Kult-Lokale Teil 3„Kurfürstenhof“: Punk, Asi-Zeltinger und nackte Frauen im Käfig!
Köln – Kölns legendäre Kneipen und Gaststätten sind Schauplätze kleiner und großer Geschichten. In der Serie über Kölns Kult-Lokale geht es heute um das einstige Künstlerlokal „Kurfürstenhof“ in der Südstadt. Zeitzeugen erinnern sich im EXPRESS an die obszönen Tage im „Hof“!
Jürgen Zeltinger (66) sitzt auf einem Fensterplatz zur Bonner Straße, nippt an einer Cola Light und schaut fast sehnsüchtig zum Eingang rüber. „Ich wüsste nicht, in welchem anderen Laden so eine Atmosphäre gewesen ist.“
Die 80er Jahre, die Südstadt, die Kneipe Kurfürstenhof. Das hat geknallt. Und alle, die das wie Zeltinger miterlebt haben, erinnern sich an die Käfige, die der Wirt Bernd Schmitz eines Tages aufgestellt hatte.
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Obszöner Blickfang mitten in der Kneipe
Es ist eine bizarre, provokante Kunstaktion, die Schmitz mit dem Künstler Jürgen Klauke damals initiiert. Sieben, acht Frauen haben sich zur Verfügung gestellt. Mitten im Kneipenrummel sind die Käfig-Frauen ein obszöner Blickfang. Tage, Wochen geht das so. „Die Frauen, das waren Kunststudentinnen und Freundinnen vom Schmitz. Die haben auch schon mal ein Bier ins Gesicht bekommen, aus Flachs“, sagt Zeltinger. Die Zeit ist wild.
In-Laden für die Kunstszene
An einem Abend steht auch „De Plaat“ Zeltinger – der Asi mit Niveau ist da ein Star der Musikszene – hinter Gittern, so wie Gott ihn schuf. Schmitz, der Wirt, der gleich über seinem Laden wohnt, ist das Zentrum inmitten aller dieser Aktivitäten.
Bernd Odenthal, Kind der Südstadt und BAP-Keyboarder der ersten Stunde, sagt: „Der Kurfürstenhof war elitär. Da war eher die Lederabteilung zu Hause. Für die Kunstszene war das der In-Laden damals. Das lag vor allem am Wirt. Ich weiß noch: Schwarzer Jaguar, schwarze Harley – der Bernd Schmitz stand auf schwarz. Und war ja selbst Maler.“
Kurfürstenhof
Bonner Straße 21
Gegründet: 1944
Betreiber: seit elf Jahren Ghasem Hemmat, früher Bernd Schmitz
Publikum: Früher vor allem Künstler, Alternative, Studenten, Punker. Heute keine Punker mehr.
„Wir waren jung und brauchten das Geld“
Szenenwechsel. Vom Kurfürstenhof, das heute ein schnuckeliges Café ist, ins Café Fromme. Wir treffen eine der Frauen aus den Käfigen, sie ist heute eine erfolgreiche Kölner Galeristin und so attraktiv wie damals. Die Käfig-Aktion sei eine Performance von Jürgen Klauke gewesen. „Es ging darum, an Grenzen zu stoßen, verstörend zu werden, Leute zu brüskieren – in einem Kontext, wo man es nicht unbedingt erwartet.“ Zum Beispiel in einer Kneipe.
Schmitz, der Wirt, habe eine „enorme Autorität“ gehabt, „vor dem haben sich viele gefürchtet.“ Als sie nackt im Käfig stand, habe sie, das Mädchen aus Köln-Seeberg, noch nicht mal das Abitur gehabt. Sie schmunzelt: „Wir waren jung und brauchten das Geld.“
Käfig-Frau wird erfolgreiche Filmproduzentin
Mit ihrer besten Freundin, die auch zu den Käfig-Frauen gehörte, ging sie schon bald nach New York, lernte Andy Warhol und Keith Haring kennen. Die Freundin ist heute erfolgreiche Filmproduzentin.
„Gaststätten wie der Kurfürstenhof, das Trampolin im Belgischen Viertel – eher eine Disco – das Pink Champagne und das Blue Shell waren Brutstätten für kreatives Potenzial, das sich dort entfalten konnte“, sagt die Galeristin.
Mit dem Mofa in die Kneipe
Auch Zeltinger entfaltet sich damals. Er schlägt mehrmals wöchentlich bei seinem Kumpel Bernd im Kurfürstenhof auf. Und dies manchmal auch auf seine ganz eigene Weise: „Ich bin mal total betrunken mit dem Mofa hier reingefahren und mitten im Laden an der Theke stehengeblieben“, erzählt er von den Exzessen.
Zeltinger: „Der größte Asi war wahrscheinlich ich“
Zeltinger weiter: „Was meinst du, was hier abgelaufen ist? Wenn wir dicht waren, sind wir erst mal oben beim Bernd pennen gegangen, dann nach ein paar Stunden wieder runter. Wenn ich hier mit meiner Band gespielt habe, dann im Tiger-Slip. In Strapse sang ich dann den Tuntensong und sprang auf dem Billardtisch herum. Die Bude war brechend voll, draußen standen 100 Mann auf der Straße. Man kann sich das heute kaum vorstellen. Hier gab es gute Musik, hier waren keine Asis. Der größte Asi war wahrscheinlich ich…“
Bernd Schmitz, der Wirt, gründete später die legendäre Partyreihe „Blue Monday“ im Alten Wartesaal. Zuletzt habe er in Mexiko gelebt, erzählen Freunde – mittlerweile ist er wieder nach Köln zurückgekehrt.