Wenig meisterlicher MeisterWas soll der FC Bayern denn noch tun, damit der BVB den Titel holt?

Bayerns Torhüter Manuel Neuer hält die Meisterschale, während seine Teamkollegen nach dem Gewinn der 33. deutschen Meisterschaft jubeln.

Bayerns verletzter Torhüter Manuel Neuer reckt am 27. Mai 2023 die Meisterschale in die Luft. 

Der FC Bayern München hat am Samstag nach einer Chaos-Saison mit mehr Tiefen als Höhen die 33. Meisterschaft eingefahren. Verdient war der elfte Bundesliga-Titel nicht. Am Ende feiern aber doch die Bayern. Trotz aller Eskapaden. Ein Kommentar.

von Denis Canalp (can)

So einfach wie in der abgelaufenen Bundesliga-Saison wird es für Borussia Dortmund wahrscheinlich lange nicht mehr, endlich wieder Deutscher Meister zu werden. Ein Heimsieg vor 80.000 euphorisierten BVB-Fans gegen den FSV Mainz 05 hätte gereicht, um die Meister-Party am Borsigplatz zu starten. Doch es kam anders.

Die Schwarz-Gelben kamen nach 0:2-Rückstand nicht über ein 2:2 gegen Mainz hinaus, was alle Dortmunder Meisterträume platzen ließ. Dass die Bayern zeitgleich in Köln erst durch einen sehr späten Treffer von Jamal Musiala (20) 2:1 gewannen, ist bezeichnend für die turbulente und schwache Saison der Bayern. Am Ende haben beide Klubs 71 Punkte, Dortmund fehlen nach 34 Spieltagen 15 Tore zum Titel.

Wenn die Bayern schwächeln, muss die Konkurrenz da sein

Dabei hat der FC Bayern auf allen Ebenen alles dafür getan, dass die Schale nach zehn Jahren mal wieder in den Pott wandert. 71 Punkte waren in den vergangenen zehn Saisons nie ausreichend für den Titel. 82,9 Punkte holten die Bayern bei ihren zehn Meisterschaften im Schnitt, wobei die 77 Punkte aus der ersten Nagelsmann-Spielzeit die geringste Ausbeute darstellen. Als der BVB unter Jürgen Klopp (55) zweimal in Serie Meister wurde, holten die Schwarz-Gelben 81 und 75 Punkte. Damals waren sie da, als die Bayern schwächelten. Jetzt schwächelte Borussia Dortmund im entscheidenden Moment.

Alles zum Thema Oliver Kahn

Doch nicht nur sportlich sorgten die Bayern in dieser Saison für Angriffsfläche. Bezeichnend ist alleine die Tatsache, dass der Klub in Trainer Julian Nagelsmann (35), Sportvorstand Hasan Salihamidzic (46) und CEO Oliver Kahn (53) im Laufe der Runde nahezu die komplette Führungsriege rasierte. Übrig bleibt lediglich Präsident Herbert Hainer (68). Was für ein Armutszeugnis für einen Klub, der sich selbst zur europäischen Elite zählt.

Die Probleme begannen vor der Saison. Die Beziehung von Nagelsmann zur Bild-Reporterin Lena Wurzenberger wurde publik. Nicht alle beim FC Bayern sollen über die Liaison erfreut gewesen sein. Wer auch immer auf die Idee kam, den zum FC Barcelona abgewanderten Torjäger Robert Lewandowski (34) durch Flügelstürmer Sadio Mané (31) zu ersetzen, irrte gewaltig. Der Senegalese übertrumpfte den Polen nur in Sachen Abseitstore, verletzte sich dann auch noch schwer. Bis zur unsäglichen Winter-WM lief dennoch alles glatt. Doch nach dem Turnier in Katar erwischte es die Bayern knüppeldick – und auf einmal war der FC Hollywood zurück.

Da war die Maulwurf-Affäre mit Taktik-Leaks, der Beinbruch von Manuel Neuer (37) bei einer Ski-Tour, der fragwürdige Rauswurf von Torwart-Trainer und Neuer-Intimus Toni Tapalovic (42) und der vieldiskutierte Ausflug zur Fashion Week in Paris von Serge Gnabry (27). Die Mannschaft verspielte neun Punkte Vorsprung auf den BVB, war plötzlich nur noch Zweiter. Die Folge: Der im Ski-Urlaub verweilende Nagelsmann musste in der Länderspielpause plötzlich gehen, Thomas Tuchel (49) übernahm in einer undurchsichtigen Nacht- und Nebel-Aktion.

Der BVB am Boden

Das Dortmunder Meister-Trauma

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Kahn und Salihamidzic begründeten den überraschenden Schritt mit den gefährdeten Saisonzielen. Ein Satz, der ihnen mit Wucht um die Ohren flog. Denn unter Tuchel scheiterten die Bayern im DFB-Pokal an Freiburg und kurz darauf in der Champions League an Manchester City. Mané schlug Leroy Sané (27) zwischendurch noch mit der Faust ins Gesicht. „Mia san Chaos“ statt „Mia san Triple“.

Und auch in der Liga drohte der zweite Platz und damit der Albtraum von einer titellosen Saison – bis zur 89. Minute in Köln-Müngersdorf. Der Zeitpunkt des Trainerwechsels war falsch, der neue Trainer wurde zwar aus der internen Kritik ausgeklammert, in der Öffentlichkeit schien er aber bereits beschädigt, über potenzielle Nachfolger wie Leverkusens Xabi Alonso (41) wurde schon spekuliert.

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Doch selbst im Moment des Titelgewinns war der FC Hollywood noch für Negativ-Schlagzeilen gut. Während des Spiels in Köln waren Gerüchte aufgekommen, dass das Aus von Salihamidzic und Kahn bereits besiegelt wäre. Während Brazzo auf der Tribüne wild mitfieberte und nach Spielende seine Ablösung im Stadion bestätigte und bedauerte, twitterte der angeblich wegen einer Grippe fehlende Kahn, dass der Klub ihm sogar die letzte Dienstreise ins Rheinland untersagt habe. Ein weiterer stilloser Vorgang und ein weiteres Beispiel von katastrophaler Kommunikation nach innen und nach außen.

Die Beurlaubungen von Nagelsmann, Kahn und Salihamidzic sind alle für sich inhaltlich begründbar, die Art und Weise und der Zeitpunkt war aber bei allen mindestens fragwürdig und wirft kein gutes Licht auf den Umgang mit Mitarbeitenden in Deutschlands Vorzeige-Klub.

Die Mannschaft wurde erst nach dem Titelgewinn über die Zäsur in der Chefetage informiert. Sie sollte nicht abgelenkt und verunsichert werden. Das war nach dieser Saison aber auch gar nicht mehr nötig. Warum der FC Bayern dennoch Meister ist? Das weiß wohl nur Borussia Dortmund. (can)