Die ARD will ihre EM-Übertragungen mit der Expertise ehemaliger Schiris anreichern, doch der Plan scheitert an der Qualität der Auftritte. So gehört das Konzept abgeschafft, meint unser Autor. Ein Kommentar.
Kommentar zu Schiri-SchaltenARD-Aussagen pure Zeitverschwendung: Dieser EM-Murks gehört abgeschafft
von Béla Csányi (bc)
Elf Regeln hat das Kölsche Grundgesetz, zehn Gebote stehen in der Bibel. Der Kodex für Schiedsrichter-Experten (und Expertin Bibiana Steinhaus-Webb) in der ARD scheint nur einen einzigen Satz zu beinhalten: „Du darfst Ex-Kollegen nicht kritisieren.“
Was diese böswillig unterstellte Schiri-Fibel anbetrifft, hat Steinhaus-Webb am Freitagabend beim EM-Viertelfinale Deutschland – Spanien (1:2) mustergültig abgeliefert. Nach allen anderen Kriterien war die Schiri-Schalte in der ARD nach dem Mega-Aufreger im EM-Krimi einfach nur verschwendete Zeit für 26 Millionen Menschen vor dem Fernseher.
Schiri-Expertise in der ARD? Bloß nicht kritisieren
Nicht zum ersten Mal bei dieser EM fiel auf, dass die in der Übertragung im Ersten zugeschalteten früheren Schiris zur Not auf absurdeste Weise versuchen, Fehlentscheidung bloß nicht zu benennen.
Stattdessen gab auch Steinhaus-Webb bei der Schalte nach dem Handspiel im deutschen Viertelfinal-Krimi nur das in komplizierter Formulierung wieder, was zuvor jeder schon gesehen hatte. Fachliche Einordnung mit klarer Meinung und Expertise? Ein Wort zum Entschluss des VAR, sich nicht einzuschalten? Fehlanzeige.
„Auch wenn er da ein bisschen die Körperfläche verbreitert hat, hat sich der Schiedsrichter entschieden, das Spiel weiterlaufen zu lassen und nicht auf strafbares Handspiel zu entscheiden“, führte Steinhaus-Webb aus.
Diese Nicht-Aussage musste selbst Kommentator Gerd Gottlob in der Übertragung erst mal mit zehnsekündigem Schweigen sacken lassen, sagte dann nur: „Das wird noch diskutiert werden, so viel ist sicher.“ Die vereinzelten vorigen Auftritte der früheren Bundesliga-Schiedsrichterin hatten einen ähnlichen Tenor.
Auch Lutz Wagner, der in der ARD mehrmals zurate gezogen worden war, stammelte während VAR-Entscheidungen teilweise zunächst so rum, als wolle er Zeit gewinnen, ehe der Schiedsrichter auf dem Rasen eine Entscheidung getroffen hatte. Die ließ sich dann ohne genauere Einordnung dankbar absegnen.
Grundsätzlich müssen Expertinnen und Experten natürlich nicht jede Szene entgegen der Entscheidung des Schiedsrichters auf dem Feld beurteilen. Auch astreine Spielleitungen gab es bei der Euro, das soll inmitten großer Schiri-Diskussionen nicht untergehen.
Allerdings fiel bei der EM immer wieder auf, dass es in der Einordnung von Fachmann oder Fachfrau oft gar nicht um eine Beurteilung, sondern nur um die Beschreibung der vorigen Szene und deren bereits getroffener Auslegung durch den Schiedsrichter ging.
Weil die jeweiligen Kommentatoren genau das im Vorfeld aber bereits geliefert hatten, lag der Mehrwert der Schalten in aller Regel bei null, verärgerte stattdessen sogar viele Zuschauerinnen und Zuschauer, wie die Reaktionen bei Social Media deutlich zeigen.
Als positive Ausnahme tat sich dafür im ZDF Manuel Gräfe hervor, der bei seinen Auftritten umgehend in die Bewertung ging und Dissonanzen klar benannte. Mit dieser Umsetzung sind Schiedsrichter-Experten tatsächlich ein Mehrwert. Bleiben die von der ARD Auserwählten ihrer Linie aber treu, sollte der VAR spätestens nach der EM einschreiten und den ARD-Planern die Rote Karte für das Schiri-Konzept zuflüstern.