Moderator Jochen Breyer wird für das ZDF im Wechsel mit Kathrin Müller-Hohenstein und die Spiele der Fußball-WM 2022 in Katar präsentieren. Das Turnier sieht der TV-Star extrem kritisch.
WM 2022ZDF-Mann Jochen Breyer sauer auf FIFA: „Kann es immer noch nicht ganz glauben“
ZDF-Moderator Jochen Breyer (39) steht vor seiner journalistisch größten Herausforderung: Die Fußball-Weltmeisterschaft in Katar verlangt den Medien einen Spagat zwischen Kritik an Ausrichter und FIFA sowie Begeisterung für den Sport und seine Protagonisten ab.
Für seine Dokumentation „Geheimsache Katar“ (8. November 2022 im ZDF) hat der preisgekrönte TV-Mann den Wüstenstaat und seine Hauptstadt Doha zweimal besucht. Im EXPRESS.de-Interview spricht er über seine Erfahrungen, die Rolle der FIFA und die Wertefrage rund um das Engagement von Autokraten und Despoten im Fußball.
WM 2022: Jochen Breyer zwischen Kritik und Vorfreude
Aber er wagt auch einen Blick auf ein sportlich hochinteressantes Fußball-Turnier und fordert mit Blick auf Ultras und aktive Fans ein differenzierteres Bild in den Medien.
Jochen Breyer, nur noch wenige Wochen bis zur Katar-WM. Gibt es bei Ihnen schon eine Vorfreude?Jochen Breyer: Im Moment hält sie sich ehrlich gesagt noch in Grenzen. Das liegt aber sicher auch daran, dass ich aktuell noch an einer Dokumentation über Katar arbeite, die am 8. November im ZDF unter dem Titel „Geheimsache Katar“ laufen wird. Ich war zwei Mal dieses Jahr in Doha, um mir ein eigenes Bild zu machen. Auch danach muss ich sagen, dass ich immer noch nicht ganz glauben kann, dass die WM wirklich in Katar stattfindet.
Was erwartet uns in Katar?Jochen Breyer: Diese WM ist eine Art Experiment: eine Weltmeisterschaft in nur einer Stadt. Sechs der acht Stadien sind direkt in Doha. Als würde eine WM in München ausgetragen. Das könnte in der Stadt schon eine besondere Stimmung erzeugen. Die Frage ist: wie viel Stimmung, wie viel Straßenfest, wie viel Fußballfest lässt Katar zu? Auf jeden Fall aber war die Verlegung in den Winter unausweichlich. Wir sind extra im letzten Juni mal nach Doha gereist – also genau dann, als die WM eigentlich hätte starten sollen – und es war eine Hitzehölle. Am Tag des geplanten Eröffnungsspiels waren es 47 Grad, man hat es keine fünf Minuten draußen ausgehalten. Dass die WM allen Ernstes für diesen Zeitraum vergeben worden war – absurd. In unserer Doku gehen wir der Frage nach, wie es Katar gelungen ist, die WM zu bekommen – und sie trotz aller Korruptionsvorwürfe, trotz der Missachtung der Menschenrechte, etwa auf den Baustellen, auch zu behalten.
Was haben Ihre Recherchen ergeben?Jochen Breyer: Ohne vorgreifen zu wollen: Katar hat es sehr clever gemacht: Allianzen geschmiedet, Netzwerke geknüpft, auch und gerade im europäischen Fußball. Das betrifft Klubs, das betrifft Ligen und so hat man es geschafft, einflussreiche Personen und Institutionen zu finden, die hinter dieser Weltmeisterschaft standen.
WM 2022: Jochen Breyer begleitet Katar-Turnier im ZDF
Gerade hat Uli Hoeneß im „Doppelpass“ die WM noch einmal verteidigt. Sie haben damals Karl-Heinz Rummenigge mit dem schönen Spruch gekontert „Menschenrechtsverletzungen sind keine Kultur.“ Wie sehen Sie die Rolle der Bayern?Jochen Breyer: Die Bayern stehen nach wie vor unter starkem Druck ihrer Fans. Das Argument von Uli Hoeneß ist ja: Wenn wir das Geld von Katar nicht nehmen, können wir mit Klubs, die vollständig in der Hand von Staaten sind – wie ManCity oder Paris St. Germain – nicht mehr mithalten. Ist das denn wirklich so? Entscheidet dieses eine Sponsoring darüber, ob die Bayern die Champions League gewinnen können oder nicht? Am Ende müssen wir uns alle fragen: Geht es uns im Fußball nur um Entertainment? Dann wäre es vielleicht nicht so wichtig, wer das finanziert. Oder geht es uns im Volkssport Fußball auch um Werte? Eins ist sicher: Katar wird weiter versuchen, den Fußball für sich einzunehmen. Dazu kommen andere Staaten wie Abu Dhabi und Saudi-Arabien. Die Entwicklung hat gerade erst begonnen.
Allerdings gibt es gerade auch so viele Krisen auf der Welt. Ist es nicht auch legitim, sich einfach auf ein schönes Fußball-Fest zu freuen?Jochen Breyer: Doch, total. Ich bin ganz ehrlich, das wird ein schwieriger Spagat für mich, für uns, auch journalistisch. Wir müssen da die richtige Balance hinbekommen. Ich verstehe die Zuschauer, die sagen: Macht doch bitte nicht aus jeder Sport-Sendung ein Auslandsjournal. Ich bin selbst sauer auf die FIFA, dass sie uns das eingebrockt hat. Dass wir uns nicht vorbehaltlos auf die WM freuen können. Aber wir müssen damit umgehen und für uns als übertragender Sender heißt das: Es wird wichtiger denn je, nicht nur das auszuleuchten, was auf dem Rasen passiert, sondern auch und vor allem das, was daneben passiert. Da sehe ich uns in der Pflicht.
Wenn wir doch noch einmal sportlich draufschauen: Was ist drin für die deutsche Mannschaft?Jochen Breyer: Deutschland ist eine große Wundertüte, aber ich traue Trainer Hansi Flick sehr viel zu. Wie er nach der Ungarn-Niederlage die Schuld auf sich zog, hat mir imponiert. Er weiß: Ich brauche die Spieler, ich muss mich unbedingt vor sie stellen. Flick hat ein gutes Gespür, eine besondere Menschenführung. Und beim Champions-League-Sieg mit den Bayern in Lissabon hat er bewiesen, dass er einen Turniermannschaftsgeist erzeugen kann.
Wer sind sonst die großen Favoriten? Viele können Weltmeister werden, keiner muss?Jochen Breyer: Ja, das ist schön formuliert. Die Franzosen haben individuell sicher den besten Kader, aber bei denen knirscht es in der Mannschaft. Mit Pogba und Mbappé, dazu Benzema. Gespannt bin ich auch auf die Südamerikaner.
Zurück zur politischen Diskussion: Jetzt gibt’s Entwürfe von Kapitänsbinden mit Regenbogen-Farben, die Dänen haben ein Protesttrikot entworfen. Können solche Aktionen etwas bewirken?Jochen Breyer: Es ist ganz wichtig, dass es solche Aktionen gibt. Katar wollte die WM, um einen Prestige-Erfolg zu erzielen. Die WM soll eine große Katar-Werbe-Show werden. Dafür haben sie sich mit vielen Milliarden eine glitzernde und glänzende Bühne gebaut. Ich fände es gut, wenn genau auf dieser Bühne Zeichen für die Menschenrechte gesetzt werden.
Jochen Breyer hat Verständnis für WM-Boykott
Haben Sie Verständnis für die vielen Boykott-Forderungen von aktiven Fans?Jochen Breyer: Als Fernseh-Moderator müsste ich ja jetzt eigentlich dafür werben, unsere Sendungen zu schauen. Aber Spaß beiseite: Jeder muss das selbst entscheiden. Wenn jemand das Turnier boykottiert, ist das völlig legitim. Auch ein guter Freund von mir hat angekündigt, nicht zu schauen. Mein Verdacht ist aber, dass er am Ende doch vor dem Fernseher sitzen wird.
Beim Champions-League-Finale haben Sie sich den Respekt verdient, als sie sich für eine voreilige Verurteilung der Fußball-Fans entschuldigten, nachdem klar wurde, dass die Sicherheitsbehörden versagten. Beim Spiel des 1. FC Köln in Nizza gab es eine ähnliche Problematik. Berichten die Medien da zu einseitig?Jochen Breyer: Ich war in Nizza nicht dabei und weiß zu wenig, um mir da ein Urteil zu bilden. Was ich aber finde: Das Bild, das von den Ultras in den Medien gezeichnet wird, ist bisweilen zu einseitig und klischeebeladen. Verbände und Klubs machen die Ultras schnell verantwortlich, wie in Paris. Dort stellte sich heraus, dass es die Behörden und die Veranstalter waren, die versagt hatten, nicht die Fans. Wir dürfen also nicht den Fehler machen, mit dem Finger immer gleich auf die Fans zu zeigen.
Als Moderator im ZDF-„Sportstudio“ haben Sie in diesem Sommer bemerkenswerte Gespräche mit Timo Baumgartl oder auch Neven Subotic geführt. Sind das die Dinge, die dieses Format besonders machen?Jochen Breyer: Das sind die Sendungen, die mir am meisten bedeuten. Auch wir machen immer mal wieder 1:0-Berichterstattung, wenn wir Spiele live übertragen, das gehört auch dazu. Umso schöner ist es, in den Gesprächen den Menschen in dieser Branche nahezukommen. Die Gespräche mit den beiden haben mich tief bewegt und werden mir in Erinnerung bleiben. Genau dafür ist das „Sportstudio“ da.