Steffen Baumgart hat Marvin Schwäbe zur neuen Nummer eins des 1. FC Köln befördert. EXPRESS.de traf den Torhüter, der ablösefrei aus Dänemark ans Geißbockheim wechselte, zum großen Interview.
FC-Keeper im Interview Schwäbe über Horn: „Glaube nicht, dass er das einfach so hinnimmt“
Marvin Schwäbe (26) hat das FC-Tor erobert, Klub-Ikone Timo Horn (28) nach knapp einem Jahrzehnt verdrängt. Im exklusiven Nummer-eins-Interview mit EXPRESS.de spricht Schwäbe über Kölns Keeper-Duell, seinen speziellen Weg in die Bundesliga und sein privates Glück.
Marvin Schwäbe, Sie sind seit einer Woche ganz offiziell Kölns Nummer eins. Was ist das für ein Gefühl?
Schwäbe: Das ist natürlich sehr, sehr gut und fühlt sich super an. Es freut mich, dass ich für meine Leistungen belohnt wurde. Jetzt blicke ich nach vorne, will der Mannschaft weiterhin helfen.
Wie haben Sie erfahren, dass Sie Stammkeeper bleiben?
Schwäbe: Es gab ein Einzelgespräch mit dem Trainer. Er hat mir gesagt, dass ich meine Sache sehr gut gemacht und meine Chance ergriffen habe. Mich freut es sehr, dass es für mich in diese positive Richtung geht. Es ist schon etwas anderes, wenn man weiß, dass man beim nächsten Fehler nicht direkt rausgenommen wird. Aber klar sind die Augen trotzdem auf einen gerichtet, wenn der vorherige Torwart neuneinhalb Jahre die unumstrittene Nummer eins war.
Timo Horn hatte zuletzt keinen leichten Stand mehr, hat in den vergangenen Jahren viel Kritik abbekommen – dennoch mussten Sie ein echtes FC-Urgestein verdrängen. Macht es das besonders, dass Sie sich im Torwartduell durchgesetzt haben?
Schwäbe: Natürlich bin ich stolz. Timo ist eine absolute Vereinsikone, noch dazu ein fairer Sportsmann. Ich glaube auch nicht, dass er das einfach so hinnimmt. Er ist ehrgeizig und wird versuchen, sich den Platz zurückzuerkämpfen. Es ist ein Torwart-Schicksal, dass man häufig als Erster die Kritik abbekommt. Wenn es in einem Verein nicht so läuft, hängt es oft mit vielen Gegentoren zusammen. Dass der Torwart nicht immer daran schuld ist, sollte eigentlich klar sein.
Marvin Schwäbe: „Geiler Klub, geile Stadt – das kann was werden“
Haben Sie mit Timo über die neue Rollenverteilung gesprochen, gab es vielleicht sogar Glückwünsche?
Schwäbe: Wir gehen fair miteinander um. Der Trainer hat mit uns beiden gesprochen – wir wissen, woran wir sind und was uns bevorsteht.
Vom Jäger zum Gejagten, ändert das etwas an Ihrer Arbeit?
Schwäbe: Könnte man meinen, aber ich bin so eingestellt, dass ich in jedem Training mein Bestes zeigen und besser werden will. Das wird sich auch in Zukunft nicht ändern. Was sich geändert hat, ist, dass ich am Wochenende auf dem Platz stehe – das ist tausendmal schöner.
Zunächst sind Sie bis Saisonende die Nummer eins. Wie geht’s im Sommer weiter?
Schwäbe: Das hängt davon ab, wie die Mannschaft und ich spielen. Irgendwann wird mir auch mal ein Fehler passieren, und dann kommt es ganz darauf an, wie der Trainer das sieht, wie das Umfeld es wahrnimmt. Es kann natürlich sein, dass sich der Trainer im Sommer dafür entscheidet, wieder in den Konkurrenzkampf zu gehen.
Auf dem Rücken tragen Sie die 20, nicht die Eins. Spielt das für Sie eine Rolle?
Schwäbe: Darauf lege ich keinen Wert, die Eins hatte ich bisher nur bei Bröndy. Wenn ich auf dem Platz stehe, ist mir das mehr wert als die Zahl auf dem Rücken. Die 20 war schon in meinem ersten Profi-Jahr in Osnabrück meine Nummer. Daran habe ich gute Erinnerungen.
Hätten Sie im Sommer, als Sie aus Kopenhagen zum FC gewechselt sind, damit gerechnet, so schnell im Tor zu stehen?
Schwäbe: Nein, mir war bewusst, dass ich auf jeden Fall erst mal die klare Nummer zwei bin. Meine Rolle war klar besprochen und ich hatte das Ziel, für Konkurrenzkampf zu sorgen, Druck zu machen und wusste, dass ich auch meine Chance bekommen würde, wie zum Beispiel im Pokal. Dass es jetzt so gekommen ist – logischerweise auch durch Timos Verletzung –, hätte ich nicht für möglich gehalten.
Der FC wollte Sie bereits ein Jahr zuvor holen.
Schwäbe: Genau, Andi Menger hat mich damals angerufen und wollte mich gerne haben. Es ist an der Ablösesumme gescheitert, und Bröndby wollte mich auch nicht gehen lassen.
Marvin Schwäbe: Andreas Menger lotste ihn zum 1. FC Köln
Also hat Ihnen Andreas Menger (Kölns Ex-Torwarttrainer, inzwischen bei Hertha, Anm. d. Red.) den FC schmackhaft gemacht?
Schwäbe: Kann man so sagen. „Magst du nicht zu uns kommen? Wir haben hier viel vor, das Torwarttraining ist super“, solche Dinge hat er gesagt (lacht). Ich hatte das Gefühl, dass mich der FC unbedingt haben will, auch ein Jahr später. Das hat für mich den Ausschlag gegeben, zu sagen: Geiler Klub, geile Stadt – das kann was werden!
Eigentlich können Sie sogar froh sein, dass es erst im zweiten Anlauf geklappt hat. So wurden Sie mit Bröndby noch dänischer Meister.
Schwäbe: Darüber bin ich definitiv froh. Eine riesige Erfahrung.
…durch die Sie mit Bröndby im Europapokal hätten spielen können. War die Entscheidung für den FC dennoch richtig?
Schwäbe: Absolut. Gerade, wenn ich sehe, dass ich nach einem halben Jahr im Tor stehe. Für meine Familie und mich war zudem klar, dass wir zurück nach Deutschland wollen. Meine Frau war zu diesem Zeitpunkt schwanger. Wir haben uns schnell für Köln entschieden.
Hatte Ihr Bundesliga-Debüt im Derby gegen Gladbach (4:1) einen ähnlichen Stellenwert wie der Titel in Dänemark?
Schwäbe: Natürlich, die Bundesliga ist eine der größten Ligen der Welt. Ich habe mich über die Regionalliga, die dritte Liga, die zweite Liga und das Ausland hochgearbeitet. Wenn man dann mit 26 Jahren – was ja relativ spät ist – in die Bundesliga kommt, geht einfach ein Kindheitstraum in Erfüllung.
Marvin Schwäbe: „Warum nicht“ Europapokal mit dem 1. FC Köln?
Zum Träumen lädt auch die Tabelle ein. Können Sie es auch mit Köln nach Europa schaffen?
Schwäbe: Es ist schon so, dass man sagt: Warum nicht? Aber wir wollen erst mal die 40 Punkte schaffen. Das ist auch so gerechtfertigt, wenn man die vergangenen Jahre sieht.
Vergangene Saison musste der FC in die Relegation. Sind Sie überrascht, dass es jetzt so gut läuft?
Schwäbe: Man hat von Anfang an gespürt, dass mit dem neuen Trainerteam um Steffen Baumgart frischer Schwung reinkommt. Die Mannschaft war auch sofort bereit, die neuen Ideen aufzunehmen. Dass es uns so schnell so gut gelingt, das umzusetzen und in Punkte umzuwandeln – damit hätte vielleicht nicht jeder gerechnet. Darauf können wir aufbauen.
Wenn wir mal auf die Anfänge Ihrer Karriere schauen: Ihren ersten großen Meistertitel haben Sie mit Hoffenheims U19 gewonnen – gemeinsam mit Trainer Julian Nagelsmann. Welche Erinnerungen haben Sie an ihn?
Schwäbe: Er war damals schon ein super Trainer, sei es persönlich oder auf dem Platz. Für sein Alter hatte er unheimlich viele Kenntnisse. Dass er uns zur deutschen Meisterschaft geführt hat, spricht schon für sich. Er musste eine junge, wilde Horde bändigen (lacht).
Ihr Vorbild ist Bayern-Keeper Manuel Neuer. Was Sie beide vereint, ist die fußballerische Klasse. Warum sind Sie so gut mit Ball?
Schwäbe: In den Nachwuchsmannschaften des DFB und auch in Hoffenheim wurde großer Wert darauf gelegt, im Torwarttraining musste viel mit Ball passieren – mit rechts und auch dem schwächeren linken Fuß. Das kannte ich vorher gar nicht, hat mir aber enorm geholfen. Als ich von Hoffenheim nach Dresden ausgeliehen wurde, war es unter Uwe Neuhaus auch eine Prämisse, vieles fußballerisch zu lösen.
Wie lenken Sie sich vom Bundesliga-Alltag und dem riesigen Rummel rund um den FC ab?
Schwäbe: Mit meiner Familie – Frau, Tochter und Hund. Ich habe zu Hause genug zu tun (lacht). Diese Zeit genieße ich.
Sie sind nach Ihrem FC-Wechsel nicht direkt nach Köln, sondern aufs Land gezogen.
Schwäbe: Wir leben in einem Vorort von Düren. Ein kleines Dörfchen, in dem wir uns sehr wohlfühlen. Es war eine bewusste Entscheidung, weiter rauszuziehen, um ein wenig Ruhe zu haben. Hier können wir sehr gut abschalten. Für mich ist es auch super, nach dem Training eine halbe Stunde im Auto zu sitzen und den Gedanken freien Lauf zu lassen, mal über alles nachzudenken. Das hilft mir enorm.
Da dürften Ihnen viele gute Gedanken kommen. Sie sind zum ersten Mal Papa geworden, dann die Beförderung zur Nummer eins – Ihr erstes halbes Jahr beim FC hätte kaum besser laufen können.
Schwäbe: Man kann definitiv sagen, dass die Kleine viel Glück gebracht hat. Am 4. November ist Zoe auf die Welt gekommen, danach ging alles bergauf. So darf’s gerne bleiben.
Das ist Marvin Schwäbe: Geboren am 25. April 1995 im hessischen Dieburg. Ausgebildet bei den Kickers Offenbach, Eintracht Frankfurt und der TSG Hoffenheim, dazu ab der U16 für alle DFB-Nachwuchsteams im Einsatz. Erste Profi-Jahre als Stammkeeper beim VfL Osnabrück und Dynamo Dresden (jeweils von Hoffenheim ausgeliehen). 2018 nach Kopenhagen zu Bröndy IF gewechselt und 2021 als dänischer Meister nach Deutschland, zum 1. FC Köln, zurückgekehrt. Vertrag bis 2024. Seit 2019 mit seiner langjährigen Freundin Michelle verheiratet.