Steffen Tigges spricht im EXPRESS.de-Interview über sein erstes Halbjahr beim 1. FC Köln, seine Ziele in der Rückrunde und den Transfer von Davie Selke.
„Nie richtig gelernt“ FC-Riese Tigges freut sich auf Konkurrenzkampf – und legt Kopfball-Beichte ab
Steffen Tigges (24) trat beim 1. FC Köln im vergangenen Sommer das schwere Sturm-Erbe von Anthony Modeste (34) an. Der 1,93-Meter-Schlaks musste zunächst noch eine alte BVB-Verletzung auskurieren, wurde dann von Steffen Baumgart (51) ohne echte Vorbereitung ins kalte Bundesliga-Wasser geworfen.
Es folgten vier Tore gegen seine Ex-Trainer, das Abenteuer Conference League – und nun neue Sturm-Konkurrenz! Wie Tigges seine ersten Monate in Köln erlebt hat, was er sich für die Rückrunde vornimmt und wie er über Davie Selke (27) denkt, hat er im Interview mit EXPRESS.de verraten.
Steffen Tigges: „Wir sind alle heiß drauf“
Steffen Tigges, am Samstag geht's gegen Bremen endlich wieder los. Mit was für einem Gefühl starten Sie in die zweite Saisonhälfte?Steffen Tigges: In erster Linie mit Vorfreude. Ich würde sagen, dass wir durch die lange Zeit ohne Fußball und ohne Pflichtspiele alle heiß drauf sind, dass es wieder losgeht. Wir haben viel gemacht und sehr viel aufgearbeitet, was wir in der Hinrunde nicht gut gemacht haben. Wir haben auch noch mal an Fitness und Spritzigkeit gearbeitet. Und natürlich ist es von Vorteil, dass wir nur noch wenige englische Wochen haben.
Wenn Sie den aktuellen Zustand mit dem Herbst vergleichen: Wie macht sich die zurückgewonnene Frische bemerkbar?Tigges: Man merkt einfach, dass wir sehr klar sind in den Entscheidungen, im Training genauso wie in den Testspielen. Wir sind auch sehr klar in unseren Abläufen, auch wenn es intensiver wird. In den Wochen vor der Pause hat man dann schon gemerkt, dass wir oft hektisch geworden sind. Wir waren vielleicht ein bisschen überspielt und haben deshalb mehr Fehler gemacht, die wir sonst nicht machen würden. Das hat uns dann am Ende wahrscheinlich auch ein paar Punkte gekostet.
Sie haben sich im November einem kleinen Eingriff an der Nase (Anm. d. Red.: Nasen-Schiefstand korrigiert) unterzogen. Merken Sie schon Verbesserungen?Tigges: Durch die Nase bekomme ich jetzt viel mehr Luft. Ich war vorher schneller außer Puste – nicht weil ich kaputt war, sondern weil ich meist nur Luft durch den Mund bekommen habe. Das war schon extrem. Ich wollte den Eingriff schon zu BVB-Zeiten machen lassen, aber da war nie der richtige Zeitpunkt. In der langen Pause hat es jetzt gut gepasst. Ich war nach einer Woche auch schon wieder voll belastbar.
Steffen Tigges: „Ich musste direkt bei 100 Prozent sein“
Wie gut tat Ihnen persönlich die Vorbereitung? Steffen Baumgart hat noch einmal darauf hingewiesen, dass Sie im Sommer durch die Reha praktisch keine hatten.Tigges: Im Spätsommer bin ich ohne Vorbereitung reingekommen, musste direkt bei 100 Prozent sein. Da hat man hintenraus gemerkt, dass die Spritzigkeit fehlt, was gerade als Stürmer im Sechzehner essenziell ist. Man braucht manchmal nur zwei Schritte, um sich vom Gegner entscheidend abzusetzen. Wenn es dann schwerfällt, weil Beine und Kopf müde sind, kommt man nicht mehr in diese Situationen oder ist, wenn man die Situationen hat, nicht so klar, dass man diese Chancen nutzt. Es tut mir gut, dass ich jetzt eine volle Vorbereitung hatte. In den Aktionen im und vor dem Sechzehner merke ich, dass ich besser im Spiel bin.
Ein Kritikpunkt bei Ihnen war, dass Sie noch zu oft auf die Außen ausweichen. Müssen Sie Ihren Platz im Zentrum gedanklich erst noch komplett verinnerlichen, weil Sie früher oft auf der Außenbahn gespielt haben?Tigges: Grundsätzlich kommt es eher davon, dass ich erstens am Spiel teilnehmen will und zweitens nicht nur im Sechzehner meine Aktionen suche, sondern auch außerhalb. Wenn dann Platz auf den Außen frei ist und wir mit zwei Stürmern spielen, ist es grundsätzlich auch möglich, auf die Flügel auszuweichen, um Laufwege oder Räume zu ziehen und in die Tiefe zu kommen. Ich muss noch besser abschätzen, wann es sinnvoll ist.
Steffen Tigges: „Meine Größe ist außen verschwendet“
In welchen Situationen können Sie auch auf der Außenbahn wertvoll sein?Tigges: Wenn etwa der Linksverteidiger außen an der Mittellinie den Ball hat und keiner ist Linksaußen, dann gehe ich auch mal in die Tiefe. Da ist es durchaus sinnvoll, aber es stimmt schon: Am Ende bin ich dafür da, in der Box präsent zu sein und Tore zu machen. Von außen denkt man daher vielleicht ab und zu: „Bleib doch in der Mitte.“ Aber ich mache das ja nicht ohne Hintergedanken. Wir besprechen mit dem Trainerteam genau, wie wir das machen. Gerade, wenn wir wie jetzt mit zwei großen Stürmern spielen. Wenn dann einer nach außen zieht, ist noch immer einer in der Mitte. Das entscheiden wir situationsabhängig.
Wie kommt es, dass Sie trotz Ihrer stattlichen Größe anfangs noch als Linksverteidiger und Linksaußen gespielt haben? Tigges: Früher war ich ein bisschen schlaksiger, erst in den vergangenen Jahren habe ich an Masse zugelegt. In der Jugend habe ich viel außen gespielt, in Osnabrück hatten wir dann Not am Mann, sodass ich in der Vierer- und Fünferkette links ausgeholfen habe. Das hat sich über eine Saison so hingezogen. Aber am Ende war immer klar, dass meine Größe außen verschwendet ist und es in der Mitte deutlich besser funktioniert.Anzeige: Jetzt Gutschein für den Fanshop des 1. FC Köln gleich hier im EXPRESS-Gutscheinportal sichern!
Wie zufrieden sind Sie bisher mit Ihrer ersten Saison in Köln?Tigges: Grundsätzlich bin ich mit den Spielanteilen sehr zufrieden, bei der Spielweise sind es gemischte Gefühle: Es waren gute und auch weniger gute Spiele dabei. Ich bin ganz gut in die Mannschaft reingekommen, habe mich gut integriert, das freut mich auf jeden Fall. Ich glaube, dass das Jahr in Dortmund, wo ich fest bei den Profis war, aber bei der U23 spielen sollte, etwas täuscht. Es hatten sich viele Spieler verletzt, wodurch ich in der Bundesliga häufig auf der Bank gesessen habe. Ich bin dann mal reingekommen (neun Joker-Einsätze über insgesamt rund 100 Bundesliga-Minuten, Anm. d. Red.), aber ich hatte nicht regelmäßig Spielpraxis auf diesem Niveau. Deshalb muss ich mich noch mehr an die Bundesliga gewöhnen und bin mit der Entwicklung grundsätzlich zufrieden. Es gibt aber noch viele Felder, an denen ich arbeiten muss.
Ihre bisherigen vier FC-Treffer haben sie allesamt gegen Ex-Trainer erzielt. Sie waren gegen Lucien Favre, Edin Terzic und Enrico Maaßen erfolgreich. Unter Werder-Trainer Ole Werner, gegen den es am Wochenende geht, haben Sie nicht zufällig auch mal gespielt?Tigges: Leider nicht, aber es wäre ja möglich, so eine Statistik auch mal zu durchbrechen (lacht).
Steffen Tigges über Davie Selke: „Kann mir im Sechzehner einiges von ihm abschauen“
Was sind Ihre persönlichen Ziele für die zweite Saisonhälfte?Tigges: Meine Leistungen zu steigern, um konstanter zu werden. In Sachen Spielzeit wäre ich sehr zufrieden, wenn es ähnlich viele Minuten werden, da wieder fast alle Spieler und damit auch mehr Stürmer dabei sind. Ich wünsche mir noch mehr Torbeteiligungen, mehr Aktionen im Strafraum. Im Spiel mehr Abschlüsse zu haben und daraus auch mehr Tore zu erzielen. Wenn ich mich in den Abläufen verbessere, wird mir es auch leichter fallen, meine Stärken abzurufen. Dann werden automatisch mehr Tore dazukommen.
Mit Davie Selke haben Sie im Winter einen neuen Konkurrenten bzw. Partner bekommen. Was bedeutet das für Sie?Tigges: Es ist ein Ansporn für mich, dass er da ist. Ich muss meine Leistungen bringen, weil ich sonst nicht spiele – ganz einfach. Ich muss dem Trainer immer wieder zeigen, dass er auf mich setzen kann. Davie ist ein super Typ, wir verstehen uns gut und versuchen uns auf dem Platz zu helfen. Er bringt Erfahrung und Qualität mit. Ich kann mir im Sechzehner einiges von ihm abschauen. Wir als Mannschaft werden in der Rückrunde von ihm profitieren.Nehmen Sie hier an der EXPRESS.de-Umfrage teil:
Haben Sie durch die Verpflichtung das Gefühl, dass man den bisherigen Stürmern nicht genug zutraut?Tigges: Nein, ich kann nachvollziehen, dass noch ein Stürmer geholt wurde. Es ist eine Entscheidung für die Mannschaft und nicht gegen uns Stürmer. Ich spüre hier das Vertrauen der Verantwortlichen.
Passen Sie beide als Spieler-Typen zusammen? Könnten Sie sich eine Doppel-Spitze mit ihm vorstellen?Tigges: Auf jeden Fall. Wir haben beide eine gewisse Präsenz im Strafraum, die dem jeweils anderen Räume verschaffen kann. Bei den vielen Flanken, die wir schlagen, kann das von Vorteil sein, zwei Abnehmer in der Mitte zu haben. Ich denke, wir ergänzen uns gut. Wir arbeiten beide sehr viel für die Mannschaft und ihm ist genau wie mir kein Weg zu schade.
Steffen Tigges: „Ich glaube nicht, dass wir zittern müssen“
Sie kamen im Sommer als langfristiger Nachfolger von Anthony Modeste. Dann war Modeste weg und Sie mussten direkt ran. Haben Sie dadurch mehr Druck gespürt?Tigges: Ich hatte den Vorteil, dass ich direkt reingeschmissen wurde. Ich habe viel Spielzeit bekommen und von Anfang an das Vertrauen gespürt. Da habe ich mir wenig Gedanken um die Erwartungshaltung gemacht. Ich denke, dass ich gezeigt habe, dass ich der Mannschaft helfen kann, wenn ich an mein Leistungs-Optimum komme.
Man sieht Sie aktuell häufig am Kopfball-Pendel. Wie wichtig ist die Arbeit daran?Tigges: Für mich ist sie sehr wichtig, weil ich mein Kopfball-Spiel verbessern muss. Da ich in der Jugend und in Osnabrück viel außen gespielt habe, ist das Kopfball-Spiel zu kurz gekommen. Ich finde auch, dass das Thema in der Jugend vernachlässigt wird, weil vor allem Wert darauf gelegt wird, möglichst flach zu spielen. Es gibt daher in meinen Augen viele Spieler in meinem Alter, die Probleme mit dem Kopfball-Spiel haben, weil sie es nie richtig gelernt haben. Von daher kann mir das nur helfen, so oft wie möglich zu üben...
Zum Schluss ein Ausblick auf die kommenden Monate: Haben Sie Sorge, dass der FC noch mal ganz unten reinrutschen könnte?Tigges: Ich glaube nicht, dass wir zittern müssen. In den letzten Spielen haben wir zwar definitiv zu wenig Punkte geholt, aber die Leistungen geben uns nicht zu denken. Deshalb mache ich mir keine Sorgen, dass wir lange auf unseren ersten Sieg warten müssen. Wenn wir wie in den Testspielen auftreten, können wir dem Spiel gegen Bremen vor heimischer Kulisse unseren Stempel aufdrücken. Ich schaue gar nicht nach unten. Wir wollen schnell viele Punkte holen, um uns in Richtung einstelliger Tabellenplatz orientieren zu können. Es ist alles so dicht beieinander. Wir haben als 13. zwar nur drei Punkte Vorsprung auf den Relegationsrang, aber auch nur sechs Punkte auf Rang sieben. Da ist noch alles möglich. Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir eine gute Rolle spielen werden.