Kult-Lokale Teil 7„Marienbild“: Kutschen, kölsche Traditionen und Karnevalisten
Köln – Kölns Kneipen und Gaststätten sind Schauplätze kleiner und großer Geschichten. In der EXPRESS-Serie „Kölns Kult-Lokale“ schrieben wir bereits über das „Chlodwig Eck“, das „Ristorante Luciano“, den „Kurfürstenhof“, das „Kebapland“, das „Klein Köln“ und den „Stiefel“. Heute führt uns die Serie zu einem wahren „Klassiker“ an der Aachener Straße: Im „Marienbild“ sind wir im Bilde.
„Sag bloß nicht Lindenthal – wir sind hier in Braunsfeld! Da sind die Leute hier sehr eigen.“ Gunnar Gehring sitzt lachend mit einem Glas Kölsch vor sich an der Aachener Straße und strahlt mit der Frühlingssonne um die Wette. Von oben runter grüßt die Schutzpatronin des Hauses: Das mächtige Marienbild, das dem Traditionshaus im Kölner Westen seinen Namen gibt.
Erinnerungen an die Kutschenstation
Hier, unweit des Rheinenergie-Stadions, kommt man an dem Laden mit bewegter Vergangenheit nicht vorbei. Schon vor fast 300 Jahren hieß es an gleicher Stelle: Aufsitzen! „Das Haus gibt es seit 1721, es war damals eine Kutschenstation von Aachen nach Köln“, erzählt Betriebsleiter Gehring die kuriose Geschichte des Gebäudes.
„Hier wurden die Pferde ausgespannt, umgespannt. Die Leute konnten sich erholen und was trinken. Es war keine Bebauung da, ein komplett freies Feld, einfach eine grüne Wiese. Die wurde damals gastronomisch genutzt. Bei unserer Neueröffnung 2007 haben wir extra eine Kutsche zum Spaß dazu geholt, um an die Anfänge zu erinnern.“
Marienbild
Aachener Straße 561
Gegründet: 1721
Betreiber: Marienbild Gastronomie GmbH seit Dezember 2007. Inhaber: Gunnar Gehring & Matthias Kolvenbach
Publikum: Schüler, Handwerker, Unternehmer bis zum Professor.
Gustl Richter bringt die feine Küche ins Marienbild
Doch dass den Kölnern ihr Marienbild bis heute ein Begriff ist und einen guten Ruf hat, liegt vor allem an einem Mann: Gustl Richter. Denn der Star-Gastronom, in dessen Familie es 15 Köche gab, war es, der die Oberschicht der Stadt nach Braunsfeld holte und kulinarisch überregional Maßstäbe setzte. Er wohnte in der Friedrich Schmidt-Straße direkt daneben, das Marienbild war sein Leben.
„Ohne ihn wäre das Haus nie bekannt geworden. Ein Patriarch, ein Mann mit ganz großer Aura“, sagt Gehring. „Gustl hat den feinen Pfiff nach Köln gebracht, er hat allein 25 Köche beschäftigt, ein Team von 60 Mitarbeitern. Er hat den Deutschen beigebracht, wie feine Küche aussehen kann.“
Es gab kein Kölsch, nur Pils als Bier. Ansonsten Weine. Die Steaks begannen ab 23 DM, „auf heute umgerechnet sind wir bei 50,70 Euro“, so Gehring weiter. „Ähnlich wie das „Chez Alex“ gehörte das Marienbild zu den besten Restaurants Kölns, wenn nicht Deutschlands, eine Institution.“
Richter erhält den Ritterschlag
Richter war nicht nur Bundesverdienstkreuzträger, Vorsitzender des Hotel- und Gaststättenverbandes Nordrhein, sondern nebenbei auch Träger des „Diplôme d’Honneur“ der Corporation des Vignerons de Champagne (1979). Als einer der ganz Wenigen ehrte ihn das Präsidium in Paris als Mitglied der Chaîne des Rôtisseurs – der Ritterschlag der Gastronomie. Richter war Kölns Aushängeschild, ein „All-Star“ der Szene.
Die kölsch-katholische Tradition verlangte es geradezu, dass die besser Betuchten der Stadt ihre Hochzeiten, ihre Kommunionen im Marienbild bei Richter im 300 Plätze fassenden Ambiente zelebrierten.
Treffpunkt für Promis, Karnevalisten und FC-Fans
Bis heute verkehren viele Prominente im Lokal. Ob der jüngst verstorbene Ex-Außenminister Westerwelle, Eishockey-Legenden der Haie, TV-Star Dieter Bohlen („Dieter ist immer unter Zeitdruck, aber dennoch entspannt. Alkohol trinkt er nie...“), die Kölner Kultband Kasalla, die jeweiligen Oberbürgermeister zu jeder Zeit, sie alle sind hier ein und ausgegangen.
Auch für Karnevalisten verschiedenster Gesellschaften ist die ehemalige Kutschstation ein beliebter Treffpunkt. Und für Fußballfans sowieso: Wenn der FC spielt, ist der Laden brechend voll.
Modernisierung brachte neuen Schwung
Als Richter altersbedingt aufhörte und nur noch Privatier war, gingen die goldenen Jahre zunächst vorbei. Seit Gehring und seine Partner 2007 das Haus dank der Gaffel-Brauerei komplett modernisierten, ist es wieder eine Standardadresse für die Brausfelder in der Richter-Tradition.
Es schmerzt Nachfolger Gehring, wenn er über den Ur-Vater des Marienbilds spricht, denn er fand dement ein tragisches Ende. „Kurz vor seinem Tod kam er noch einmal bei uns vorbei. Er wollte unser Kunstwerk, den Bierbaum im Innenhof noch mal sehen. Da hat er Abschied genommen.“ Das Beerdigungsessen wurde im Marienbild gemacht. Das Haus aber, das lebt auch ohne die Legende bis heute weiter.
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