Der Kölner Kabarettist Jürgen Becker ist mit dem Ehrenring des Rheinlandes ausgezeichnet worden. Dabei handelt es sich um die höchste Anerkennung, die der LVR verleiht.
Bei feierlicher EhrungRundumschlag von Jürgen Becker: „Warum sind so viele Pissnelken dabei?“
Die turbulenten politischen Tage sind natürlich gerade für Kabarettisten und Autoren wie Jürgen Becker (65) besonders herausfordernd. Im Rheinlandsaal des LVR-Landeshauses wurde der Kölner am Mittwochabend (6. November 2024) mit dem Ehrenring des Rheinlandes ausgezeichnet.
Doch während der Feierstunde des Landschaftsverbands Rheinland zerbrach in Berlin die Ampel – wenige Stunden nach dem Wahlsieg von Donald Trump (78).
Jürgen Becker: Landschaftsverband Rheinland vergibt höchste Ehrung
Seine Dankesrede nutzte Jürgen Becker daher direkt zu einem Rundumschlag. „Es rollt jetzt eine Welle des Egoismus auf uns zu und das nicht nur aktuell mit dem Sieg von Donald Trump in den USA. Die Unzufriedenen sind gerade dabei, die Demokratie zu zerstören und frönen dem Egoismus. Helmut Kohl hat allen Ostdeutschen blühende Landschaften versprochen. Aber wenn man heute sieht, dass Björn Höcke und die AfD zur stärksten Partei gewählt werden, dann fragt man sich doch, warum sind bei den blühenden Landschaften so viele Pissnelken dabei.“
Mit dem Ehrenring zeichnet der LVR Menschen aus, die sich in vielfältiger Weise zum Wohle des Rheinlandes und der Menschen, die hier leben, einsetzen. Direktorin Ulrike Lubek hob hervor, dass nur ein denkendes Publikum lachen könne und erklärte: „Geschickt ist Jürgen Becker uns dabei behilflich, er lenkt unsere Gedanken, bricht unsere Erwartungen und setzt scheinbar beiläufig intelligente Botschaften, die sich in unseren Köpfen verfangen.“
Ebenso unterstrich sie das Engagement von Becker für ein multinationales und interreligiöses Zusammenleben. „Sie geben all jenen Rückenwind, die Unterstützung brauchen, um selbstbestimmt am Leben Teil zu haben“, betonte Ulrike Lubek und ergänzte: „Dafür kämpfen sie auf unnachahmliche Weise – mit Herz, Verstand und Humor.“
Unter den rund 100 Gästen aus Kultur, Politik und Verwaltung waren unter anderem der Vorsitzende der Synagogen-Gemeinde Köln und ebenfalls Träger des Ehrenringes des Rheinlandes, Abraham Lehrer, die Präsidentin der Stunksitzung „Biggi“ Wanninger und der Vorsitzende der Freunde und Förderer des Kölnischen Brauchtums, Bernhard Conin.
Gemäß dem Motto „Der Künstler ist anwesend“, das auch Titel eines Soloprogramms von Jürgen Becker war, hielt die Vorsitzende der Landschaftsversammlung Anne Henk-Hollstein die Laudatio. „Jürgen Becker ist präsent und höchst aufmerksam, wenn es darum geht, die Eigenarten der Menschen im Rheinland zu beobachten und präzise zu benennen. Dabei legt er auch den Finger in die Wunde, beispielsweise wenn es um aktuelle gesellschaftliche und politische Themen gehe.“
Als Beispiel nannte sie die „Stunksitzung“, die Becker 1983 mitgegründet hat und die Kabarettsendung „Mitternachtsspitzen“, deren Gastgeber Becker von 1993 bis 2020 war. Ebenso lobte Anne Henk-Hollstein das soziale Engagement des Kabarettisten.
Jürgen Becker stärkt Menschen den Rücken, denen es an Orientierung und Sicherheit fehlt. Er engagiert sich für Obdachlose, hilft Jugendlichen bei ihrer beruflichen Entwicklung und setzt sich für Menschen mit Behinderung ein. „Mit einem Augenzwinkern, nicht mit dem erhobenen Zeigefinger, erreichen sie die Menschen, machen ihnen ihre Stärken und ihre kleinen Schwächen bewusst.“
Im EXPRESS.de-Gespräch gestand Becker, dass er eigentlich kein Mensch sei, der auf Auszeichnungen steht. „Dennoch freue ich mich sehr über diese hohe Ehrung, denn im Gegensatz zu dem, was alles auf der Welt Schlimmes passiert, ist es doch was Schönes.“ Dennoch: Früher hätte er sie nie angenommen.
„Als wir die Stunksitzung gegründet haben, waren wir ja anti und hätten niemals vom Landschaftsverband eine Ehrung angenommen. Wir müssen uns heute von der Attitüde verabschieden, eigentlich gegen die Gesellschaft zu sein. Jetzt müssen wir sie verteidigen und dann muss man auch mal sowas machen“, betonte Becker mit einem zwinkernden Auge.