Wenn der 1. FC Köln am Dienstag gegen den Hamburger SV um den Einzug ins Viertelfinale des DFB-Pokals kämpft, wird Stefan Effenberg als Sport1-Experte dabei sein. EXPRESS.de sprach exklusiv mit dem Ex-Profi.
„Mag den Köln-Fans ein wenig wehtun“Effenberg über besonderen Pokal-Moment und FC-Chancen
Am Dienstagabend (18. Januar 2022, 18.30 Uhr) wird es ernst für den 1. FC Köln: Dann fällt für Coach Steffen Baumgart (50) und sein Team im DFB-Pokal der Startschuss der Mission Viertelfinale. Zu Gast in Müngersdorf Ex-Bundesliga-Dino Hamburger SV. Am Spielfeldrand hautnah miterleben wird die Partie derweil Stefan Effenberg (53).
Der Ex-Profi und zweifache DFB-Pokal-Sieger wird das Spiel als Experte bei Sport1 begleiten, wo die Paarung live im Free-TV zu sehen sein wird. Wir haben vorab mit Stefan Effenberg über den Kölner Aufschwung unter Baumgart, mögliche Final-Teilnehmer und sein bitterstes Pokal-Erlebnis gesprochen.
Stefan Effenberg vor Pokal-Spiel gegen HSV: „Köln ist der Favorit“
Herr Effenberg, Sie werden am Dienstag das Pokalspiel des 1. FC Köln gegen den HSV hautnah miterleben. Gibt es für Sie im Vorfeld einen klaren Favoriten?
Stefan Effenberg: Klar würde ich jetzt nicht sagen. Aber Köln ist der Favorit, ja. Und mit der Rolle müssen sie auch leben. Sie sind der Bundesligist. Sie spielen, Stand heute, eine sehr gute und stabile Saison. Von daher sind sie in diesem Spiel der Favorit. Der HSV ist dennoch ein Gegner, der nicht einfach zu bespielen ist und mit Sicherheit auch unangenehm werden wird. Es wird nicht leicht für den FC.
Sowohl Köln als auch der HSV haben am vergangenen Wochenende in der Liga nicht gewonnen. Spielt das im Kopf eine Rolle?
Effenberg: Nein, das glaube ich nicht. Für die Kölner erst recht nicht. Sie haben gegen die Bayern gespielt und vier Stück gekriegt, aber trotzdem kein schlechtes Spiel gemacht. Mit den Punkten planst du ja sowieso nicht, das tut kein Bundesligist. Von daher ist das am Dienstag jetzt eine ganz neue Angelegenheit. Für die Hamburger spielt das Unentschieden in Dresden auch keine Rolle mehr. Das hat ihnen vielleicht ein bisschen mehr wehgetan, weil sie die Chance hatten, in der zweiten Liga oben richtig reinzurutschen. Aber das ist Vergangenheit, das müssen und werden beide Mannschaften jetzt vollständig ausblenden. Der Pokal ist ein komplett anderer Wettbewerb, und bei einem Sieg bist du im Viertelfinale. Das ist eine große Geschichte, nicht nur sportlich, sondern auch finanziell.
Fan-Ausschluss: Steffen Effenberg fordert einheitliche Regelung
Corona-bedingt wird es wieder ein Fast-Geisterspiel. Womöglich ein Vorteil für den HSV?
Effenberg: Ich mag ja wirklich die Stimmung und die Kulisse in Köln. Das ist schon außergewöhnlich. Leider wird es diesmal natürlich ein anderer Rahmen. Aber wenn das Spiel in Hamburg stattfinden würde, hätte der HSV ja das gleiche Dilemma. Zudem sind diese Umstände ja auch nichts wirklich Neues mehr für alle Beteiligten. Natürlich würde sich jeder freuen, wenn die Bude voll wäre, ist doch klar. Aber die Diskussion, ob das nun ein Nachteil ist oder nicht, ist müßig.
Der Zuschauer-Ausschluss ist nicht nur in Köln ein hitzig diskutiertes Thema unter den Fußball-Fans. Halten Sie die aktuellen Regeln für angemessen?
Effenberg: Natürlich wird hier und da behauptet, dass wir ein Stück weit zu übervorsichtig seien. Und klar wünschen sich alle und auch ich, dass das bald ein Ende hat und die Stadien wieder voll sind. Aber in Zeiten wie diesen sollten wir lieber etwas vorsichtiger sein. Wir müssen wohl oder übel weiter eine gewisse Geduld an den Tag legen. Ich persönlich wünsche mir lediglich, dass es einheitliche Regeln für alle gibt. Der eine oder andere Verein hatte in der Vergangenheit sicherlich auch einen kleinen Vorteil, weil da die Vorschriften etwas lockerer waren. Dass die Fans derweil nach fast zwei Jahren müde werden, kann ich ebenfalls nachvollziehen. Aber was sollen wir machen? Wir sind nun mal in dieser Situation. Und ich denke, die letzte Strecke kriegen wir jetzt auch noch geschafft.
Effenberg über FC-Coach Steffen Baumgart: „Handschrift zu erkennen“
Zurück zum FC: Der steht in der Bundesliga trotz der Bayern-Pleite zehn Punkte vor der Abstiegszone. Welchen Anteil hat der neue Trainer Steffen Baumgart am Aufschwung?
Effenberg: Tatsächlich darf man nicht vergessen, dass sie noch vor ein paar Monaten die Relegation gespielt haben. Da ist mittlerweile eine absolute Weiterentwicklung zu erkennen. Einerseits ist Steffen Baumgarts Handschrift zu erkennen: Köln scheint diese zurückhaltende Art, Fußball zu spielen, hinter sich gelassen zu haben. Früher haben sie eher dem Gegner das Feld überlassen. Das hat sich gewandelt. Sie nehmen das Heft jetzt selber in die Hand, wollen offensiv spielen – selbst, wenn ein Gegner wie der FC Bayern kommt. Und das ist auch der richtige Ansatz. Dafür wurden sie, Stand heute, ja auch belohnt. Andererseits gehört natürlich dazu, dass die Spieler Baumgarts Plan ganz offensichtlich verstehen und umsetzen. Daran scheitert es ja oft.
In der vorangegangenen Runde hatte Baumgart beim 2:0 in Stuttgart kräftig rotiert. Nun hat er wieder Umstellungen angekündigt. Halten Sie das für sinnvoll?
Effenberg: Wenn ein Spieler aufgrund der Belastung weit weg von hundert Prozent ist, dann womöglich. Aber ich bin eher ein Freund davon, in so einem Spiel mit der vollen Kapelle anzutreten. Im Pokal kannst du mit vergleichsweise wenig Spielen etwas Großes erreichen. Und ich kann mir auch nicht vorstellen, dass Baumgart da jetzt eine riesige Rotation macht. Vielleicht tauscht er punktuell den einen oder anderen. Aber meiner Meinung nach müssen die Besten jetzt ran, um dieses enorm wichtige Spiel zu gewinnen. Das gilt für die Hamburger natürlich ganz genauso. Zum Thema Belastung: Spitzenteams wie die Bayern spielen ja permanent in diesem Rhythmus mit englischen Wochen, gefühlt seit 20 Jahren. Für Mannschaften, die das nicht gewohnt sind, mag das schon eine höhere Belastung sein. Aber darüber sollte sich keiner beklagen. Weil man die Chance hat, etwas Großes zu schaffen. Von daher sollte man das eine oder andere mal wegdrücken. Das darf also kein Argument sein.
Stefan Effenberg spricht über bitteren Moment im DFB-Pokal
Sie selbst haben den Cup zweimal gewonnen. Was war Ihr schönster Pokal-Moment?
Effenberg: Das mag den Kölnern jetzt ein wenig wehtun, aber sehr besonders war für mich natürlich der Pokalsieg mit Borussia Mönchengladbach 1995. Der Klub hatte seit den 70er-Jahren auf einen Titel gewartet, den wir dann geholt haben. Das war außergewöhnlich. Auch, weil es der erste große Titel meiner Karriere war und ich im Finale ein Tor erzielt habe. Aber noch wichtiger war dieser Triumph, wie gesagt, für Gladbach als Klub.
Und die größte Enttäuschung, die Sie im Pokal erlebt haben?
Effenberg: Natürlich, wenn du im Finale stehst und als Favorit in das Spiel gehst, und dann verlierst du als FC Bayern München im Elfmeterschießen gegen Werder Bremen, versemmelst selber einen Elfmeter – dann ist das eine sehr, sehr bittere Erfahrung. Das war 1999. Aber auch diese Dinge gehören im Fußball dazu. Diese schlimme Niederlage hat zum Beispiel dann auch dazu geführt, dass wir im Jahr darauf wieder auf Werder trafen – und das Spiel schlussendlich klar gewonnen haben.
Würden Sie sich für diese Saison zu einem Final-Tipp hinreißen lassen?
Effenberg: Nun, auf dem Papier sind nach dem Ausscheiden der Bayern die Favoriten natürlich der BVB und Leipzig. Aber dann kommen schon direkt die Gladbacher und die Kölner, die wirklich eine große Chance haben. Sollten sie nicht vorher aufeinandertreffen, würde ich aber Dortmund und Leipzig die besten Chancen auf eine Endspiel-Teilnahme einräumen.
Effenberg: „Wünsche St. Pauli und HSV den Aufstieg“
Hamburg ist Ihre Geburts- und Heimatstadt. Mit St. Pauli und dem HSV könnten womöglich bald zwei Hamburger Vereine in der Bundesliga spielen…
Effenberg: Ich habe in Hamburg zwar meine ersten fußballerischen Schritte gemacht, habe aber für keinen der beiden Klubs gespielt. Aber natürlich würde ich mir den Aufstieg für beide wünschen. Die Möglichkeit besteht ohne Frage. Auch, wenn in der zweiten Liga noch viele Teams mitmischen, die dasselbe Ziel haben. Für die Stadt wäre das natürlich ein absolutes Highlight, wenn es beide am Ende schaffen sollten.
Warum hat es mit Ihnen und dem HSV denn damals eigentlich nicht geklappt?
Effenberg: Das lässt sich ganz einfach beantworten: Gladbach hatte damals einfach ein besseres Scouting. Sie haben mir seinerzeit direkt nach dem Probetraining die Möglichkeit gegeben, einen Vertrag zu unterschreiben. Und ich habe das Angebot angenommen. Aber ich bin ja nicht der einzige Hamburger, der nie beim HSV war. Andreas Brehme, Max Kruse… da gibt es ja einige.
Was war die schwierigste Wechsel-Entscheidung Ihrer Karriere?
Effenberg: Ach, das würde ich im Nachgang so nicht sagen. Aber: 1994 hatte ich ein Angebot von Werder Bremen, die zu jener Zeit unter Otto Rehhagel noch ganz weit oben in der Tabelle waren. Sie hatten sich wirklich sehr um mich bemüht. Aber ich bin dem Herzen gefolgt und zurück zu Gladbach gegangen. Und das hat sich ja dann auch ausgezahlt.
Stefan Effenberg fühlt sich wohl in der Rolle des TV-Experten
Sie haben vor einiger Zeit gesagt, dass Sie nicht mehr als Trainer in Deutschland arbeiten wollen, womöglich aber noch mal eine reizvolle Aufgabe im Ausland annehmen würden. Macht Ihnen der Job des TV-Experten denn nach wie vor Freude?
Effenberg: Ich habe nach wie vor Riesen-Spaß an der Sache! Und fühle mich in der Rolle enorm wohl. Da gibt’s keinen Anlass, nachzudenken, was wäre, wenn. Die Vorbereitung, die Arbeit mit dem Team, die Live-Sendungen – das ist immer wieder ein Erlebnis. Aber Grundvoraussetzung ist, dass man Spaß daran hat. Und das ist bei mir definitiv der Fall.
Ihre Tochter Ann-Kathrin lebt in den USA, vor einem Jahr haben Sie gesagt, dass Sie sie aufgrund der Corona-Lage lange nicht gesehen haben. Hatten Sie mittlerweile die Chance dazu?
Effenberg: Ich bin seit Beginn der Pandemie noch nicht bei ihr in den USA gewesen. Ich halte mich da nach wie vor sehr zurück, was das Reisen angeht, auch wenn ich geimpft und geboostert bin. Aber tatsächlich war sie über die Weihnachtszeit in Deutschland, da haben wir uns nach zwei Jahren mal wieder in den Arm nehmen können. Das war natürlich sehr schön.
Stichwort USA: Dort steht ja vor allem Football hoch im Kurs. Aktuell sind die NFL-Playoffs gestartet – verfolgen Sie die Spiele?
Effenberg: Das interessiert mich auf jeden Fall. Ich schalte da öfter mal rein, halte aber nicht immer durch. (lacht) Die Live-Spiele gehen hier bei uns in Deutschland ja teilweise bis spät in die Nacht. Aber das ist eine Sportart, hinter Fußball, die immer auf meiner Liste steht. Gerade, wenn es in den Playoffs um Entscheidungen geht. Ich bin jetzt kein ausgewiesener Experte, aber ich kenne die Regeln und schaue mir die Spiele gerne an.