Nach zwei tollen Siegen gegen Frankreich und die Niederlande erlebte die deutsche EM-Euphorie gegen die Ukraine einen kleinen Dämpfer. Mehrere Personalien werden nach dem Test besonders heiß diskutiert.
Neuer, Beier, Gündogan, SanéNagelsmann muss nach Nullnummer einige brisante Personalien klären
Dass selbst ein torloses Spiel anderthalb Wochen vor Beginn der Heim-EM genug Anlass für Diskussionen bietet, liegt auf der Hand. Nach dem 0:0 gegen die Ukraine wurden mehrere Personalien am Montagabend (3. Juni 2024) angeregt diskutiert.
Auf das Comeback von Manuel Neuer (38) wurde nach 550 Tagen Nationalmannschafts-Abwesenheit natürlich besonders genau geschaut. Zweimal parierte er im Spiel stark und hielt so seinen Kasten sauber. Doch kurz vor Abpfiff stockte allen Fans der Atem.
Manuel Neuer: „Habe den Jarmolenko gar nicht gesehen“
In der 88. Minute eilte der Keeper weit aus seinem Tor und chippte den Ball leichtsinnig direkt auf den heranstürmenden Andrej Jarmolenko. Der Ukrainer köpfte die Kugel seinem Kollegen Artem Dowbyk in den Lauf und Sekunden später lag sie im Netz. Glück für Neuer: Der Torjäger stand im Abseits.
„Ich habe den Jarmolenko gar nicht gesehen“, sagte der Bayern-Profi. In seinem Blickfeld sei Abwehrspieler Robin Koch gewesen, dessen Ball „ein bisschen kurz“ geraten sei. Und links, wo Jarmolenko lauerte, habe er „eher Maximilian Mittelstädt gesehen“. Weil sich Koch nach links habe fallen lassen, „war es für mich eine klare Situation, dass ich den Ball nach links chippe“.
Dieser eine Moment reichte, um vor allem in den sozialen Medien wieder die Grundsatz-Debatte anzustoßen: Warum spielt nicht Marc-André ter Stegen (32)? Julian Nagelsmann (36) registrierte die Aktion ohne große Aufregung. „Der Schock war nicht groß, denn es war in einer Millisekunde ersichtlich, dass der Spieler im Abseits ist“, sagte er entspannt. „Wenn er den nicht holt, wenn er tiefer steht und nicht mitspielt, dann ist es ein deutlich größerer Fehler mit schwerwiegenderen Folgen“.
Freitagabend, nach dem letzten Testspiel in Mönchengladbach, muss der Bundestrainer seinen endgültigen EM-Kader der Uefa melden. Einen Akteur muss er noch streichen. „Bisher ist keiner dabei, der es verdient hat, nach Hause zu fahren. Wir warten die Woche ab“, sagte er. „Wir diskutieren das im Trainerteam hoch und runter.“
Einer der vermeintlichen Streichkandidaten, der Hoffenheimer Maximilian Beier (21), war am Montag nach seiner Einwechslung zum Debüt einer der besten deutschen Spieler, hatte zwei dicke Chancen. „Er hat die EM-Teilnahme auf jeden Fall wahrscheinlicher gemacht“, lobte ihn auch der Bundestrainer. „Maxi hat ein sehr gutes Spiel gemacht. Er war sehr fleißig, auch defensiv. Er trainiert auch deutlich besser als im März.“
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„Ich bin stolz auf meine Leistung und stolz, dass ich die Torchancen hatte“, sagte Beier nach einem 30-Minuten-Debüt. Es sei „schon ein krasses Gefühl“ gewesen, als er reingekommen sei: „Ich habe versucht, alles auszublenden und einfach mein Spiel zu spielen. Ich kann Stürmer spielen, ich kann links spielen, ich kann rechts spielen.“ Klar ist auch, wer sein Debüt-Trikot bekommt: „Papa und Mama.“ Nun dürfte vor allem Frankfurts Verteidiger Robin Koch (27) um die Turnier-Teilnahme bangen.
Kapitän Ilkay Gündogan (33) hatte die dicke Chance zur Führung. Auch Nagelsmann haderte, dass der Barcelona-Profi „aus zwei Metern“ den Ball nicht über die Linie brachte. Gleichwohl verteidigte der Bundestrainer seinen verlängerten Arm auf dem Platz. Dass Gündogan neben den spielfreudigen Spaß-Kickern Florian Wirtz (21) und Jamal Musiala (21) abfällt, sieht der Coach nicht so.
Die Auswechslung zur Pause sei im Vorfeld abgesprochen gewesen. „Ilkay hat gut gespielt. Er hat viel Belastung in den Knochen. Wir brauchen ihn für das Turnier. Er kann uns viel Rhythmus geben. Er gibt uns Ruhe und Struktur und ist ein torgefährlicher Spieler.“
Vor dem letzten EM-Test gab’s dafür noch eine deutliche Ansage an Bayern-Star Leroy Sané (28). Der darf nach seiner Rotsperre erstmals wieder ran. „Er muss die Woche schon trainieren. Und er muss auch gegen die Griechen spielen. Er war jetzt drei Spiele gesperrt, er hat auf Nationalmannschaftsebene gar keinen Rhythmus“, sagte der Bundestrainer.
Julian Nagelsmann: „Fülle hätte uns heute gutgetan für die Flanken“
Zudem ist der Münchner durch seine Verletzung etwas gehemmt. „Die Schambeinproblematik bekommst du so schnell nicht ganz weg. Da müssen wir schon steuern. Er wird sicherlich nicht jedes Spiel 90 Minuten machen können“, sagte Nagelsmann. „Er hat Chancen, in die erste Elf zu rutschen, aber er muss schon trainieren, auch im Mannschaftstraining mitmachen“.
Die Ukraine stellte das deutsche Team mit ihrer 5:4:1-Taktik vor Probleme. Kai Havertz (24) kam in vorderster Front nur zu einer Kopfballchance. Gegen solch einen Beton-Riegel wäre ein richtiger Neuner hilfreicher. „Fülle hätte uns heute gutgetan für die Flanken, mit seiner Wucht, seiner Kopfballstärke“, befeuerte Nagelsmann selbst die Stürmer-Debatte. Niclas Füllkrug (31) ist gegen die Griechen eine Start-Option.
Nach dem kleinen Stimmungsdämpfer soll bei der Generalprobe im Borussia-Park wieder die EM-Euphorie gezündet werden. „Der 14. Juni ist schon das wichtigere Spiel. Aber Siege sind besser als Unentschieden oder Niederlagen. Wir werden das Spiel so angehen, dass wir gewinnen wollen“, kündigte der Bundestrainer an.