut Moderatorin Bettina Schausten und Moderator Christian Sievers so ausgewählt, dass alle politischen Richtungen, viele Regionen und alle Altersklassen vertreten sind.

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Weidel lobt Altenpflegerin für „ihr gutes Deutsch“

Einer von ihnen ist der Potsdamer Unternehmer Christoph Miethke. Er erzählt, dass seine ausländischen Mitarbeitenden, die aus insgesamt 27 Ländern kommen, Angst vor Fremdenfeindlichkeit hätten. Doch bevor Weidel antwortet, will sie erst einmal wissen, welche Produkte die Firma herstelle. Als sie erfährt, dass es um medizintechnologische Produkte geht, sagt sie, es ginge nicht darum, „irgendjemanden zu diskriminieren“. „Sie können ihren Mitarbeitern sagen: Sie haben überhaupt gar nichts zu befürchten, weil es uns darum geht, dass dieser Staat Recht und Gesetz in der Flüchtlings- und Migrationsfrage umsetzt“, so ihre Antwort. „Das heißt: Die Unterbindung von illegaler Migration.“

Richtig unangenehm wird es, als eine Altenpflegerin aus Georgien, deren Asylantrag abgelehnt wurde, wissen will, ob sie in Deutschland bleiben könne. Denn da sagt die AfD-Politikerin: „Nach zwei Jahren sprechen Sie so gut Deutsch, wow!“ Qualifizierte Einwanderer seien herzlich willkommen. Der Chef der Pflegekraft lässt sich davon nicht einlullen. Mit Blick auf das Wahlprogramm der Partei und die darin (nicht) enthaltenen Punkte zur Pflegepolitik sagt der: „Mir reichen Ihre Antworten nicht.“

Das fasst Weidel sichtlich an, sie wettert: „Ich habe den Eindruck, dass Sie mir nicht zugehört haben und unser Wahlprogramm nicht gelesen haben. Zudem habe ich den Eindruck, dass Sie Ihre Rede auswendig gelernt haben.“ Im Studio bricht erneut Gelächter aus. Weidel: „Schon lustig hier.“

Weidel wettert gegen ZDF-Publikum

Und dann ist da noch Bürgerwindparkbetreiber und CDU-Mitglied Wolfgang Stapelfeldt. Der konfrontiert Weidel mit ihrer Aussage, dass sie alle Windkraftanlagen „niederreißen“ wolle. Die AfD-Chefin entgegnet, sie wolle nicht, dass einzelne Energieformen einseitig subventioniert werden. Zudem macht die Politikerin deutlich, dass sie die Subventionspolitik für die erneuerbaren Energien beenden will und fordert eine „Effizienzanalyse“. Erneut wird es im Publikum unruhig, da wettert Weidel: „Regen Sie sich nicht so auf!“

Begonnen hatte die Sendung mit Fragen an den Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). Der wurde gleich zu Beginn der Sendung von einer Frau aus Solingen nach der „moralischen Mitschuld“ an Anschlägen der jüngsten Vergangenheit befragt.

Seine Antwort geht jedoch nicht über Allgemeinplätze wie: „Wir müssen Innere Sicherheit mit größter Priorität behandeln“ hinaus. Wie bislang auch wird er nicht müde zu betonen, was er in seiner Regierungszeit alles richtig gemacht habe und bleibt gewohnt ruhig und sachlich. Obwohl ein Zuschauer von den Fernsehkameras gezeigt wird, der dabei ist einzuschlafen, ist sich Scholz am Ende sicher: „Ich spiele auf Sieg, ich will gewinnen.“

Habeck zeigt sich nahbar, Merz versucht sich daran

Habeck, der auf Scholz folgt, gibt sich nahbarer, lockerer und geht auch räumlich mit vollem Körpereinsatz auf die Fragestellenden zu, geht in den Dialog mit ihnen und stellt Nachfragen. Beim Live-Publikum im Studio fruchtet das. Den ersten Applaus des Abends bekommt der Grünen-Kandidat, als er versucht, den potenziellen Nicht-Wähler Bernd Blanke aus Magdeburg von der Wichtigkeit demokratischer Wahlen zu überzeugen.

Auch inhaltlich ist er konkreter. Als er einem Unternehmer gegenüber zudem Fehler bei E-Auto-Prämien zugibt, sagt dieser: „Es ist wirklich positiv, dass Sie Fehler zugeben, das rechne ich Ihnen hoch an.“ Und auch das Publikum quittiert das mit Applaus. Habeck verlässt das Studio schließlich mit den Worten: „Wählen gehen.“

Der letzte in der Runde, Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz, übernimmt den Staffelstab von Alice Weidel. In Sachen Koalition sagt er zu ihr: „Wir haben eine Entscheidung getroffen, mit Ihnen nicht.“ Nicht so klar ist er hingegen im Gespräch mit Wärmepumpen-Unternehmer Jan Ossenbrink. Der gibt sich nämlich mit den Antworten von Merz, die eigentlich nur ein verstecktes Treten in Richtung Grün sind, nicht zufrieden und hat sichtlich Spaß daran, den Ball immer wieder an den Kanzlerkandidaten zurückzuspielen. Inhaltlich kann Merz hier nicht punkten und präsentiert einen Allgemeinplatz statt einer Lösung: „Der Staat sollte keine Technologien vorgeben.“

Ein bisschen menschelt es am Ende dann noch. Zuschauerin Christiane Jäger blickt sorgenvoll in die Ukraine und zeigt sich besorgt ob eines Krieges vor der eigenen Haustüre. Da sagt Merz: „Mit dieser Frage gehe ich abends lange nicht schlafen.“ (tsch)