Am 6. Februar 2000 ereignete sich in Brühl eines der schwersten Zugunglücke in der deutschen Geschichte. Ein Rückblick, 25 Jahre nach der Tragödie.
Tragödie vor 25 JahrenNeun Tote, 149 Verletzte: Das schlimme Zug-Drama vor den Toren Kölns
Ein Waggon hat sich ins Bahnsteigdach gebohrt, andere Wagen sind eine Böschung hinabgestürzt und die Lok, sie ist in ein Einfamilienhaus gerast. Inmitten der Trümmer bergen Einsatzkräfte Tote, versorgen Verletzte – es sind Bilder, die viele auch 25 Jahre nach der Katastrophe von Brühl nicht vergessen haben.
Am 6. Februar 2000 entgleiste der Schnellzug D 203. Nur hundert Meter vom Schloss Augustusburg kam es zum schlimmsten Unglück im Rheinland seit Jahrzehnten. Ein Rückblick auf die damaligen dramatischen Geschehnisse.
Brühl: So kam es vor 25 Jahren zu dem verheerenden Zugunglück
Zug D 203 war auf dem Weg von Amsterdam Centraal nach Basel SBB. In der Unfallnacht war allerdings im Güterbahnhof Brühl das Hauptgleis wegen Arbeiten gesperrt, daher wurden Züge bereits am davorliegenden Bahnhof Hürth-Kalscheuren auf das Gegengleis geleitet.
An der Baustelle selbst galt es in Richtung Bonn das Tempo auf 40 km/h zu drosseln, was der damals 28-jährige Zugführer Sascha B. auch tat. Doch dann soll er wieder beschleunigt haben.
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„Mein Gott, mein Gott, die Weiche. Das kann nicht sein“, waren seine letzten Worte auf der Blackbox, bevor der Schnellzug um 0.13 Uhr mit 122 km/h entgleiste. Neun Menschen starben bei der Katastrophe von Brühl, 149 wurden verletzt. Zugführer Sascha B. kam verletzt und mit einem schweren Schock ebenfalls ins Krankenhaus. Aber wie konnte es zu dem Unglück kommen?
Der erste Impuls verleitet wohl dazu, die Schuld bei Lokführer Sascha B. zu suchen. Doch damit wäre die Fehlerkette nicht vollständig: So verlangte das entsprechende Signal zwar 40 km/h, zugleich erlaubte eine schriftliche Anweisung aber eine Geschwindigkeit von 120 km/h. Diese widersprüchlichen Angaben waren Bahn-Mitarbeitenden damals auch schon vor dem Unfall bekannt – geändert wurden sie nicht. „Das hätte doch nur die Papierflut erhöht“, sagte ein Sachbearbeiter im nachfolgenden Prozess.
Es wurde daher empfohlen, die Lokführerinnen und Lokführer telefonisch auf die Baustelle aufmerksam zu machen. In der Nacht des Unglücks war allerdings der Zugbahnfunk gestört und funktionierte nicht richtig – nicht das erste Mal. Auch automatische Bremseinrichtungen waren an der Baustelle nicht vorhanden. Knapp zwei Kilometer hinter dem Ersatzsignal entgleiste der Zug schließlich.
Der Aufschrei in den Medien und der Bevölkerung war gleichermaßen groß. Die Bewohner des Einfamilienhauses, in das die Lok krachte, sagten damals gegenüber EXPRESS: „Wir schliefen schon. Plötzlich ein furchtbares Donnern. Das ganze Haus wackelte. Es war wie bei einem schweren Beben. Alles fiel um.“ Wie durch ein Wunder blieb das Ehepaar unverletzt.
Dr. Dirk Jan Scholte, Neurologe aus Breda, war im Unglückszug auf dem Weg nach Basel zu einer medizinischen Fachtagung. Er lag im Schlafwagen und sagte damals gegenüber EXPRESS: „Erst gab es einen Ruck, dann ein Rumpeln und Schütteln. Ich hörte die Schreie der Menschen. Zum Glück stürzte unser Waggon nicht den Abhang herunter.“
In dem Prozess vor dem Kölner Landgericht wurden neben Lokführer Sascha B. auch drei weitere Mitarbeiter der Deutschen Bahn wegen fahrlässiger Körperverletzung in 149 Fällen angeklagt. Wegen geringer Schuld wurde das Verfahren am 23. Oktober 2001 nach 23 Prozesstagen eingestellt. Die Angeklagten mussten Geldbußen zwischen 7000 DM und 20.000 DM für wohltätige Zwecke zahlen.
Sascha B. sei nur ein Augenblicksversagen im Rahmen einer Fehlinterpretation anzulasten gewesen, die drei weiteren Angeklagten, denen die verwirrenden Betriebsanweisungen vorgeworfen worden waren, hätten sich, objektiv gesehen, an das Regelwerk gehalten, jedoch die Gefahren nicht erkannt. Als Hauptschuldiger entpuppte sich die Deutsche Bahn AG selbst – erst durch Schlampereien und Fehler im internen Sicherheitssystem hätte es überhaupt zu dem Unglück kommen können.
In Folge des Bahnunglücks in Brühl gab es zahlreiche Veränderungen im Ablauf und Sicherheitsapparat der Deutschen Bahn. So werden Züge seitdem auch in Baustellen bei überhöhter Geschwindigkeit automatisch abgebremst. Die Lokführerinnen und Lokführer werden an Simulatoren ausgebildet und müssen mehrere Monate mit einer erfahrenen Kollegin oder einem erfahrenen Kollegen mitfahren, bevor sie für eine bestimmte Strecke die Fahrerlaubnis erhalten.
Auch neue Führerscheinklassifizierungen befähigen die Lokführerinnen und Lokführer seitdem zum Fahren von Rangier-, Güter- oder schnellen Reisezügen. Das Zugunglück in Brühl, drei Jahre nach dem Unfall in Eschede (Niedersachsen) mit mehr als 100 Toten, zählt zu den schwerwiegendsten in der deutschen Geschichte.