Unterwegs in der Kölner CityHeldengeschichten: Die Helfer mit den Bollerwagen
Köln – Ein tolles Projekt, welches aktuell nicht wichtiger sein könnte. Die Kölner Privatinitiative „Straßenwächter“ streift täglich durch die Kölner Innenstadt, um Menschen in Not zu helfen. Das Anliegen der „Straßenwächter“ ist, die Grundbedürfnisse von Obdachlosen sicherzustellen und auch als Ansprechpartner für sie da zu sein.
Sei es eine warme Mahlzeit, Getränke, gespendete Kleidung oder zugekaufte Hygieneartikel, die seit der Corona-Pandemie noch einmal wichtiger geworden sind als ohnehin schon. Denn: Viele Obdachlose haben nicht die Möglichkeit, sich andauernd die Hände zu waschen oder zu desinfizieren. So gibt es auf einem der Bollerwagen sogar eine mobile Hygienesäule mit Desinfektionsmittel und Seife.
Viele große Restaurants, Bäckereien und andere Lebensmittelvertriebe unterstützen die „Straßenwächter“ mit der Anlieferung von Lebensmitteln, wenn diese nicht auf der Route liegen. Darüber hinaus unterstützen viele Ehrenamtliche die Obdachlosenhilfe mit ihrer Zeit und helfen, die Lebensmittel an Obdachlose zu verteilen.
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Warum sollten auch übrig gebliebene Lebensmittel oder noch gut erhaltene Kleidung weggeschmissen werden, wenn sie Bedürftigen helfen können? EXPRESS hat den Gründer und Kölner Helden Dennis B. (35) einen Tag bei seiner ehrenamtlichen Tätigkeit durch die Kölner Innenstadt begleitet und bei der Tour mit drei Bollerwagen mitgeholfen.
„Straßenwächter“: Wie kam es zur Gründung der Privatinitiative?
Im Jahr 2005 ist dem Koblenzer „Straßenwächter“-Gründer Dennis B. immer wieder ein Obdachloser vor seinem Arbeitsplatz aufgefallen, mit dem er irgendwann ins Gespräch gekommen ist. Dennis B. wollte wissen, woher er denn eigentlich sein Essen bekäme. Der Hilfsbedürftige nannte dem damals 20-Jährigen drei Möglichkeiten: Essen erbetteln, stehlen oder als Spende zu empfangen. Doch Spenden zu bekommen ist leider überhaupt nicht die Regel.
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Für Dennis B. unbegreiflich, da viele übrig gebliebene Lebensmittel weggeworfen werden. Er erkannte die Probleme der Hilfsbedürftigen auf der Straße und gründete – anfangs aber eher zufällig und unbewusst – die Privatinitiative „Straßenwächter“, um Wohnungslosen einmal in der Woche Lebensmittel zu bringen. Doch der junge Gründer merkte schnell, dass es weit viel mehr Menschen in Not gibt, die auf der Straße leben und der Bedarf an Lebensmittel weitaus höher ist.
So hat er es sich zu seiner Aufgabe gemacht, Wohnungslosen tagtäglich zu helfen ─ alleine aber kaum machbar. Denn: Dennis B. arbeitet auch noch in einem Angestelltenverhältnis. Von 2005 bis 2015 verteilte Dennis die Lebensmittel noch alleine an die Bedürftigen.
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2015/2016 ging der Gründer mit seinem Projekt an die Öffentlichkeit und postete täglich in den sozialen Netzwerken, was aktuell noch alles auf den Straßen benötigt wird. Die Resonanz war direkt groß. Nach und nach meldeten sich weitere Helfer, die Dennis tatkräftig bei seinem Engagement unterstützen wollten. So erklärt der 35-jährige Gründer: „Anfangs habe ich bei Läden nach Spenden angefragt, aber mittlerweile kommen die meisten, die helfen wollen, via Facebook oder E-Mail auf mich zu.“
2017 baute der Gründer eine 33,5 qm große Fläche als Lager aus. Da alles sehr marode war und es sogar reinregnete, wurde die angemietete Fläche mit Hilfe von zahlreichen Ehrenamtlichen und Obdachlosen ausgebaut. Neue Fenster, neue Stromleitungen inklusive. Seit der Fertigstellung mit etwa 100 Helfern gilt das Lager als das Herz der Organisation. Jährlich werden in dem Lager über 140 Tonnen Lebensmittel bewegt.
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Durch die Corona-Pandemie hat sich die Lage der Obdachlosen weltweit verschärft, somit gibt es auch in Köln derzeit vermehrt zu tun. Nach Angaben des Gründers war die erste Zeit des Corona-Lockdowns äußerst schwierig.
So sehr, dass er auch für zehn Tage pausieren musste, da die Geschäfte alle geschlossen hatten und somit keine Lebensmittelspenden auf seiner täglichen Kölner Tour eingesammelt werden konnten. Die „Straßenwächter“ konnten aber auf Konserven – ihre Wintervorräte – zurückgreifen. Dennoch gab es auch zu dieser Zeit Geld- und Kleiderspenden und die Dankbarkeit der Obdachlosen war enorm.
„Straßenwächter“: Anerkennung der Stadt Köln durch OB Henriette Reker
Seit 2020 sind die „Straßenwächter“ eines der größten Lebensmittelvertriebe für Wohnungslose in der Kölner City. „So werden monatlich etwa 6000 Obdachlose mit Lebensmitteln, Kleidung und Drogerieartikeln versorgt“, erklärt Dennis B..
Am 1. Juli empfing das Ehrenamt zudem eine Dankes- und Anerkennungsurkunde der Stadt Köln „für bürgerschaftliches Engagement“ im Namen der Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker (63).
„Straßenwächter“: EXPRESS begleitet die Ehrenamtler bei ihrer Tour
11 Uhr: Los geht's bei den „Straßenwächtern“ mit den ersten Lebensmittelanlieferungen.
12 bis 16 Uhr: Koch Björn (39) – der selbst obdachlos ist – bereitet aus den gelieferten Produkten ein schmackhaftes Essen zu. An diesem Tag: ein Reis-Bohnen-Salat. Ein ehrenamtlicher Helfer ist ab der Mittagszeit auch mit dabei und hilft bei der Zubereitung und bei den ersten Vorbereitungen der Tour. Dazu gehören auch putzen, aufräumen, sortieren und die drei Bollerwagen startklar machen. Der erste ist bepackt mit Kleiderspenden, der zweite mit Hygieneartikeln und der dritte mit mehreren Getränke- und Essensbehältern, die jeweils 60 Liter fassen.
16:30 Uhr: Ankunft der Ehrenamtler, die später auf der Tour das Essen an die Obdachlosen verteilen. Sie helfen auch noch bei den letzten Vorbereitungen.
17 Uhr: Die Tour mit drei Bollerwagen startet in der Kölner City. Mit dabei sind an diesem Tag die Helfer Simone R. (23), Studentin der Sonderpädagogik an der Universität zu Köln, und Vincent S. (26), der nach seinem abgeschlossenem Studium im Bereich der Jugendhilfe arbeitet.
Auf die Frage, warum sie sich ehrenamtlich betätigt, erklärt Studentin Simone: „Ich helfe ehrenamtlich bei den Straßenwächtern mit, weil ich mich im sozialen Bereich engagieren und Menschen helfen möchte. Die Dankbarkeit der Menschen stimmt mich glücklich und ich lerne jedes Mal etwas über das Leben dazu.“
17:20 Uhr: Erster Stopp: der Vorplatz der Kirche Herz Jesu am Zülpicher Platz. Die ersten Hilfsbedürftigen freuen sich über die zubereitete Mahlzeit und die anderen Spenden. Danach geht es über den Hohenstaufenring Richtung Ehrenstraße zum Sterne-Restaurant „NeoBiota“, die die zwei weiteren noch leeren Essensbehälter befüllen werden.
17:50 Uhr: Ankunft am „NeoBiota“: Das Restaurant, welches einen Michelin-Stern besitzt, gibt es seit zwei Jahren in Köln. Dieses Mal können sich die Obdachlosen auf einen schmackhaften Nudelsalat mit Bärlauchpesto freuen.
Gründer Dennis stößt hinzu und erklärt, dass er aktuell auf der Suche nach einem neuen Ladenlokal sei. Dieses sollte ebenerdig sein und eine circa 100 bis 150 qm große Fläche besitzen, vorzugsweise im Kwartier Latäng, im belgischen Viertel bzw. nah in dieser Umgebung. Falls Sie einen Tipp haben sollten, wenden Sie sich bitte an den Gründer Dennis B. unter der E-Mail-Adresse: strassenwaechter@web.de
18 Uhr: Über die Ehrenstraße geht es zum „Café Fromme“. Die Besitzer geben den Ehrenamtlern leckeren Kuchen für die Hilfsbedürtigen mit. Währenddessen erklärt Helferin Simone, wie sie auf die Obdachlosen-Initiative aufmerksam geworden ist: „Ich bin durch die sozialen Netzwerke auf die Initiative aufmerksam geworden, als ich nach einem Ehrenamt gesucht habe.“
18:30 Uhr: Nächster Halt ist die SB-Bäckerei „Backwerk“. Kurz vor Ladenschließung empfangen die „Straßenwächter“ mehrere Tüten Backwaren. Für jeden etwas dabei.
19 Uhr: Auf dem Weg der Lebensmitteleinsammlung konnten die Ehrenamtler schon einigen Hilfsbedürftigen helfen. Nun geht es durch die Kölner Innenstadt von der Breite Straße über die Schildergasse bis zur Endstation: „Neumarkt“. Dort angekommen werden die letzten Mahlzeiten, sowie Kleidungsstücke und Hygieneartikel an dankbare Obdachlose verteilt.
21 Uhr: Mit leeren Bollerwagen geht es zurück zum „Straßenwächter“-Standort. Nach dem ereignisreichen Tag wird alles an seinen Platz gestellt, aufgeräumt und abgewaschen, damit am nächsten Tag ab 11 Uhr wieder aufs Neue losgelegt werden kann.
Fazit: Bedürftigen zu helfen ist sehr wichtig und richtig. Die Dankbarkeit der Menschen ist immens. Vielen bedeutet die Wahrnehmung extrem viel – sei es auch „nur“ mit einem Lächeln im Gesicht ...
„Straßenwächter“: So können Sie helfen
Wer mithelfen und unterstützen möchte, kann eine E-Mail an strassenwaechter@web.de senden. Neben Nahrungsmitteln und Getränken nehmen die Ehrenamtler auch Sach- und Kleiderspenden (unisex oder für Herren) an. Diese Spenden können postalisch an folgende Adresse zugesendet werden:
- Privatinitiative Straßenwächter
- Hauptstraße 86a
- 51143 Köln
Persönliche Abgaben von Spenden sind nach Absprache möglich: von Montag bis Freitag zwischen 13 Uhr und 16 Uhr.
Bei Spenden unbedingt darauf achten, dass alles sauber und ordentlich verschlossen ist. Hygieneartikel wie Shampoos, Duschgele etc. bitte extra zukleben. Geldspenden können über paypal.me/strassenwaechter überwiesen werden.