Der Kölner Spielerberater Volker Struth hat seine Biografie „Meine Spielzüge“ geschrieben. Darin berichtet er auch offen über seine Kindheit und seine Rückschläge im Leben.
Im Auto gezeugt, bei der Oma aufgewachsenSpielerberater Volker Struth legt sein Leben offen
Köln. Solche Geschichten gibt es eigentlich eher in Amerika, in kitschigen Hollywood-Filmen. Da ist einer aus sehr einfachen Verhältnissen, der ohne Eltern aufwuchs und in der Schule sitzen blieb. Er fuhr Kühllaster, schleppte im Schlachthof Kübel voller Fleisch. Auf Initiative von Reiner Calmund (72) stieg Volker Struth (55) aber vor 14 Jahren ins Fußball-Beratergeschäft ein.
2018 wurde Struth vom Forbes-Magazin auf Rang acht der erfolgreichsten Sportmanager der Welt gewählt. Diese Spitzenposition als bestgelisteter deutscher Spielerberater hält er bis heute. Selbst im schwierigen Transfer-Sommer 2021, stark beeinträchtigt von den Corona-Einbußen, vermittelte der Kölner mit seiner Agentur „Sports360“ Mandanten im Transfervolumen von über 90 Millionen Euro.
Aber: Für diese Arbeit musste er einen hohen Preis zahlen. Heute, mit 55, hat er sieben Stents am Herzen. Durch die schweren medizinischen Eingriffe lernte er eine Balance zwischen harter Arbeit und Lebensgenuss zu finden. Diesen Werdegang von der Pulheimer „Ford-Siedlung“ bis zum Manager von Millionen-Stars hat Struth in seiner sehr persönlichen Biografie „Meine Spielzüge“ aufgeschrieben.
Volker Struth: Früher arbeitete er auf dem Schlachthof
„Ich komme aus relativ einfachen Verhältnissen, heute geht’s mir sehr gut. Ich bin ein wohlhabender Mensch geworden. Aber früher trieb ich durch das Leben. Angetrieben wurde ich nur vom diffusen Gefühl, ‚es schaffen‘ zu wollen. Was genau, wusste ich nicht“, sagt er rückblickend.
Struth wollte unbedingt raus aus dem Leben, in dem er als Jugendlicher dank Kleidergutscheinen vom Sozialamt Hosen und Pullover bei C&A bekam. „Das war ein sehr unangenehmes Erlebnis. Ich habe mich geschämt. Für mich ging’s auch nicht in den Urlaub. Die Sommerferien waren für mich brutal, einsam. In den Ferien war eine Hauswand vier, fünf Wochen mein Spielkamerad“.
Er lernte früh das Anpacken und Arbeiten. Ob beim Estrichverlegen oder in der Wellpappenfabrik. Er verkaufte Versicherungen, dann eine Zeitlang Rahmspinat und Tiefkühlerbsen für Bofrost. „Ich habe am Schlachthof gearbeitet, nachts Milch an Schulen ausgeliefert. Ich lasse die Diskussion nicht zu, dass Menschen aus einfachen Verhältnissen überhaupt keine Chancen haben. Man hat’s schwerer.“
Der Millionen-Manager schämt sich nicht für seine Vergangenheit. „Ich wurde auf der Rückbank eines Ford 17M gezeugt“, gesteht er. Seine Mutter war erst 16, als sie von einem Musiker nach einem Konzert in dessen Auto geschwängert wurde. „Die Trennung von meinem Vater hat sie nicht verkraftet. Sie war nicht mehr imstande, mich großzuziehen.“ Sie trank, starb jung.
Struth gründete 1994 einen Büroartikelvertrieb in der Garage seines Schwiegervaters. Als Geschäftsführer der Merchandising- und Eventagentur KölnTotal entwickelte er eine Reihe innovativer Projekte: Motto-Schals zum Kölner Karneval, das Kölner Oktoberfest oder Autofähnchen für die WM 2006.
WM-Titel 2014 war für Volker Struth der berufliche Höhepunkt
Doch an die Spitze brachte er es als Spielerberater. „Ich wusste, was ein Spielerberater zu tun hat. Was für ein Haifischbecken das ist, wusste ich nicht. Ich mache das jetzt seit knapp 15 Jahren. In der Zeit habe ich deutlich über 100 Spieler begleitet und beraten. Unmittelbar nach dem Abpfiff des WM-Finales 2014 haben mich Toni Kroos, Mario Götze und Benjamin Höwedes zusammen aus der Kabine angerufen. Das war ganz klar der bewegendste Moment in meinem beruflichen Leben“, gesteht er.
Kurz nach dem WM-Titel transferierte der 55-Jährige Kroos zu Real Madrid. „Wenn man solche Spieler berät, kommt man durch so ziemlich jede Tür. Wenn du durch viele Türen kommst, generierst du viele Informationen. Hast du viele Informationen, haben deine Spieler Vorteile. Es gibt mehr Spielerberater als Profi-Fußballer und das macht das ganze viel schwieriger. Zweifelsohne verdienen wir sehr, sehr viel Geld. Aber nicht so einfach, wie es gerne beschrieben wird.“
Deshalb soll die Biografie helfen, mit dem Klischee aufzuräumen. „In Deutschland ist die Figur des Beraters ein vermeintlicher Pate, der unsichtbar im Hintergrund die ihm hörigen Fußballer und die ach so armen Vereine an Marionettenschnüren tanzen lässt und fürs Fast-nichts-Tun Million um Million einstreicht. Dabei ist es unsere Aufgabe Fußballspieler in zeitgerechte, marktgerechte und leistungsgerechte Arbeitsverträge zu vermitteln. Ob die jetzt verlängern oder ob sie wechseln: Diesen Job kann man nicht nach Lehrbuch oder Formel leben. Ich musste auch den einen oder anderen Spielzug anwenden, um gerade in jungen Jahren durchs Leben zu kommen.“
Volker Struth will seine Geschichte in sozialen Brennpunkten erzählen
Der Blick hinter die Kulissen zeigt, wie die spektakulären Transfers von Toni Kroos, Mario Götze oder Julian Nagelsmann vonstattengingen. „Jeder kann dann für sich selbst entscheiden, ob er unsere Arbeit beeindruckend, schillernd, dreist oder anstößig findet“, sagt Struth.
Die wichtigste Botschaft ist ihm jedoch, dass jeder – egal mit welchen Startvoraussetzungen – mit dem nötigen Ehrgeiz seinen Weg gehen kann. „Mein Werdegang kann junge Menschen anspornen, ihre Ideen zu entwickeln, egal auf welchem Feld.“ Dies will er nun bei diversen Lesungen in Schulen in Brennpunkten den Kindern mitgeben.