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Große AnalyseKampf um den 1. FC Köln – aber was ist für den Klub aktuell am besten?

Dr. Christian Keller, Geschäftsführer des 1. FC Köln (l.), und FC-Präsident Dr. Werner Wolf am 10. Januar 2024 beim Mitgliederstammtisch am 10. Januar 2024.

Dr. Christian Keller, Geschäftsführer des 1. FC Köln (l.), und FC-Präsident Dr. Werner Wolf am 10. Januar 2024 beim Mitgliederstammtisch am 10. Januar 2024.

Abstieg, Transfersperre, Pattex-Präsidium, freche Opposition – rund um das Geißbockheim tobt aktuell ein Kampf. Eine Analyse der schwierigen Situation.

von Uwe Bödeker  (ubo)

Nach dem siebten Abstieg fühlt es sich beim Blick auf den 1. FC Köln an, wie bei einem schrecklichen Unfall: Man will nicht hingucken, kann aber auch nicht wegschauen. Der Klub wirkt Ende Mai 2024 zerrissen und geteilt wie lange nicht mehr.

Es herrscht ein regelrechter Kampf um Positionen, Philosophie und Macht. Doch was ist in dieser Situation das beste für den Verein? Eine Analyse nach dem siebten Abstieg der Vereinsgeschichte.

Wie hart trifft die Transfersperre den FC wirklich?

Die Situation: Der 1. FC Köln muss zum siebten Mal in der Klubhistorie den Gang in die 2. Bundesliga antreten. Zudem hat der Verein eine Transfersperre von der Fifa auferlegt bekommen. Erst im Januar 2025 können neue Spieler registriert werden. Jetzt haben viele Fans die Sorge, dass der Verein auch in der 2. Liga durchgereicht wird.

Alles zum Thema 2. Fußball-Bundesliga

Der Kader für die 2. Liga: Trifft die Transfersperre den FC wirklich so hart? Sportlich muss einem eigentlich nicht angst und bange werden, denn der FC kann durchaus ein schlagkräftiges Team auf die Beine stellen. Sechs Leihspieler kehren zurück, einige Leistungsträger sollen gehalten werden. Eine mögliche Startelf: Urbig – Carstensen, Bakatukanda, Heintz, Finkgräfe – Thielmann, Martel, Huseinbasic, Obuz – Uth, Lemperle.

Aktuell laufen intensive Gespräche, wo es um die Zukunft von Torhüter Marvin Schwäbe (29) oder Florian Kainz (31) geht. FC-Vizepräsident Eckhard Sauren (52) sagte gegenüber EXPRESS.de: „Wir werden einen wettbewerbsfähigen Kader in der 2. Liga haben.“ Der Kader-Etat soll bei gut 20 Millionen Euro liegen – in der 2. Liga rangiert der FC damit unter den Top 6. Das Ziel der FC-Bosse lautet: „Schnellstmöglicher Aufstieg“ (Präsident Werner Wolf).

Auch der scheidende Trainer Timo Schultz (46) ist optimistisch: „Ich glaube, dass ein Großteil der Spieler bleibt. Ich habe es schon vor Wochen gesagt und auch täglich immer wieder in der Arbeit mit der Mannschaft gespürt: Das ist eine Einheit – die Spieler waren nie mit den Gedanken schon woanders. Ich glaube, sie wollen helfen, das Schiff wieder flottzumachen.“

Die Finanzen: Ein Abstieg wirft einen Klub natürlich zurück. In der 2. Liga muss der 1. FC Köln einen Umsatzeinbruch von 40 Millionen Euro verkraften. Dennoch wird der FC im Geschäftsjahr ein Plus erwirtschaften, denn die laufenden Kosten werden drastisch reduziert. Der Vorstand betont, dass der Klub wirtschaftlich so gut dasteht, wie lange nicht. In der Winterpause 2025 kann der FC also personell beim Kader massiv aufrüsten.

FC-Vorstand setzt in der Krise auf Kontinuität

Der Vorstand: Das Präsidium mit Dr. Werner Wolf (67) und seinen Vizepräsidenten Eckhard Sauren (52) und Dr. Carsten Wettich (44) ist bis 2025 gewählt. Sie wollen den Weg weiter gehen. In den vergangenen Jahren haben ständige Wechsel in der Führung laut Vorstand „Schleifspuren hinterlassen“, die noch heute im Klub sichtbar seien.

Wolf sagte im Gespräch mit EXPRESS.de, dass über Rücktritte nachgedacht wurde, aber: „Am Ende sind wir zu der Entscheidung gekommen, dass es überhaupt keinen Sinn ergibt, zurückzutreten. Dann hast du ein Geißbockheim im Chaos. Dann wissen die Spieler nicht mehr, mit wem sie sprechen müssen, dann gibt es Unsicherheit bei den Sponsoren. So etwas schadet nachhaltig. Und deshalb sind wir zu dem Schluss gekommen, dass die beste Lösung ist, in dieser Konstellation zusammenzubleiben. Wir gucken jetzt nach vorne. Wir sind auch finanziell im Fahrplan – es lohnt sich einfach, das weiterzumachen.“

Die Opposition: Ex-Profi Dieter Prestin (67, Versicherungsmakler) und Ex-Karnevalsprinz Stefan Jung (53, Steuer- und Bilanzrechtsexperten) bezeichnen sich selbst als Team „FC-Zukunft“. Prestin hat schon vor Wochen in einem Interview mit einer Münchner Zeitung erklärt, dass die sportliche Kompetenz im Verein fehlt. Zunächst war ein diskretes Treffen mit FC-Präsident Werner Wolf geplant. Prestin wollte in den Dialog treten. Doch daraus wurde nach seinem öffentlichen Angriff auf die FC-Spitze nichts und die Sache eskalierte. Wolf ließ einen vereinbarten Termin platzen.

Aktuell herrscht offener Kampf: Prestin will den Vorstand stürzen. Anwaltlich wurde das FC-Präsidium nun per Einschreiben aufgefordert, die Mitgliederlisten bis spätestens 6. Juni herauszugeben, um damit „eine Alternative bzgl. der Politik und Strategie des amtierenden Vorstands zu organisieren und damit seine Mitgliederrechte ausüben zu können, ist es erforderlich, mit den Vereinsmitgliedern in Kontakt zu treten. Daraus folgt wiederum, dass Mitglieder für die Teilnahme an der nächsten anstehenden oder etwaig einer außerordentlichen Mitgliederversammlung motiviert und gewonnen werden müssen“, heißt es von Prestin.

Bisher ist allerdings nicht viel bekannt von Prestins 40-seitigem Konzept und seinen Mitstreitern. Angeblich will er ein komplettes Vorstandsteam beisammen haben und externe Geldgeber und Sponsoren. Am 10. Juni will der Double-Sieger von 1978 erstmals öffentlich sein Team und Konzept präsentieren.

Die Alt-Internationalen des FC: Viele ehemalige Stars machen sich aktuell auch Sorgen um den FC. Zuletzt redete sich Pierre Littbarski (64) in einer mehrteiligen Instagram-Botschaft seinen Frust von der Seele. Beim Team-Prestin oder anderen Oppositions-Gruppierungen ist er allerdings erstmal skeptisch: „Ich lasse mich nicht vor einen Karren spannen. Sie müssen mich mit Konzepten und Strategien überzeugen, dann bin ich auch dabei.“ Littbarski will zunächst erstmal anregen und in den kommenden Wochen eine Diskussion rund um den FC anschieben: „Wir müssen Fachkompetenz zusammentragen und dann schauen, was möglich ist.“

Er will auf jeden Fall mehr sportliche Kontrolle im Klub und kann sich einen Sportvorstand mit Kölner Weltmeistern vorstellen. Die Kandidaten dafür hätte er auch schon parat: Lukas Podolski (38, Weltmeister 2014), Thomas „Icke“ Häßler (57, Weltmeister 1990) und Jonas Hector (33). Richtig konkret wird Littbarski allerdings noch nicht.

Hier siehst du eine Instagram-Botschaft von FC-Legende Pierre Littbarski:

Der Mitgliederrat: Momentan herrscht in diesem Kontrollgremium alles andere als Einigkeit. Zuletzt wurde ein Brief an die Mitglieder verschickt. Darin heißt es, dass eine außerordentliche Mitgliederversammlung, um den Vorstand abzuwählen, aktuell besser vermieden würde. „In unseren Augen wäre eine ungeordnete Abwahl der Vorstände, ohne dass eine adäquate Alternative bereitstünde, eine Maßnahme, die nicht im Sinne des Vereins sein kann. Eine Abwahl allein kann keine Lösung sein, die dem FC in dieser schwierigen Situation weiterhilft. Das Gegenteil ist der Fall. Aus diesen Gründen haben wir als Mitgliederrat uns dagegen entschieden, eine außerordentliche Mitgliederversammlung einzuberufen“, hieß es.

Die anstehenden Wahlen: Die aktuelle Situation und die Satzung des FC schränken den gesamten Klub enorm ein. Das normale Prozedere sähe wie folgt aus: Im Herbst 2024 wird ein neuer Mitgliederrat gewählt, dieser muss bis zur Mitgliederversammlung im Herbst 2025 ein Präsidium finden, welches dann zur Wahl vorgeschlagen wird. Spätestens dann könnte das aktuelle Vorstandsteam um Wolf abgelöst werden.

Kommt es nun allerdings bei einer außerordentlichen Mitgliederversammlung zur Abwahl des Vorstands, müsste der Mitgliederrat einen Interims-Vorstand stellen. Da im Herbst 2024 ein neuer Mitgliederrat gewählt wird, könnte die kommissarische Führung dann sogar nochmals abgelöst werden. Chaos pur wäre vorprogrammiert.

„Litti“ will sich mit den Gegebenheiten nicht abfinden: „Wir können uns nicht damit zufriedengeben, dass es einfach so weiterläuft.“ Die Satzung sei nicht mehr zeitgemäß und nicht erfolgreich. „Da darf man doch nachfragen, ob man nicht etwas besser machen könnte“, so Littbarski.

Ex-Erfolgsmanager Reiner Calmund (75) mahnt dazu, die Ruhe zu bewahren: „Ich halte nichts davon, jetzt: ‚Alle müssen weg!‘ zu brüllen. Man muss die Situation in Ruhe analysieren und aufarbeiten und schauen, wer kann sein Amt in der jetzigen Situation optimal ausführen. Es muss trotz der schwierigen Lage ein bisschen Kontinuität im Verein bleiben. Also sie täten gut daran, nicht jeden zum Teufel zu jagen. Sondern lieber fragen: Bei wem ist noch Vertrauen da?“

Die Wut von vielen Fans: Vertrauen haben viele Fans in keinen mehr – weder in den Vorstand noch in Sport-Geschäftsführer Christian Keller. In den sozialen Netzwerken tobt seit Tagen ein regelrechter Sturm über den FC und seine Führungskräfte hinweg. Ein Großteil der Fans fordert die Entlassung von Keller als Sportchef. Auch der Vorstand soll nach den zahlreichen Fehlern inklusive Transfersperre und Abstieg am besten sofort den Hut nehmen und abtreten.

Konstruktive Kritik wird wenig geäußert, Alternativen können nicht präsentiert werden, Argumente der amtierenden Führung werden kaum mehr wahrgenommen. Präsident Wolf sagt: „Wenn man so ein Amt beim 1. FC Köln antritt, ist jedem klar: ‚Du bist in einer heißen Küche unterwegs.‘ Damit muss man umgehen können und das muss man aushalten können. Das ein oder andere war drüber – aber da schreiben auch Menschen in den sozialen Netzwerken, die Fans sind und sehr enttäuscht sind. Da müssen dann Emotionen raus.“

Die Fans der Vereinigung „Südkurve e.V“ mahnten dazu, die Ruhe zu bewahren. In einem Statement heißt es, dass Kritik an der FC-Führung im Sommer nach intensiver Analyse folgen werde. Sie warnen „vor unbedachten Reaktionen, die im Zweifel darauf abzielen, dem Verein die Unabhängigkeit zu nehmen.“

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Das Fazit: Die Enttäuschung und die Wut von vielen Fans sind nach dem erneuten Abstieg verständlich. Auch die Forderung nach personellen Konsequenzen ist nachvollziehbar, schließlich haben die FC-Bosse eine Transfersperre zu verantworten, die es im deutschen Fußball bis dato noch nie gegeben hatte. Allerdings ist auch die Sicht der FC-Bosse verständlich: Sie wollen in dieser schwierigen Zeit nicht auch noch einen führungslosen Klub hinterlassen. In guten Zeiten gibt es oft viele Rufe nach Kontinuität, diese wird nun (in schlechten Zeiten) von den Protagonisten umgesetzt und gelebt, aber von der breiten Masse scharf kritisiert.

Dass sich der Verein in vielen Bereichen neu erfinden muss, steht außer Frage. Doch dafür braucht es Zeit und Geduld. Im Herbst muss dafür ein starker Mitgliederrat gewählt werden, der dann ein starkes Präsidium für die Zukunft findet – in vertraulichen Gesprächen auf Augenhöhe. Ob die Mitglieder die Satzung anpassen wollen, soll demokratisch entschieden werden.

Wie heißt es so schön: „In jeder Krise steckt eine Chance! Dann trifft man gute Entscheidungen, um wieder aufzustehen.“ Die größten Fehler macht man dagegen oft im größten Erfolg. Der FC muss nun zusammenstehen und diese Chance nutzen – mit Ruhe und Augenmaß. Wut, Hass und Enttäuschung sind dabei keine guten Berater.