„Ein Träumchen“BAP-Heimspiel wird zum Konzert-Spektakel – so geht es mit Niedeckens „Zeitreise“ weiter

Wolfgang Niedecken beim Konzert in der Lanxess-Arena.

Wolfgang Niedecken freute sich am Donnerstagabend (12. Dezember 2024) über das erste der beiden Heimspiele in der Lanxess-Arena.

Mit zwei ausverkauften Shows vor über 30.000 Fans endet die BAP-„Zeitreise“-Tour mit den alten Klassikern in der Lanxess-Arena. Wolfgang Niedecken zieht im EXPRESS.de-Gespräch Bilanz.

von Marcel Schwamborn  (msw)Daniela Decker  (dd)

Es war schon 23.15 Uhr, als Wolfgang Niedecken (73) am Donnerstagabend (12. Dezember 2024) allein mit seiner Gitarre um den Hals auf der Bühne stand, um nach über drei Stunden Konzert noch den Song zu spielen, mit dem alles anfing. Doch die Lanxess-Arena tobte.

„Oh, wie ist das schön“, sangen die über 15.000 Fans in der restlos ausverkauften Halle. „Wahnsinn! Wie sollen wir das morgen nur steigern?“, fragte sich der BAP-Frontmann angesichts der Ekstase.

BAP: Über 30.000 Fans in Köln zum Abschluss der „Zeitreise“-Tour

Als sich die Menge wieder etwas beruhigt hatte, folgte dann noch „Helfe kann dir keiner“, das Lied, das Niedecken 1976 in seiner Küche in der Teutoburger Straße geschrieben und anschließend seiner noch namenlosen Band vorgespielt hatte. „Da ist mein ganzer Liebeskummer reingeflossen“, erzählte er.

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Damals – im Proberaum an der Autobahn 555 oder bei den folgenden Auftritten im Chlodwig-Eck – hätte der Musiker nicht einmal davon zu träumen gewagt, was er mit seiner Kölschrock-Musik fast fünf Jahrzehnte später noch einmal erleben wird. Die am Donnerstag und Freitag zu Ende gehende „Zeitreise“-Tour war eine einzige Erfolgsgeschichte. Musik als Jungbrunnen.

An vier magischen Abenden im Dezember 2023 begann im Sartory das Konzept, nochmal alle Titel der beiden Durchbruchs-Alben „Für usszeschnigge!“ (1981) und „Vun drinne noh drusse“ (1982) und zehn weitere Frühwerke zu spielen.

Das dort aufgenommene Live-Album sorgte für die 13. Nummer-eins-Platzierung in den Charts, die 34 Konzerte der Tour waren allesamt ausverkauft, natürlich auch das grandiose „Homecoming“-Doppel-Finale in Deutz.

BAP stehen auf der Bühne.

Was für eine Kulisse: Nach dem Konzert posierte die Band zum Erinnerungsfoto mit den Fans in der Lanxess-Arena.

Als nach dem Eröffnungssong „Koot vüür Aach“ erstmals das Hallenlicht anging, erschrak Niedecken fast ein wenig. „Da seid ihr ja alle“, sagte er begeistert. Und an seinen jungen Schlagzeuger Sönke Reich gerichtet: „Das ist meine Stadt. Das ist nicht zu fassen“.

Es folgte eine wirklich beeindruckende Zeitreise durch die Anfangsjahre der Band. 30 Lieder, gespielt ohne Pause („das ist doch Hippie-Kram“) und ohne Bettelei für Zugaben („das ist doch un-erwachsen“).

Wolfgang Niedecken mit Narrenkappe.

Ein bisschen Karneval steckt inzwischen auch in Wolfgang Niedecken. „Nit für Kooche“ sang er mit Narrenkappe.

Alte BAP-Mitglieder wie Manfred „Schmal“ Boecker, Alexander „Effendi“ Büchel, Bernd Odenthal oder Vassilios „Nick“ Nikitakis erlebten als Augenzeugen, wie lange nicht mehr gespielte Schätzchen wie „Ahn 'ner Leitplank“, „Zehnter Juni“ oder „Wenn et Bedde sich lohne däät“ im neuen Glanz erstrahlten.

„Wir spielen die Stücke so, als hätten wir sie erst gestern geschrieben“, sagte Niedecken. Auch wenn er die Titel damals als Junggeselle komponiert habe und inzwischen als vierfacher Vater und dreifacher Großvater seine Meinung zu einigen Dingen – beispielsweise dem Karneval – geändert habe, seien sie immer noch aktuell. „Wolf Biermann hat gesagt: Nur wer sich ändert, bleibt sich treu“.

Blick in die Lanxess-Arena bei BAP.

Über 15.000 Fans erlebten einen spielfreudigen Wolfgang Niedecken in der Arena. Auf zwei großen Leinwänden konnte die Show verfolgt werden.

Anfangs präsentierte der Frontmann dem Publikum noch zahlreiche Anekdoten rund um die Entstehung der Songs, die er auch im 128-Seiten-Magazin zur Tour aufgeschrieben hat. Der Besuch im Waschsalon auf der Bonner Straße diente beispielsweise vor dem Cadzand-Urlaub als Inspiration für gleichnamiges Lied, die Idee für „Fuhl am Strand“ entstand in Chalkidiki.

Nach einer Gänsehaut-Version von „Jupp“ gab es kein Halten mehr. „Ne schöne Jrooß“ und „Verdamp lang her“ starteten die wilde BAP-Party. Bei „Do kanns zaubere“ leuchteten die Handy-Lichter, bei „Jraaduss“ sang die Menge „so laut wie in Müngersdorf die Südkurve“.

Wolfgang Niedecken mit Ulrich Rode auf der Bühne.

Wolfgang Niedecken (r.) und Gitarrist Ulrich Rode rockten die Arena. Musikalisch präsentiert sich die Band erstklassig.

Der aktuelle BAP-Höhenflug liegt nicht nur am Konzept, nur Titel zu spielen, die mindestens 40 Jahre alt sind und mit denen viele Fans älter geworden sind. „Über 30 Musiker haben bei BAP mitgespielt“, resümiert Niedecken. „Wir haben uns immer wieder verändert. Ich bin sehr dankbar dafür, dass wir nie stehengeblieben sind und uns immer weiter entwickelt haben.“

Die achtköpfige Band rund um die „Urgesteine“ Werner Kopal (seit 28 Jahren am Bass) und Michael Nass (seit 25 Jahren am Keyboard) präsentiert die Klassiker in unglaublicher Frische und Brillanz. Anne de Wolff bedient jedes erdenkliche Instrument, bis hin zur neu zugelegten Okarina. Ihr Ehemann Ulrich Rode holt aus seiner Gitarre alles raus. Hinzu kommt das glänzende Bläser-Trio um Saxofonist Axel Müller.

Wolfgang Niedecken mit Award der Lanxess-Arena.

Matthias Baumann (Semmel), Manuela Schele (Semmel), Wolfgang Niedecken und Matthias Schaettgen (Management, v.l.) nahmen von Arena-Chef Stefan Löcher (2.v.l.) den Sold-out-Awards für zwei Shows mit über 30.000 Fans entgegen.

Den Abschluss der „Zeitreise“-Tour nutzte Niedecken, um im exklusiven EXPRESS.de-Gespräch über die erlebte Euphorie zu sprechen. „Es war überall ausverkauft und die Leute sind so happy. Ich habe gehofft, dass es schön wird, aber dass es so unglaublich angenommen wird, damit habe ich nie gerechnet“, sagte er. „Die Leute sind so glücklich, dass sie im Laufe des Konzertes beim Hören der alten Songs alle locker 40 Jahre jünger werden. Das ist unfassbar.“

2026 steht bereits der 50. BAP-Geburtstag an. „Toll, dass die Leute uns treu geblieben sind. Diese Tour bestand im Prinzip nicht aus Konzerten, sondern aus Familienveranstaltungen. Viele der Leute, die vor der Bühne standen, kenne ich schon lange. Ich habe sie vor der Bühne aufwachsen sehen und sie haben gesehen, wie ich auf der Bühne alt werde. So etwas verbindet. Viele von denen kommen mittlerweile mit ihren Kindern und teilweise sogar schon mit ihren Enkeln“, erzählte der Sänger.

Die Band erinnere ihn an die Formation, mit der er 2001 das „Övverall“-Livealbum aufgenommen habe. „Es ist ein Traum für mich, mit dieser Besetzung zu spielen. Die Band hat unglaublich gearbeitet. Da musste ich keinen zum Jagen tragen. Alle hatten einen Riesen-Spaß, es war paradiesisch. Ich weiß gar nicht, wie ich es in Worte fassen soll: Es ist ein Träumchen“.

BAP: „Zeitreise“ geht 2025 weiter - Konzert unter anderem in Bonn

Nach diesem Erfolgserlebnis soll das „Zeitreise“-Konzept natürlich nicht enden. Im kommenden Sommer stehen zahlreiche Open-Air-Auftritte an, unter anderem am 16. August auf dem KunstRasen in Bonn.

„Da kommen dann auch noch Stücke vom Album ‚Zwesche Salzjebäck un Bier‘ dazu. Auf der Wiese können wir die ganz leisen Sachen nicht spielen, da muss man eben ein bisschen mehr Dampf geben“, kündigte Niedecken an. „Auch wenn wir nichts haben, Repertoire haben wir, daher werden wir mindestens sechs Songs austauschen.“