Der wilde Baumgart, Kölns Trumpf im AbstiegskampfEntdecker erinnert sich: „Bin ihm hinterhergerannt“

Hansa Rostock: Steffen Baumgart als Stürmer in Aktion.

Steffen Baumgart im Oktober 1995 im Trikot von Hansa Rostock beim Spiel beim KFC Uerdingen

Steffen Baumgart in seiner wohl schwierigsten Phase als Trainer. Beim 1. FC Köln muss er im Abstiegskampf bestehen. Sein Entdecker ist sicher, dass er das packt.

von Uwe Bödeker  (ubo)

Wieso ist Steffen Baumgart (51) eigentlich im Profi-Fußball gelandet? Es liegt an einem Mann: Frank Pagelsdorf (65).

1991 spielte Baumgart als Stürmer nach dem Mauerfall bei Dynamo Schwerin, seine Fußball-Karriere stagnierte. Baumgart erinnerte sich im Gespräch mit der „Ostseezeitung“: „Mit der Wende war bei mir eigentlich alles vorbei. Ich bin nach Aurich gegangen, wurde Kfz-Mechaniker und habe drei Jahre in der Oberliga gespielt. Da hat niemand mehr an Profi-Fußball gedacht. Außer mir selbst. Und wenn Frank Pagelsdorf mich damals nicht nach Rostock geholt hätte, wäre ich heute wahrscheinlich Autoverkäufer in Ostfriesland und niemand würde mich kennen.“

Frank Pagelsdorf spricht über seine Entdeckung Steffen Baumgart

Vergangene Woche hatte Baumgart als Trainer beim 1. FC Köln eine Debatte angeschoben, in der reichlich Brisanz ist: „Wenn kein Geld da ist, dann muss welches besorgt werden. Das sage ich mal ganz deutlich.“ Es könne nicht sein, dass der FC ständig Leistungsträger abgeben müsse. In einer Stadt wie Köln müsse einfach mehr möglich sein. Baumgart-Klartext – wie immer! Sein Entdecker weiß, wie Baumgart tickt und springt ihm zur Seite.

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EXPRESS.de erreichte Baumgarts ersten Profi-Trainer Pagelsdorf. Der ehemalige Star-Trainer genießt aktuell (Anfang Dezember 2023) einen Sonnen-Urlaub in Florida.

Zu Baumgarts Anfängen im Profi-Fußball hat er gleich eine schöne Anekdote parat: „Als ich ihn nach Rostock geholt habe, musste ich ihn überreden. Er hatte schon eine Zusage bei Union Berlin gegeben, wo ich zuvor Trainer war. Als ich dann zu Hansa Rostock ging, habe ich ihn gefragt, ob er auch mit dorthin wolle. Er hat ja gesagt und es war die richtige Entscheidung.“

Bei Hansa war man froh, in der 2. Bundesliga einen Spieler wie Baumgart zu haben, wie Pagelsdorf betont: „Er hatte außergewöhnliches Talent und war extrem schnell. Da wir im Abstiegskampf eher auf Konter setzten, hatten wir mit ihm eine richtige Waffe. Und er war schon immer menschlich ein totaler Profi.“ Mit dem man sich auch zoffen konnte.

Pagelsdorf muss schmunzeln, als er an eine Szene denkt: „Ein Spieler von uns bekam die Rote Karte, da musste ich umstellen und einen Stürmer rausnehmen. Das war Steffen Baumgart. Er war dann so wütend und so sauer, dass er sofort in die Kabine gerannt ist. Mich hat das derart mitgenommen und beschäftigt, dass ich ihm noch während des Spiels bis in die Kabine hinterhergerannt bin. Dort habe ich ihm dann meine taktischen Pläne erklärt.“

Frank Pagelsdorf lächelt in die Kamera.

Ex-Star-Trainer Frank Pagelsdorf (hier im Jahr 2017) hat Steffen Baumgart entdeckt.

Pagelsdorf und Baumgart – die Trainer-Legende (hat auch den Hamburger SV gecoacht) verlor seinen ehemaligen Schützling nie aus den Augen. Auch nicht als dieser ebenfalls Trainer wurde. „Logisch verfolge ich weiterhin seine Spiele. Ich fand es damals gut, dass er seine Trainer-Karriere bei einem kleinen Verein begonnen hatte. Er ist mit Leib und Seele Trainer und das hat er bis heute beibehalten“, sagt Pagelsdorf.

Baumgart begann als Co-Trainer 2008 bei Germania Schöneiche in der Nähe von Berlin. Für Pagelsdorf hat der 1. FC Köln nun Glück, einen solchen Trainer zu haben – auch wenn es in dieser Saison schwer ist.

„Baumgart macht das gut, auch im Abstiegskampf, weil er sich nicht von seinem Weg abbringen lässt. Wenn die Kölner im Winter ein oder zwei Spieler dazu bekommen, dann halten sie die Klasse. Die Substanz ist da, das ist ganz klar.“ Pagelsdorf springt Baumgart zur Seite: Es wäre gut, wenn der Kölner Kader verstärkt werden könnte.

Er macht auch klar, dass Baumgart das Beste aus den vorhandenen Spielern rausholt: „Es ist immer wichtig zu sehen, wie eine Mannschaft, die in Schwierigkeiten kommt, weiter Fußball spielt und sich als Einheit präsentiert. Und diese Geschlossenheit ist bisher in jedem Spiel da gewesen – die FC-Mannschaft bröckelt nicht auseinander. Deshalb bin ich auch sicher, dass sie den Klassenerhalt zu 100 Prozent schaffen. Da bin ich felsenfest von überzeugt. Es gibt noch ein paar Mannschaften, die größere Probleme haben und hinter dem FC landen werden.“