Taktik-Experiment gescheitert, Heimdebüt misslungen, Auswärts-Atmosphäre. Das Länderspiel gegen die Türkei lief ganz und gar nicht nach Wunsch. Zum Ärger der Spieler und Bosse.
„Das hat uns gewurmt“DFB-Stars sauer nach „Auswärtsspiel“ in Berlin – Bosse mit Durchhalteparolen
So hatte sich das keiner vorgestellt. Im Vorfeld des Länderspiels gegen die Türkei war einigen Träumern schon aufgefallen, dass im Berliner Olympiastadion ja das EM-Endspiel 2024 steigt. In acht Monaten wolle man also wieder in der großen Betonschüssel auflaufen.
Doch am Ende blieb statt Euphorie nur Ernüchterung. In dieser Verfassung wird Deutschland niemals das Finale erreichen. Die 2:3-Niederlage am Samstag (18. November 2023) war nicht nur die erste Pleite in der Regie von Julian Nagelsmann (36). Der Bundestrainer, der nun in drei Spielen sechs Gegentore mitansehen musste, weiß jetzt auch, wie weit weg Deutschland doch von einer EM-Stimmung ist.
7,9 Millionen Menschen schauten DFB-Niederlage bei RTL
Das Stadion war fest in türkischer Hand. Nur bei der deutschen Hymne blieben die Fans des Gäste-Teams ruhig, ansonsten pfiffen sie jeden Ballkontakt der Hausherren aus – sehr zum Ärger der DFB-Stars. „Die Atmosphäre hat uns gewurmt“, gestand Thomas Müller (34).
Da denke „man sich schon, denen wollen wir zeigen, dass wir trotzdem gewinnen, oder die Genugtuung nicht geben, dass am Ende die Türkei in Berlin gewinnt“. Die DFB-Auswahl habe den Zehntausenden Fans der Gäste eigentlich zeigen wollen, „dass sie für die falsche Flagge singen und pfeifen“.
Die Spieler der Türkei, die sich bereits für die EM qualifiziert haben, genossen die Heimspiel-Atmosphäre. „Das Spiel hat gezeigt, es kann eine Heim-EM werden für uns“, sagte der Ex-Düsseldorfer Kaan Ayhan (29). „Diese Euphorie ist auch erwünscht“.
Von solch frenetischer Unterstützung ist das deutsche Team weit entfernt. „Wir wollten eigentlich zeigen: ‚Hey, so nicht!‘ Aber klar, der Sport und das Leben laufen nicht immer so, wie man sich das wünscht“, sagte Müller, der nicht zum Einsatz gekommen war. „Wir wollen es nicht totanalysieren. Wir lassen uns jetzt nicht unterkriegen, das ist unser Job, dass wir weitermachen.“
Mehr als Durchhalteparolen blieben aber nicht. In der Spitze bis zu 7,9 Millionen Menschen schauten sich die RTL-Übertragung der Partie an und sahen viele Unzulänglichkeiten im deutschen Spiel. Zudem warfen die personellen Experimente des Bundestrainers Fragen auf.
Bernd Neuendorf (62) versuchte sich in Zweck-Optimismus. „Wir dürfen nicht in diesen Flow kommen, dass wir sagen: Alles war schlecht“, betonte der DFB-Präsident bei Bild-TV. „Wir müssen jetzt Stärken stärken. Wir gefallen uns oft darin, in eine toxische Situation zu kommen, alles schlechtzureden. Alles jetzt infrage zu stellen, macht es schwierig.“
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Auch der Bundestrainer spürte, dass diese Niederlage wieder grundsätzliche Zweifel schürte. „Wir können jetzt schwarzmalen und alles schlecht sehen, da werden wir aber nicht weiterkommen als Fußball-Nation. Wir hatten acht hundertprozentige Chancen. Für mich ist es eher ein Entwicklungsschritt, in letzter Konsequenz das Spiel zuzumachen“, sagte Nagelsmann. „Ich bin weit davon entfernt, alles negativ zu sehen. Sinnvoll ist es nicht, schwarzzusehen, davon werden wir nicht besser.“
Am Dienstag (20.45 Uhr/ZDF) wartet mit dem Duell mit Österreich in Wien eine als noch schwerer eingeschätzte Aufgabe gegen die Auswahl von Taktik-Guru Ralf Rangnick (65). Es ist die letzte Chance, in diesem Jahr und kurz vor der Auslosung der EM-Gruppen am 2. Dezember einen positiven Push zu bekommen. „Wir sind immer noch in der Phase, in der wir Erfolgserlebnisse brauchen“, sagte Niclas Füllkrug (30). Die Atmosphäre wird sicher ähnlich feurig wie in Berlin.