„Schwer belastet“Riesen-Zoff um Kölner Straße – 85 Prozent halten es so nicht mehr aus

Ein übermaltes Straßenschild an der Gustav-Nachtigal-Straße in Köln.

Die Straßenschilder an der Gustav-Nachtigal-Straße im Kölner Afrika-Viertel (Nippes) wurden schon übermalt oder überklebt, immer als Kritik am Namensgeber. Das Foto wurde im Juli 2020 aufgenommen.

Wird der Name einer Kölner Straße bald geändert? Erneut ist dazu eine Diskussion um die deutsche Kolonialzeit entstanden.

von Thomas Werner  (tw)

Der Streit ist weder neu noch einzigartig in Köln. Aber emotional kann es im Zoff um Namen von Kölner Straßen dennoch werden.

Diesmal im Fokus: die Gustav-Nachtigal-Straße. Die Straße in Nippes ist Teil des Afrika-Viertels und könnte ihren Namen bald ändern.

Kölner Straße vor der Umbenennung? Deutsche Kolonialzeit in der Kritik

Denn: Die Bezirksvertretung, Grünen-Bürgermeisterin Dr. Diana Siebert und die Grünen wollen eine Umbenennung. Gustav Nachtigal (1834 – 1885) war ein deutscher Afrikaforscher und Beamter im auswärtigen Dienst des deutschen Kaiserreichs. Als Reichskommissar vollzog er die Gründung deutscher Kolonien in Westafrika – und steht damit in direktem Zusammenhang mit dem umstrittenen deutschen Kolonialismus.

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In einem Gutachten von Dr. Marianne Bechhaus-Gerst, Historikerin für Afrikanistik an der Universität zu Köln, wird er als „schwer belastet“ und „nicht haltbar“ beschrieben.

Die Straßenschilder an der Gustav-Nachtigal-Straße waren deswegen bereits 2020 mehrfach übermalt oder mit anderen Namen (u.a. Hilde Berg) überklebt worden.

Bis 1919 unterhielt das Deutsche Reich vier Kolonien in Afrika (u.a. Kamerun), hielt diese mit Gewalt in Schach. Hunderttausende Menschen starben, teilweise auf brutale Weise.

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Nachtigal habe sowohl wissenschaftlich (durch seine Forschungsreisen und Publikationen) als auch politisch (durch Übernahme des Amtes Reichskommissar, Flaggenhissungen, etc.), das „koloniale Projekt“ des Deutschen Reichs unterstützt und vorangetrieben. Die Benennung der Gustav-Nachtigal-Straße stehe daher „für den Zusammenhang von Kolonialrevisionismus und Nationalsozialismus.“

Im Sommer 2024 hatte die Stadt Köln bezüglich einer möglichen Umbenennung zur Online-Abstimmung aufgerufen: 620 Personen nahmen online teil, davon stimmten fast 85 Prozent für eine Umbenennung.

Allerdings wohnen die Menschen zum großen Teil nicht im Afrikaviertel. Bei den Abstimmungen dort sieht das Bild ganz anders aus. 27 Menschen nahmen teil, 20 stellten sich gegen eine Änderung des Namens.

Jetzt kämpfen die Parteien um die Deutungshoheit der Umfrage: Während Bürgermeisterin Dr. Diana Siebert das Votum der Bezirksvertretung bestätigt sieht, kritisiert CDU-Fraktionschef Christoph Schmitz gegenüber „Bild“: „Aus den Rückmeldungen der betroffenen Anwohner geht hervor, dass die Mehrzahl der direkt betroffenen Anwohner der Gustav-Nachtigal-Straße eine Umbenennung nicht zustimmt.“

Diskussionen über Straßennamen sind in Köln in den vergangenen Jahren keine Seltenheit gewesen. Unter anderem wurde die Mohrenstraße in Gregorius-Maurus-Straße umbenannt. Darüber hinaus fordert der Musiker Chilly Gonzales die Umbenennung der Richard-Wagner-Straße in Tina-Turner-Straße. Der deutsche Komponist habe mit seinem Aufsatz „Das Judenthum in der Musik“ den ohnehin bestehenden Antisemitismus weiter befeuert.

Auch von offizieller Seite soll die Debatte weitergehen – unter anderem steht in Köln noch eine Entscheidung zur Ostlandstraße aus. Diese befindet sich im Stadtbezirk Lindenthal. Die Straße wurde zwar erst 1949 benannt, die Benennung bildet aber einen Bezug auf die ehemals vom nationalsozialistischen Deutschland besetzten „Ostgebiete“.

Außerdem werden neue Namen für die Wissmannstraße und die Gravenreuthstraße in direkter Nähe zum Ehrenfelder Bahnhof gesucht.