In kaum einer anderen Branche ist der Bedarf an Fachkräften größer. Deshalb standen in der Lanxess-Arena in Köln Handwerks-Betriebe im Rampenlicht.
Statt WeltstarsLanxess-Arena öffnet Pforten fürs Handwerk – besonderes Event feiert Premiere in Köln
Normalerweise werden in Köln-Deutz regelmäßig Weltstars von Tausenden Fans bejubelt. Am Donnerstag (25. Mai 2023) stand in der Lanxess-Arena jedoch ein anderes Programm auf der Tagesordnung.
Denn: Die Pforten wurden zwischen 13 und 17 Uhr für 70 Handwerker-Betriebe geöffnet, die bei rund 1000 jungen Besucherinnen und Besuchern Werbung für sich und die Branche machten – Premiere für die bislang größte Ausbildungsbörse des Handwerks im Raum Köln.
Lanxess-Arena: Statt Weltstars hatten Handwerks-Betriebe ihren großen Auftritt
Buttercreme auf Muffins auftragen, Stuck selber herstellen, Haare von Puppen flechten oder durch eine 3D-Brille einen Einblick in den Beruf des Schornsteinfegers oder der Schornsteinfegerin erhalten: Bei der „Azubi Meetup Handwerk“ standen zahlreiche Handwerksberufe im Scheinwerferlicht.
Jugendliche konnten sich nicht nur über mögliche Ausbildungsstätten informieren, sondern auch selber hineinschnuppern und ausprobieren, welcher Beruf ihnen besonders viel Spaß bereiten könnte.
„Einerseits wollen wir den jungen Menschen die Möglichkeit geben, sich konkret noch für dieses Jahr für eine Ausbildungsstelle zu verabreden. Auf der anderen Seite gibt es hier einen sehr hohen Praxisanteil, was toll ist“, erklärt Roberto Lepore, Abteilungsleiter der Beruflichen Orientierung und Karrierewerkstatt der Handwerkskammer zu Köln gegenüber EXPRESS.de.
„Es sind sehr viele Jugendliche sehr gut vorbereitet. Teilweise kamen einige von ihnen schon mit Bewerbungsmappen. Ich hab auch schon gehört, dass es zu Verabredungen im Betrieb gekommen ist. Das Handwerk hat seine Bühne gefunden“, schwärmt er von einem gelungenen Event.
Der Hintergrund der Messe: Handwerks-Betriebe leiden unter akutem Fachkräftemangel. Es gehen zu wenig Bewerbungen ein, mehrere hundert Stellen sind infolgedessen im Kölner Raum unbesetzt.
Das Problem trifft auch die Bäckereien hart. Im vergangenen Ausbildungsjahrgang haben in Köln und im Rhein-Erft-Kreis nur vier Auszubildende ihre Prüfung als Bäcker oder Bäckerin erfolgreich abgeschlossen.
„Die Arbeitszeiten sind natürlich nicht gerade verlockend“, gesteht ein Vertreter der Bäcker-Innung gegenüber EXPRESS.de. Dennoch. „Durch unseren Stand versuchen wir mit jungen Menschen ins Gespräch zu kommen. Die letzte Messe im Gürzenich war erfolgreich. Danach haben wir fünf Bewerbungen erhalten. Wir hoffen, dass das jetzt auch der Fall sein wird“, zeigt er sich optimistisch.
Am Stand der AWB (Abfallwirtschaftsbetriebe Köln GmbH) macht ein Auszubildender selbst Werbung für seinen Beruf als Kraftfahrer: „Wenn wir mit den großen Autos durch die Stadt fahren, winken uns die Kinder oft zu. Wir werden für die Arbeit von vielen Menschen bewundert.“ Trotzdem wollen zu wenig Jugendliche den Job erlernen. Auch hier herrscht akuter Mangel – und der Bedarf wird immer größer.
Dachdeckermeister Norman Reuter erfuhr durch EXPRESS.de von der Messe. Er nutzt seinen Stand dafür, um mit Vorurteilen gegen Dachdecker und Dachdeckerinnen aufzuräumen.
„Wenn Du Dachdecker bist, hast Du schon im Knast gesessen“, lautet nur eines der Klischees, mit dem er in seinem Berufsalltag immer wieder konfrontiert wird.
„Viele denken, der Beruf ist was für Dumme. Das ist überhaupt nicht so“, stellt er gegenüber EXPRESS.de klar und erklärt: „Der Beruf ist extrem breitgefächert. Viele gehen nach der Ausbildung zur Feuerwehr, manche Anforderungen überschneiden sich.“ Ein Geheimnis daraus, wie anstrengend sein Job ist, macht er hingegen nicht.
Am Stand eines Friseurbetriebes stehen drei Mädchen und flechten Haare an einer Perücke. Nächstes Jahr beenden sie die Hauptschule, dann entscheiden sie sich, welche Ausbildung sie anstreben.
„Die Messe ist eine gute Möglichkeit für uns, viele Berufe mal auszuprobieren. Bei einigen wussten wir nicht, dass sie existieren“, staunen sie.
Dazu gehört auch der Beruf der Stuckateure und Stuckateurinnen. Am Stand macht die 18-jährige Sophie Panné Werbung für ihren Betrieb. Sie ist Ausbildungsbotschafterin der Handwerkskammer zu Köln.
„Ich habe meinem Papa früher immer beim Renovieren unseres Hauses geholfen. Das hat mir viel Spaß gemacht. Ich bin künstlerisch sehr interessiert. Nach meinem Auslandsaufenthalt wollte ich nicht mehr zur Schule gehen und habe stattdessen erst ein Praktikum absolviert und dann die Ausbildung begonnen“, berichtet sie uns.
Mit Geschlechterrollenklischees will die Handwerkskammer bewusst aufräumen. „Im regionalen Handwerk Köln/Bonn sind es aktuell 20 Prozent Frauenanteil bei neu abgeschlossenen Ausbildungsverträgen. Das ist definitiv zu wenig“, stellt Lepore fest und erinnert: „Das Handwerk ist hip und offen für alle Menschen.“