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Kölner Business-Coach packt ausLGBTQI+: Ausgebremst in der Chefetage

Zwei Männer lehnen an einer Säule und lächeln in die Kamera.

Seit zehn Jahren verheiratet: Der Kölner Pfarrer Markus Herzberg (l.) und Kommunikationstrainer Matthias Herzberg.

Total tolerant? Von wegen! Gemobbt und rausgeworfen wegen der sexuellen Orientierung. Ein Kölner Business-Coach packt aus, wie es queeren Menschen immer noch ergeht.

von Andrea Kahlmeier  (ak)

Die Einladung zu einer großen Vertriebstagung galt natürlich auch für die „Partnerinnen“. Als Matthias Herzberg (45), verheiratet mit einem evangelischen Pfarrer in Köln, noch mal nachfragte, bekam er den „gut gemeinten“ Ratschlag: „Können Sie nicht irgendeine Freundin mitbringen?“ Kein Witz!

Mehr als 10.000 Führungskräfte hat er in den vergangenen 16 Jahren gecoacht – geoutet hätten sich in den Seminaren gerade mal 20. „Das sind 0,15 Prozent“, sagt Herzberg. In seinem Buch „Andersrum in die Chefetage – Queer Karriere machen in der Männerwirtschaft“ (Lübbe, 16,99 Euro) macht er sich dafür stark, sich so früh wie möglich am Arbeitsplatz zu outen.

LGBTQI+: Coming-Out fürs eigene Wohlergehen – nicht für das von anderen

„Dein eigenes Wohlergehen und deine Leistungsfähigkeit sind dafür zweifellos der wichtigste Grund“, weiß er aus eigener Erfahrung. Obwohl es nicht immer leicht für ihn war. Als er sich bei seinen Eltern outete, wollte seine Mutter ihn zur „Therapie“ überreden, nach seinem ersten Besuch in einer Schwulen-Kneipe wurde der Student am nächsten Tag von einem Kommilitonen zwangsgeoutet.

Alles zum Thema LGBTQI+

Als er eine Stelle als Sozialpädagoge im Knast antrat, wurde er offen bedroht, in der öffentlichen Verwaltung von Kollegen diffamiert, in einem Coaching-Unternehmen aufgrund von Intrigen gefeuert. Und auch heute noch sind es diese kleinen Spitzen, diese unüberlegten Worte, die ihm immer wieder zeigen, dass Homosexualität längst nicht gelebte Normalität ist.

LGBTQI+: Ungewollte schlechte Ratschläge sind wenig hilfreich

„Diese Emoji-Herzchen finde ich aber ganz schön schwul“, sagte jüngst ein Seminarteilnehmer. Oder da gab es den Ratschlag der Kollegin: „Wenn du dir darüber bewusst bist, wie du bist, kannst du das denn nicht abschalten, solange du auf der Arbeit bist?“ Herzberg: „Genauso gut hätte sie mich fragen können, ob es mich nicht auch in hetero geben würde.“

Was die Frau meinte? Er holt im Gespräch mit EXPRESS.de zu einer schwungvollen Geste aus, um auf die Uhr zu schauen: „Diese dynamischeren Handbewegungen – so sind wir, oder zumindest einige von uns. Und? Was ist dabei?“

LGBTQI+: Kölner Pfarrer lebt mit seinem Ehemann im Pfarrhaus

Irgendwann sei ihm klar geworden: „Ich kann nicht alle anderen zwingen, mich für normal zu halten – sehr wohl aber mich selbst.“ Seitdem sage er bei Eröffnungsrunden ganz selbstverständlich: „Ich lebe mit Mann und Hund in einem Pfarrhaus in Köln.“

Ehemann Markus Herzberg (45) ergänzt: „In unserer Pfarrgemeinde, der Antoniter-Kirche in der Schildergasse, ist das kein Thema. Da werde ich sofort gefragt ‚Wo haben Sie denn Ihren Mann gelassen?‘, wenn ich auf einer Veranstaltung mal allein aufkreuze.“

LGBTQI+: Mehr Outings in der Chefetage

Das Paar wünscht sich, dass immer mehr Manager mit gutem Beispiel vorangehen – wie etwa Gesamtmetall-Chef Stefan Wolf. Doch leider sei oft genug immer noch das Gegenteil der Fall. „Viele schwule Männer erleiden ab einer bestimmten Position in der Unternehmenshierarchie eine Art identitäre Amnesie, schalten einen Teil ihrer Persönlichkeit temporär stumm, um nicht aufzufallen.“

Dabei sollten sie doch punkten mit Soft Skills wie Empathiefähigkeit, die sie vielleicht besser einbringen können als heterosexuelle Männer, meint Herzberg. Sein Wunsch für die Zukunft: „Wir brauchen keine Toleranz, sondern Akzeptanz.“ Aber solange es noch Finanzämter in Deutschland gibt, die gleichgeschlechtliche Gatten und Gattinnen mit „Herrn X und Frau Y“ anschreiben, wird das noch ein weiter Weg sein …

LGBTQI+: Das sind prominente queere Vorbilder

Thomas Hitzlsperger: Als erster prominenter homosexueller Fußballer entschloss sich der ehemalige Nationalspieler 2014 nach seinem Karriereende, sich zu outen. Der 39-Jährige glaubt, dass es mittlerweile nicht mehr so ein Tabu ist und empfiehlt, „auf seine innere Stimme zu hören“.

Eva Kreienkamp: Die Chefin der Berliner Verkehrsbetriebe (59) hat sich schon früh geoutet. Mit 16, 17 habe sie sich gesagt, dass sie ein gutes Leben haben möchte – als ganze Person. „Meine Sexualität ist ein Teil davon – auch im Beruf“, sagte sie in einem Interview mit der „B.Z.“.

Hape Kerkeling bei der zur Verleihung des Deutschen Fernsehpreises 2021.

Entertainer Hape Kerkeling wurde ebenfalls zwangsgeoutet.

Hape Kerkeling: Im Dezember 1991 erfuhr Entertainer Hape Kerkeling (57) durch den Anruf einer Freundin, dass Rosa von Praunheim ihn und Alfred Biolek in „Explosiv - der heiße Stuhl“ zwangsgeoutet hatte. Geschadet hat es ihm nicht. Das Publikum habe „irre normal“ reagiert.

Stefan Wolf: Nachdem er geschieden war, machte Wolf (60), Präsident des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall 2020, seine Beziehung mit dem Musicalstar Kevin Tarte öffentlich: „Warum sollen wir uns verstecken? Ich meine: Es ist, wie es ist, und es ist gut so.“

Kevin Kühnert: Der SPD-Parteivorsitzende Kevin Kühnert (32) outete sich 2018 in einem Interview als schwul. „Es ergab für mich überhaupt keinen Sinn, meine Sexualität geheim zu halten“, sagt er heute. In der SPD, wie er sie erlebe, sei die Sexualität vollkommen egal.

Niek Jan van Damme: Der Ex-Telekom-Manager (60) sagt im Vorwort des Herzberg-Buchs: „Sich zu outen ist immer noch ein großer Schritt. Einer, der Vorbereitung und Einstimmung erfordert. Dabei brauchen junge Menschen Unterstützung, Spätentschlossene auch.“