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Messer-Angriff von SolingenEr stellte sich blutverschmiert der Polizei– jetzt Haftbefehl gegen mutmaßlichen Täter

Nach der Bluttat in Solingen wird immer klarer, wer offenbar hinter dem tödlichen Anschlag steckte: Es handelt sich mit großer Wahrscheinlichkeit um einen 26-Jährigen aus Syrien, der abgeschoben werden sollte.

Nach dem tödlichen Messerangriff von Solingen hat die Bundesanwaltschaft den Fall an sich gezogen und ermittelt gegen den Tatverdächtigen wegen Mordes und des Verdachts der Mitgliedschaft in der Terrormiliz Islamischer Staat (IS). Das teilte eine Sprecherin der obersten deutschen Anklagebehörde in Karlsruhe mit.

Der Verdächtige der Solinger Bluttat wurde am Sonntag, 25. August 2024, einem Ermittlungsrichter am Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe vorgeführt. Dieser habe Haftbefehl unter anderem wegen Verdachts der Mitgliedschaft in der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) und wegen Mordes erlassen, teilte die Bundesanwaltschaft mit.

Der Syrer teile die Ideologie der Terrorvereinigung IS und habe sich ihr zu einem derzeit nicht genau bestimmbaren Zeitpunkt vor dem 23. August angeschlossen, heißt es in der Mitteilung. Eine Abschiebung des 26-jährigen Asylbewerbers aus Syrien war 2023 gescheitert.

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Wegen seiner radikal-islamistischen Überzeugungen habe er den Entschluss gefasst, auf dem Solinger Stadtfest eine möglichst große Anzahl aus seiner Sicht ungläubiger Menschen zu töten, so die Bundesanwaltschaft. „Dort stach er mit einem Messer hinterrücks wiederholt und gezielt auf den Hals- und Oberkörperbereich von Besuchern des Festivals ein.“

Solingen: Mutmaßlicher Täter trug blutverschmierte Kleidung

Am Samstagabend, 24. August, hatte sich nach Polizeiangaben ein 26-Jähriger den Ermittlern gestellt. Der Mann habe angegeben, für den Anschlag verantwortlich zu sein. Die Tatbeteiligung dieser Person werde intensiv geprüft.

Der Düsseldorfer Polizei zufolge handelt es sich bei dem Tatverdächtigen um einen 26-jährigen Syrier. Nach dpa-Informationen soll er blutverschmierte Kleidung getragen haben, als er sich gestellt hat.

Die schwer verletzten Opfer sind auf dem Wege der Besserungen. „Alle vier noch stationär behandelten Patienten sind über den Berg“, sagte der medizinische Geschäftsführer und ärztlicher Direktor am städtischen Klinikum Solingen, Thomas Standl, dem Fernsehsender Welt TV. Der Tatort in der Innenstadt war am Sonntagmorgen weiter großräumig abgesperrt. Am Vormittag kamen Hunderte Menschen zu einem Trauergottesdienst zusammen.

Am Freitagabend, 23. August, hatte ein Mann auf einem Jubiläumsfest zum 650. Gründungstag der Stadt Solingen - dem „Festival der Vielfalt“ - offenbar willkürlich auf Umstehende eingestochen. Anschließend entkam er im Tumult und in der anfänglichen Panik.

Zwei Männer im Alter von 67 und 56 Jahren sowie eine 56 Jahre alte Frau starben. Acht Menschen wurden verletzt, vier davon schwer. Die Terrormiliz IS reklamierte die Tat für sich, eine offizielle Bestätigung der Sicherheitsbehörden für ein islamistisches Tatmotiv gibt es bislang aber nicht.

Wie der „Spiegel“ berichtete, kam der Verdächtige Ende 2022 nach Deutschland und stellte einen Antrag auf Asyl. Den Sicherheitsbehörden war er demnach bislang nicht als islamistischer Extremist bekannt. Diese Informationen wurden der Deutschen Presse-Agentur bestätigt.

Solingen: Asylantrag des mutmaßlichen Täters wurde abgelehnt

Der Asylantrag des Tatverdächtigen wurde demnach abgelehnt. Deshalb sollte er im Jahr 2023 nach Bulgarien abgeschoben werden. Über das Land war er in die Europäische Union eingereist.

Da er zwischenzeitlich allerdings in Deutschland untergetaucht sei, sei die Abschiebung vorerst hinfällig gewesen, schrieb die „Welt“ - auch der „Focus“ hatte berichtet. Später sei der Syrer nach Solingen überstellt worden.

Den sogenannten Dublin-Regeln ist meist jener EU-Staat für einen Asylantrag zuständig, auf dessen Boden der Schutzsuchende zuerst europäischen Boden betreten hat - in diesem Fall wohl Bulgarien. Zieht derjenige unerlaubt in ein anderes EU-Land wie Deutschland weiter, kann dieses ein sogenanntes Übernahmeersuchen an das betreffende Land stellen. Wenn das zustimmt, kann die Abschiebung angeordnet werden. Der Asylsuchende muss dann allerdings innerhalb einer bestimmten Frist abgeschoben werden. Gelingt das nicht, geht die Zuständigkeit auf das Land über, das denjenigen eigentlich überstellen wollte.

NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) sagte am Samstagabend in den ARD-„Tagesthemen“ nach der Festnahme des Gesuchten: „Wir haben nicht nur einen Hinweis auf diese Person gehabt, sondern wir haben auch Beweisstücke gefunden.“ Konkrete Angaben zu diesen Beweisstücken machte er nicht.

Der Islamische Staat behauptete in einer Mitteilung über seinen Propaganda-Kanal Amak, der Angreifer sei IS-Mitglied gewesen und habe die Attacke aus „Rache für Muslime in Palästina und anderswo“ verübt. Der Angriff habe einer „Gruppe von Christen“ gegolten.

Auch die Düsseldorfer Polizei erhielt nach eigenen Angaben ein angebliches Bekennerschreiben des IS. Jetzt müsse geprüft werden, ob dieses Schreiben echt sei, sagte ein Polizeisprecher. Aus Ermittlerkreisen wurde darauf hingewiesen, dass der IS in der Vergangenheit schon öfter eine Tat für sich reklamiert habe, ohne dass es belastbare Hinweise für eine Zusammenarbeit mit dem Täter gab.

Mutmaßlich bezieht sich der IS mit der „Rache für Muslime in Palästina“ auf den Krieg im Gazastreifen zwischen Israel und der palästinensischen Terrororganisation Hamas. Weder der IS noch das Terrornetzwerk Al-Kaida haben Bündnisse mit der islamistischen Hamas. Die Gefahren durch Terrorismus und Radikalisierung in der islamischen Welt sind den Sicherheitsbehörden zufolge durch den monatelangen Krieg in Gaza aber gestiegen. Deutschland ist neben den USA einer der wichtigsten Verbündeten Israels und auch einer der wichtigsten Waffenlieferanten.

Der Leitende Oberstaatsanwalt Markus Caspers hatte am Samstagnachmittag bei einer Pressekonferenz in Wuppertal zu den Hintergründen der Tat gesagt: „Eine Motivlage konnten wir bisher auch nicht erkennen, wir gehen aber nach den Gesamtumständen davon aus, dass der Anfangsverdacht einer terroristisch motivierten Tat nicht ausgeschlossen werden kann.“ Sollten sich die Hinweise auf eine terroristische Straftat verdichten, komme eine Übernahme des Falles durch den Generalbundesanwalt in Betracht. Dies ist nun geschehen.

Die Bundesanwaltschaft ist unter anderem für Taten des islamistisch motivierten Terrorismus zuständig. Generalbundesanwalt Jens Rommel hatte diesen bei der Jahresbilanz seiner Behörde als eine der Hauptgefahren für Deutschland ausgemacht. Von mehr als 700 im vergangenen Jahr eingeleiteten Ermittlungsverfahren aus dem Bereich Terrorismus und Staatsschutz betrafen Rommel zufolge knapp 500 den islamistischen Terrorismus. „Deutschland ist weiterhin Ziel radikalisierter Islamisten“, heißt es bei der Bundesanwaltschaft. Das Spektrum reiche vom individuell radikalisierten Täter bis zu konspirativ agierenden Terrorzellen.

Bereits am Samstagabend hatte die Polizei „unter Einbindung von Kräften von Spezialeinheiten“ eine Flüchtlingsunterkunft in Solingen durchsucht. Eine Person, die Kontakt zum Täter gehabt haben soll, sei auf eine Polizeiwache gebracht worden, teilte die Düsseldorfer Polizei mit. Es handele sich nach aktuellem Stand um einen Zeugen.

Am frühen Samstagmorgen war ein 15 Jahre alter Jugendlicher festgenommen worden. Als möglicher Vorwurf gegen ihn steht die Nichtanzeige geplanter Straftaten im Raum.

Deutschlandweit löste die Tat in Solingen große Betroffenheit aus. Bundeskanzler Olaf Scholz sprach von einem „furchtbaren Verbrechen“. „Wir dürfen so etwas in unserer Gesellschaft nicht akzeptieren und uns niemals damit abfinden. Mit der ganzen Härte des Gesetzes muss hier vorgegangen werden“, sagte der SPD-Politiker bei einem Termin in Brandenburg. (dpa/dok)