Wieder nur die Nummer zwei hinter Manuel Neuer zu sein, ist für Marc-André ter Stegen eine große Enttäuschung. Wie er bei der EM mit der Reservistenrolle umgehen will, verriet er EXPRESS.de.
Frust bei ter StegenErsatz-Keeper spricht über Rücktritts-Gedanken: „Einer der härtesten Momente“
Er wurde mit dem FC Barcelona fünfmal spanischer Meister, holte fünfmal die Copa del Rey. In der Primera División wurde er 2023 zum besten Spieler der Saison gekürt – und das als Torwart. Doch in der Nationalmannschaft hat Marc-André ter Stegen (32) immer das Nachsehen.
Auch wenn der Keeper schon 40 Länderspiele in der Statistik stehen hat, außer beim Confed-Cup-Sieg 2017 blieb ihm bei Turnieren immer nur die Reservistenrolle. Vor der Heim-EM wurde der Ex-Gladbacher nun auch von Julian Nagelsmann (36) degradiert. Manuel Neuer (38) darf das Turnier nach 18 Monaten Auszeit bestreiten.
Marc-André ter Stegen: 40 Länderspiele, aber kein großes Turnier
Während der langen Verletzungspause nach Neuers Beinbruch hatte ter Stegen die Rolle als Nummer eins im DFB-Trikot inne. „Es ist keine angenehme Situation, aber der Trainer hat die Entscheidung so getroffen. Das respektiere und akzeptiere ich so, auch wenn ich nicht der gleichen Meinung bin“, sagte der Torwart, als EXPRESS.de ihn am Dienstag (4. Juni 2024) im DFB-Quartier in Herzogenaurach traf.
„Ich kann mir relativ wenig vorwerfen über die letzten Jahre, die ich hier war. Ich habe meine Leistung gezeigt. Umso enttäuschender ist das. Natürlich ist es nicht leicht, in eine Situation zu kommen, die man sich anders erhofft hat. Das war schon einer der härtesten Momente in meiner Karriere, weil das Turnier ein wichtiges Event ist. Natürlich hätte ich gerne gespielt, ich hatte auch viele Argumente für mich.“
Nachdem der Bundestrainer die Entscheidung verkündet hatte, fiel ter Stegen nach eigenen Aussagen kurz in ein Loch. Doch der Moment sei nun verarbeitet. „Ich habe eine grundsätzliche Motivation, für mich persönlich in Bestform sein zu wollen. Ich möchte mir was beweisen. Wenn man gut trainiert, hat man auch die Möglichkeit, bei Bedarf schnell ins Spiel zu kommen. Es ist mein Auftrag, da zu sein, wenn ich gebraucht werde“, sagte er gefasst.
Deshalb habe er auch den Gedanken, aus der Nationalmannschaft zurückzutreten, schnell verworfen. „Ich habe es zum Bundestrainer gesagt, das eine ist das Sportliche, das andere ist das Menschliche. So wie andere sich auf mich verlassen haben, möchte ich auch, dass es weitergeht. Für mich selbst ist es enttäuschend, sehr enttäuschend, aber man hat auch eine Verantwortung der Gruppe gegenüber. Ich werde helfen, wo ich kann“, kündigte der 32-Jährige an.
Im EM-Camp in Herzogenaurach wohnt ter Stegen übrigens mit den anderen Keepern in einem Haus. „Das hat ja nichts persönlich mit Manu zu tun, da haben wir ein gutes Verhältnis, auch wenn wir um die gleichen Ziele kämpfen. Der eine profitiert von der Entscheidung, der andere nicht“, sagte er im EXPRESS.de-Gespräch. „Natürlich spricht man nicht miteinander darüber, wie man sich fühlt. Manu hat nun die Möglichkeit, sich gut aufs Turnier vorzubereiten. Falls ich gebraucht werde, werde ich da sein.“
Auf einen erneuten Ausfall des Weltmeister-Torwarts will ter Stegen aber nicht spekulieren. „Ich habe mit Manu als Mensch kein Problem, ich wünsche ihm auch nicht, dass was passiert oder er einen Fehler macht. Das bin ich nicht. Das ist nicht meine Art und Weise. Es ist nicht leicht, die Nummer zwei zu sein. Wenn er etwas mit mir besprechen will, weiß er, dass ich da bin. Ich glaube aber nicht, dass das vorkommen wird.“
Bei der EM-Generalprobe am Freitag (7. Juni, 20.45 Uhr, RTL) bleibt also ausgerechnet im Borussia-Park wieder nur ein Platz auf der Bank. „Gladbach wird immer etwas ganz Besonderes für mich sein. Da habe ich viele schöne Erfahrungen gemacht. Es ist natürlich ein spezielles Gefühl, dahin zurückzukommen. Aber ich gehe natürlich nicht davon aus, dass ich spiele“, sagte er.
Marc-André ter Stegen will Hansi Flick in Barcelona beim Start helfen
Seit zehn Jahren ist Barcelona die neue Heimat des Keepers. Mit Ex-Bundestrainer Hansi Flick (59) bekommt er dort einen guten Bekannten als neuen Trainer. „Wir haben kurz telefoniert, ich habe ihm gratuliert. Er war sehr happy über den Empfang in Barcelona. Ich hoffe, dass es für ihn gut läuft, das heißt nämlich, dass es auch für uns gut läuft. Ilkay Gündogan und ich helfen ihm gerne dabei, sich in der Stadt wohlzufühlen“, kündigte er an.
Besonders wichtig sei es, dass Flick schnell Spanisch lerne. „Ich glaube, dass es sprachlich schon wichtig ist, dass da eine gewisse Kommunikation funktioniert. Vor allem, weil wir auch manche Spieler haben, die kein Englisch sprechen, deswegen ist es auch wichtig, die zu erreichen“, sagte der Torwart.
Mit DFB-Kapitän Gündogan habe Barcelona eine wichtige Figur im Team. „Er ist sehr ausgeglichen als Mensch und so spielt er auch, sehr gewissenhaft. Das hat uns zuvor ein bisschen gefehlt. Durch seine Erfahrung ist er eine weitere Führungsperson in unserem Team. Er hat uns viel Stabilität gegeben und macht das gleiche auch im Nationalteam über Jahre“, sagte ter Stegen.
Wie es für ihn beim DFB nach der EM weitergeht, hat der Ex-Borusse übrigens noch nicht entschieden. „Ich beschäftige mich noch nicht mit der WM 2026, das ist noch weit weg. Ich weiß, dass ich weiter meine beste Leistung zeigen möchte.“ Aber er sieht ein Haupt-Problem: „Grundsätzlich werden die Spieler, die im Ausland spielen, nicht so sehr verfolgt. Da hört man meist nur die negativen Sachen, aber die Wertschätzung fehlt etwas in Deutschland.“